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Und nach vielen Jahren ward Beowulf König der Geaten. Nachdem er dieses breiten Reiches wohl an fünfzig Winter gewaltet hatte, führte er nach Hrodgars und Hrodwulfs Tod auch über die Dänen die Oberherrschaft. Haar und Bart waren ihm ergraut.
Da begann ein Drache im Land zu wüten; denn sein Hort, den er in einem Berge, nah der See, bewachte, war beraubt worden. Ein Pfad – niemand bekannt – lief in den Berg. Ein Knecht, der vor den Schlägen seines geatischen Herrn floh, geriet auf den Steig und erschaute den Hort, während der Drache schlief. Da lagen in der Erdhöhle viele uralte Schätze angehäuft. Der friedlose Mann nahm eine kostbare Schale davon und brachte sie seinem Herrn, sich damit Verzeihung zu erkaufen. Der Herr nahm die Sühne an und gewährte dem Knecht Frieden. Als aber der Wurm erwachte, brach seine Wut aus; er beroch das Gestein und witterte bald des Menschen Spur, der bis nah an sein Haupt hingeschritten war. – So mag ein Glücklicher Gewagtes vollbringen, wenn’s ihm der Waltende gewährt. –
Der Wurm suchte eifrig über den Grund hin, um den Menschen zu finden, der ihm im Schlafe Schaden getan. Zornig, wildwütig umkreiste er von aussen den Berg, wieder und wieder; aber bis weithin über die Heide sah er niemand. Er kroch in seine Höhle zurück und zählte seine Schätze; da sah er deutlich, dass er bestohlen war. Ungeduldig erwartete er den Abend, seine Wut schwoll und schwoll; mit Feuer wollte er Land und Leuten den Hortraub vergelten. Als die Nacht kam, fuhr er brennend aus dem Berge; flog, glutenspeiend, über das Land, versengte Höfe und Hallen, und verwüstete alles. Nichts Lebendiges wollte er übrig lassen. Vor Tagesanbruch kehrte er zurück und schoss nieder auf seinen Hort in der Erdhöhle, wo er sich sicher wähnte.
Eilig liefen die Boten mit der Schreckenskunde zu Beowulf; des Königs eignes Haus, wo er vom Hochsitz Gaben zu verteilen pflegte, verschlangen lodernde Flammen. Gram ergriff den guten König; düstere Gedanken beschwerten ihn, als er seines Volkes Land weithin verwüstet sah; grimmig beschloss er’s zu rächen.
Einen Schild, ganz von Eisen, befahl er zu schmieden; kein grosses Heer sollte ihn begleiten, er fürchtete des Wurmes Wut nicht; manch kühnen Kampf, manch gefährlichen Sturm hatte er ja gefochten! Mit elf Gefolgen ging er, den Drachen zu suchen. Er hatte nach der Ursache der Erzürnung des Ungetüms geforscht, und da war ihm die Schale ausgeliefert worden und der Knecht, der sie geraubt und all den Jammer verschuldet hatte; als Dreizehnter, widerwillig, musste der ihnen voranschreiten, den Weg weisend zu der Höhle im Berge nah der See. Auf einer Klippe vor dem Berge hielt Beowulf an und sass nieder. Traurig, todbereit nahm er Abschied von seinen Herdgenossen. Schon trat das letzte Schicksal an des greisen Königs Seite.
"Viele Kämpfe, viel Unheil," begann er, "hab’ ich schon in früher Jugend ausgehalten. Sieben Winter war ich alt, als mich Hredel in seine Halle nahm und gleich seinen Söhnen hielt. Mit meinem Schwert und meiner Treue hab’ ich den Gesippen ihre Liebe vergolten. Alles dessen muss ich gedenken! Mit Beil und Schwert soll mir nun diese Hand des Wurmes Hort erkämpfen. Mass ich mich oft in der Jugend mit tapfern Helden, will ich nun im Alter als meines Volkes Schirmwart auch diese Fehde suchen und den Landschaden vernichten." Einen jeden seiner lieben Genossen grüsste er noch zum letzten Mal.
"Gern ging ich ohne Schwert; aber Gift und Feueratem hab’ ich von dem Wurm zu gewärtigen, deshalb trag’ ich Schild und Brünne. Nicht Fusses breit will ich dem Drachen weichen; ergeh’s, wie’s das Schicksal will! In Brünnen und Waffen erwartet hier vor dem Hügel, wer von uns den Kampf überlebt. Ich gewinne das Gold oder der Tod nimmt euch den König."
