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Sigurd zog bald wieder aus in die Welt, Ruhm zu gewinnen. Er ritt Grani und führte Fafnirs Schätze mit sich. Sein Schild flammte in rotem Gold, darauf war ein Drache gemalt; dunkelbraun oben und rot unten. Er trug eine Goldbrünne; mit Gold geschmückt waren alle seine Waffen; Helm, Rock und Sattelwerk; darauf glänzte das Drachenbild und jeder erkannte daran den Fafnirstöter. Sigurds Haar war lichtbraun und fiel nieder in grossen Locken, dick und kurz; und von derselben Farbe war sein Flaumbart. Er hatte ein offenes Antlitz, die Nase edel geformt, seine Augen waren scharf; nur wenige wagten unter seine Brauen zu blicken. Prächtig waren seine Schultern, von ebenmässigem Wuchs sein Leib. Umgürtete er sich mit dem Schwerte Gram und schritt durch ein wohlgewachsenes Roggenfeld, so reichte der Schuh der Schwertschneide hernieder an die Ährenspitzen. Er war von gewaltiger Stärke, nie mangelte ihm der Mut, Furcht kannte er nicht und seine Lust war; Ruhmtaten vollbringen, seinen Mannen helfen und erbeutetes Gut seinen Freunden schenken.
GiukiEntstanden aus Gifuka, Gibika (daher sein Geschlecht die Gibichen), ursprünglich ein Beiname Wotans, der ihn als Geber aller Güter bezeichnet. hiess ein König, der gebot südlich am Rhein über ein grosses Reich. Er hatte drei Söhne: Gunnar, Högni und Guttorm; die waren stets bedacht, der Giukungen Ruhm und Reich zu mehren. Gudrun hiess seine Tochter, deren Schönheit war weithin berühmt.
Grimhild, des Königs Frau, war zauberkundig und grimmgemut.
Einst träumte Gudrun, dass der schönste Habicht ihr auf die Hand flog; sein Gefieder war goldig, und all ihr Gut wollte sie lieber lassen als den Habicht. Eine ihrer Dienstfrauen deutete ihr den Traum: "Ein mannhafter Königssohn wird um dich werben und du wirst ihn sehr lieben."
Bald darauf kam Sigurd an die Burg der Giukungen, und wie er hineinritt, glaubten die Wächter, der Asen einer sei gekommen. Der König ging hinaus und grüsste den Gast: "Wer bist du, der in die Burg reitet, was keiner wagt, es sei denn, meine Söhne erlaubten’s zuvor?"
"Sigurd heiss’ ich, ich bin König Sigmunds Sohn."
"Willkommen sollst du bei uns sein!" sprach Giuki und führte den Gast in die Halle. Alle dienten ihm gern; sein Ansehen wuchs von Tag zu Tag; in Kampf und Spiel war er den Gewaltigsten voraus. Der König liebte ihn wie seine Söhne, diese ehrten ihn höher als sich selbst. Und Grimhild gewahrte bald, wie oft Sigurd Brunhilds gedachte, und wie sehr er sie liebte. Und auch wie keiner sich mit ihm vergleichen konnte, welch übergrosse Schätze er hatte, und sie erwog bei sich, dass es ein Glück wäre, nähme er Gudrun zur Frau.
Eines Abends, als sie beim Trunke sassen, trat Grimhild vor Sigurd und grüsste ihn: "Alles Gute wollen wir dir gewähren; nimm hier dies Horn und trinke." Er nahm es aus ihrer Hand und trank aus. Das war aber ein Vergessenheitstrank, den ihm die Königin gemischt hatte. – Sie sprach wieder: "Giuki soll dein Vater sein, ich deine Mutter, unsre Söhne deine Brüder und alle, die ihr euch Eide leisten wollt." Sigurd nahm das wohl auf; denn seit dem Trunke dachte er nicht mehr an Brunhild. Er fuhr nun stets mit den Giukungen, wann sie auf Krieg und Heerfahrt zogen, und verweilte gern in ihrer Halle. – Grimhild aber ging zu König Giuki, legte ihm die Hände um den Hals und sprach: "Sigurd ist der grösste Kämpe, den man in der Welt finden mag; gib ihm deine Tochter zum Weib und ein Reich, so gross er’s will."
"Das ist sonst nicht Königssitte, seine Töchter anbieten, aber ihm sie anbieten, ist ehrenvoller als andrer Werbung."
Und eines Abends schenkte Gudrun Met in der Halle und Sigurd sah, wie schön die Jungfrau war.
König Giuki sprach: "Gewaltig hast du, Sigurd, unser Reich gemehrt in diesen Jahren." Und Gunnar sagte: "Bleibe bei uns, ein Reich und die Schwester biet’ ich dir an, und keinem andern gäben wir Gudrun, bät’ er auch um sie."