Da erhob sich der kühne Held, nahm Schild und Schwert und schritt unter die Steinklippen. Er fand an der Bergwand einen gewölbten Stein, unter dem brach ein Strom aus dem Berg; das Wasser war heiss von des Drachen Feuerhauch. Niemand konnte, ohne sich zu versengen, in die Höhle gelangen. Erbost rief Beowulf den Wurm zum Kampfe heraus; sein Herz stürmte, grimm und gellend drang seine Stimme unter den hohlen Stein; der Hass war nun zwischen ihnen geweckt. Der Lindwurm erkannte die Menschenstimme; der Hügel erdröhnte und des Unholds heisser Atem fuhr dampfsprühend aus der Höhle. Beowulf schwang seinen Schild empor gegen den grauenhaften, geringelten Wurm, den er zum Streit aufgerüttelt hatte. Das Schwert in der Faust, stand er, ihn erwartend. Der Wurm zog sich, eingekrümmt, rasch zusammen und kam schnaubend und feuerblasend im Bogen geschossen. Der Eisenschild schützte den Mutigen nicht viel vor der Lohe; – doch stolz hob er sein gutes Schwert und schlug nach dem grausigen, buntfarbenen Drachen; die Schneide glitt – ohne tief einzuschneiden – von dem Bein ab, aber der grimme Hieb brachte den Unhold in wilde Wut; er spie brennende Lohe aus; weithin schossen die Feuerstrahlen. Beowulf konnte da in der Not mit seinem Schwert nicht viel ausrichten. Aber er war nicht gewillt, so leicht sein Leben zu lassen, und schon wälzte sich mit neuem Grimm der Wurm, den Hals mit giftigem Atem geschwollen, schnaubend und blasend heran. Da litt der greise Held bittre Not, rings vom Feuer umspieen.
Als Beowulfs Gefolgen draussen den Berg erdröhnen hörten und das wilde Feuer aus der Höhle schiessen sahen, entliefen sie und bargen sich im nahen Gehölz; nur Wiglaf, Weochstans Sohn, sorgte um seines Königs Leben. Er gewahrte, wie sein Herr unter dem hohlen Steine ganz mit Lohe überschüttet stand; – da gedacht’ er all des Guten und der Ehrengeschenke, die er von Beowulf empfangen, und verhielt sie nicht länger, die treue Tapferkeit. Er griff nach Schild und Schwert und rief den flüchtigen Recken nach: "Gedenkt, wie wir so oft Gaben von Beowulf empfingen und sie ihm zu vergelten gelobten, bedürft’ er unser in der Not! Er selbst kor uns aus dem ganzen Heer zu dieser Fahrt, weil er uns für tapfer hielt; wollte er auch allein dies Heldenwerk vollbringen – wie er so viele vollbracht hat! Er bedarf nun unsres Beistandes, ihr Weigande! Lasst uns gehen und ihm helfen wider das feuerspuckende Untier. Lieber soll dann die Lohe auch meinen Leib mit dem meines Herrn verschlingen. Schande uns, trügen wir die Schilde heim, ehe der Drache gefällt und des Königs Leben gerettet! Fürwahr! Das stünde schlecht zu altem Brauch, sollt’ er allein die Gefahr aushalten und fallen im Streit! Schwert, Helm, Brünne und Schild sollen uns beiden gemeinsam sein."
Da rannte er allein – die Flüchtigen kehrten nicht um – durch den Rauch an die Seite seines Herrn und deckte ihn mit seinem Schild: "Beowulf, lieber Herr, halte stand! Wie du schon in der Jugend gelobt hast, solange du lebst, nicht vom Ruhme zu lassen. Nun verteidige dein Leben! Ich helfe dir."
Da kam der Wurm zum andern Mal in Feuerwellen gefahren; aufbrannte lichterloh Wiglafs Holzschild, auch seine Brünne schützte ihn nicht vor der Glut, und hurtig barg er sich hinter Beowulfs Eisenschild. Der hieb nun mit aller Kraft sein Schwert auf des Drachen Haupt; Nägling zerbarst und versagte ihm in der Not. Beowulfs Hand war zu stark; sie hatte das Eisen im Streich übernommen. Und zum dritten Mal griff der Wurm an; Flammen speiend fuhr er gegen den greisen Helden und wand sich ihm beissend um den Hals, dass das Blut Beowulf überspritzte und in Strömen niederrann. Nun erwies sich Wiglafs Treue und Kühne; er wich nicht, ob auch seine Hand verbrannte, er traf mit seinem Schwert den Drachen in die Weiche, dass er ein wenig vom Beissen und Feuerblasen nachliess; und Beowulf, die entschwundene Besinnung wiedergewinnend, zog erbittert sein kurzes Gürtelschwert (Scramasax) und durchschnitt den Wurm in der Mitte; vereint hatten sie ihm Kraft und Leben gebrochen.
Das war Beowulfs letzter Siegkampf; seine Wunde begann alsbald zu schwellen und zu schwären, er fühlte den giftigen Drachengeifer im Blute brennen. Da ging er, setzte sich an die Bergwand und betrachtete die Riesenhöhle, wie sie Steinbogen im Innern gestützt hielten. Wiglaf schöpfte Wasser, labte den geliebten Gebieter damit und löste ihm den Helm.
Beowulf begann – er wusste genau, dass seiner Tage Zahl abgeronnen, dass es für ihn vorbei war mit der Erde Lust, und der Tod ihm nahte –: "Nun sollt’ ich meinem Sohn diese Waffen schenken, wäre mir einer vergönnt. Fünfzig Winter hab’ ich dieses Land beherrscht; kein Volkskönig unter allen Umwohnenden wagte, mir mit einem Heer zu nahen und mich mit Kriegsschrecken zu bedrängen. In meinem Erbland erwartete ich der Zeit Geschick, hielt das Meine, suchte nicht Streit, schwur nicht Meineide; und der Waltende kann mir nicht meiner Blutsfreunde Mord vorwerfen, wenn sich nun Leben und Leib scheiden. Lauf hurtig unter den hohlen Stein, und suche den Hort, lieber Wiglaf, da der Wurm ja erschlagen liegt. Aber eile sich, dass ich die Schätze noch schaue und leichter dann das Leben lasse und Land und Leute."
Schnell, aufs Wort, gehorchte Wiglaf; da fand er im Berge die Höhle voller Kleinodien; gleissend lag das Gold am Grunde, er sah an der Wand manch Wunder, sah des Wurmes Bett, und uralte Krüge standen da, bestaubt, schon mancher Zier beraubt. Da lagen Helme, alt und rostig, zusammengeschnürte Armringe, und über dem Hort hing ein gülden Banner, mit Siegrunen durchwirkt; von ihm ging ein Lichtstrahl aus, dass Wiglaf den ganzen Erdbau übersehen konnte. Vom Wurm war keine Spur mehr. Da nahm er von dem Riesenhort Becher und Schalen, das Banner und ein erzgeschuhtes Schwert und trug alles eilends zurück zu Beowulf; er fand ihn traurig, dem Tode nah; er wusch ihm aufs neue die Wunde und labte ihn mit Wasser, bis er wieder sprechen konnte. Sorgenvoll schaute der greise Hel auf die Schätze: "Dank sei dem Waltenden für diesen Hort und dass es mir noch vergönnt war, meinem Volke den Schatz zu erwerben. Ich habe mit meinem Leben das Gold bezahlt; mindert ihr nun damit der Leute Not. Ich darf nicht länger hier weilen; einen Hügel wölbt mir auf Hronesnäss, nah der See, dass die Seefahrer, wann sie die Drachen über die Flut steuern, ihn schauend, ‘Beowulfs Burg ihn grüssen."
Er nahm den Halsring – Wealchtheows Gabe – vom Nacken und gab ihn dem jungen Wiglaf, dazu seinen goldgeschmückten Helm und seine Brünne: "Gebrauche sie wohl! Du bist der Endspross unsres Geschlechtes; – Wurd entführte mir alle Freunde zu der Seligen Saal; – ich folge ihnen."
Das war sein letztes Wort, tot lehnte er an der Bergwand.
Jammer befing den jungen Wiglaf, als er den geliebten König sterben sah. Es währte nicht lange, da kehrten die zehn verzagten, treubrüchigen Gesellen, die ihrem Herrn in der Not nicht hatten beistehen wollen, aus dem Walde zurück. Beschämt näherten sie sich dem toten Fürsten und schauten auf Wiglaf, der an des Toten Schultern sass und ihn immer wieder mit Wasser benetzte, vergebens bemüht, das entflohene Leben zu wecken. Verächtlich sah er die Feigherzigen an und sprach: "Fürwahr, dieser milde König, der euch so viel Gaben reichte, euch die Waffen schenkte, in denen ihr hier vor ihm steht – nutzlos hat er all sein Gut an euch vergeudet! – Ich allein konnte ihm nur wenig das Leben schirmen in diesem Kampf; getreulich half ich, aber zu wenig Helfer umstanden den König, als er die Todeswunde empfing. Nun solle es euch an Gold und Waffen gebrechen; – euch und all euren Gesippen! Friedlos, Landrechtes verlustig sollt ihr wandern, erfahren erst rings im Reiche die Leute von eurer Flucht. Der Tod wäre euch besser als solche Schmach." Darauf sandte er die Trauerkunde in die Huben, wo die Männer zusammengeschart sassen, des Tages Ende und Beowulfs Rückkehr erwartend.
"Tot liegt der Geaten Fürst," rief der Bote, unter sie tretend, "vom Biss des Wurmes; ihm zur Seite, hingestreckt von des Königs Messer, der Feuerdrache. Wiglaf sitzt über Beowulf und hält die Totenwache über Freund und Feind. Schwere Zeiten erwarten uns nun; der Franken und Friesen Milde haben wir nicht zu gewärtigen! Und der Schweden Treue bricht, – sorg’ ich, – sobald sie erfahren, dass Beowulf das Leben liess. Auf, eilen wir, den König auf den Scheiterhaufen zu tragen. Keines Mannes Gut braucht mit zu schmelzen; unermessliches Gold birgt der Hort; das haben wir erkauft – mit des guten Königs Leben! Dies Gold soll der Totenbrand verzehren; kein Mann trage die Ringe, kein Mädchen schmücke den Hals damit."
Alles Heervolk erhob sich und eilte weinend an den Berg; da sahen sie ihren König tot auf dem Sand liegen – ihm gegenüber den leidigen Wurm, von der eignen Glut verschwelt; fünfzig Fuss mass er an Länge und neben ihm standen und lagen, rost-zerfressen, Krüge, Schalen, Becher, Schwerte des tausendjährigen Hortes.
Da sprach Wiglaf: "Schauet den Schatz! Eine mächtige Beute trug ich heraus, sie dem König zu zeigen, solange er noch lebte; euch zu grüssen befahl er noch. Auf, ich führe euch hin, wo eure Augen sich übersatt an blankem Golde sehen. Einige von euch bereiten indessen rasch die Bahre."
Und er befahl allen Burgherren, durch ihre Knechte Brandscheite nach Hronesnäss zu führen; "Feuer soll den kühnen Helden verzehren, der oft einen Schauer von Pfeilen aushielt, wann die gefiederten Schäfte sausend vom Strange schnellten."
Sieben der stärksten Recken wählte Wiglaf aus und schritt mit ihnen in den Stein; der zuvörderst ging, trug einen Feuerbrand. Alles, was sie von Schätzen, Gold und Kleinodien fanden, trugen sie heraus. Den Wurm wälzten sie von der Klippe hinab in die See, die ihn verschlang. Der greise Tote ward fortgetragen, der Hort aber auf Wagen geladen und mitgeführt nach Hronesnäss.
Dort errichteten sie einen Scheiterhaufen, umhangen mit Helmen, Heerschilden und Brünnen, und legten in die Mitte Beowulfs Leiche.
Dann entzündeten sie ein Brandfeuer; schwarz stieg der Rauch von den Scheiten auf; – sausend schoss die Lohe empor, untermischt mit den Wehrufen des Volkes, dass voll Gram seines Königs Tod beklagte.
Als das Feuer den Toten verzehrt hatte, wölbten sie einen Hügel auf dem Berge, hoch und weithin sichtbar den Seefahrern. Zehn Tage bauten sie an dem Mal; eine Wallmauer umgab des Königs Asche; Gold, Ringe, edle Steine, alles, was sie aus des Wurmes Bett fortgetragen, bargen sie in dem Hügel und schlossen ihn.
Dann umritten zwölf Recken den Hügel, sangen die Totenklage und priesen in Liedern Beowulfs Mut und ruhmvolle Taten.
Das ganze Volk beklagte ihn als den würdigsten König, den tapfersten Schirmer, den mildesten Mann, den leutseligsten Herrn.