"Habt Dank für die Ehre," antwortete Sigurd, "und das will ich annehmen."
Er schloss Blutsbrüderschaft mit Gunnar und Högni, und ein herrliches Hochzeitsmahl wurde bereitet. Das währte manchen Tag; da sah man Freude und Kurzweil aller Art und Sigurd ward Gudrun vermählt. Er kehrte nicht zurück in sein Hunenland, sondern zog mit seinen Schwähern weit umher auf Kriegsfahrt, ihnen Land, Schätze und Ruhm mehrend. Er gab Gudrun von Fafnirs Herzen zu essen, seitdem war sie grimm und klug; sie bekamen einen Sohn, der hiess Sigmund.
Als nun Giuki gestorben und Gunnar ihm auf den Königsstuhl gefolgt war, da sprach einmal Grimhild zu Gunnar: "Eure Herrschaft blüht, aber dir fehlt die Gattin; wirb um Brunhild und Sigurd soll mit dir reiten." Der Rat gefiel Gunnar, alle Gesippen stimmten ein und sorgfältig rüsteten sie zu dieser Fahrt. Högni und Sigurd begleiteten ihn. Sie zogen über Berg und Tal und ritten in König Atlis Burg ein. Der war Brunhilds Bruder, ein grimmig anzuschauender Mann, gross und schwarz von Haaren. Er nahm Gunnars Werbung an, wenn Brunhild ihn zum Gatten wolle: "Denn sie ist so stolz, dass sie nur den nimmt, den sie will." Die Helden drohten aber mit Feuer und Schwert, wenn Gunnar die Jungfrau nicht erhielte. "Sie hat das Gelübde getan, nur den zum Manne zu nehmen, der durch das Feuer reitet, das ihre Burg umwabert," antwortete Atli; "reitet hin, bei den Hindabergen steht ihr Saal." Da wandten sie ihre Rosse wieder zum Burgtor hinaus und ritten den Bergen zu.
Sie sahen den Saal in Goldschmuck erglänzen und das Feuer, das aussen herum brannte. Gunnar spornte seinen Hengst Goti gegen die Flammen; aber der wich zurück und wollte nicht hindurchrennen. Er bat Sigurd, ihm Grani zu leihen; aber der wollte nicht von der Stelle unter Gunnar und so konnte der König nicht durch das Feuer. Da vertauschte Sigurd die Gestalt mit Gunnar, was er mittels seines Schreckenshelms vermochte, und ritt auf seinem Grauhengst für den König durch die Lohe.
"Das Feuer begann zu rasen, die Erde zu erbeben und die Lohe wallte gen Himmel; Sigurd trieb Grani mit dem Schwerte Gram und das Feuer erlosch vor dem Edeling."
Sigurd ging – in vertauschter Gestalt – in den Saal zu Brunhild; die fragte ihn, wer er sei? Er nannte sich Gunnar, Giukis Sohn: "Und du bist mir zur Gemahlin bestimmt mit deiner Zusage und deines Bruders Wort, wenn ich durch deine Waberlohe ritt." Er stützte sich auf seinen Schwertknauf und fuhr fort: "Ich will dir dagegen grosse Morgengabe an Gold und Kleinodien geben."
Sorgenbewegt, von ihrem Sitz herab, wie ein Schwan von der Woge, antwortete sie und hatte das Schwert in der Hand, den Helm auf dem Haupt und war in der Brünne: "Gunnar, rede nicht solches zu mir, wenn du nicht tapferer bist als jeder Mann. Denn ich fuhr in der Brünne, meine Waffen sind in Männerblut gefärbt, danach gelüstet mich noch."
"Gedenke deiner Verheissung, dem zu folgen, der das Feuer durchritte!" entgegnete Sigurd.
Brunhild durchschaute den Trug nicht; konnte doch nur Sigurd, dem sie sich verlobt hatte, durch das Feuer reiten! – Sie wusste ihr Schicksal nicht zu wenden, stand auf und hiess ihn willkommen. Sigurd weilte bei ihr drei Tage und Nächte, das Schwert Gram, aus der Scheide gezogen, legte er zwischen sie beide und sagte, es sei ihm beschieden, so die Verlobung mit seiner Frau zu feiern, oder er erleide den Tod. Beim Abschied zog er ihr den Ring Andwaranaut, den er ihr einst geschenkt hatte, vom Finger und gab ihr dagegen einen andern. Dann ritt er zurück zu dem harrenden Gunnar, und sie vertauschten wieder die Gestalt. Brunhild aber musste nun Gunnar folgen.
An den Rhein zurückgekehrt, rüstete Gunnar ein prächtiges Hochzeitsmahl; eine grosse Volksmenge strömte da zusammen und Gunnar empfing aus Atlis Händen Brunhild zum Weib. Das Fest dauerte manchen Tag und als es zu Ende ging, verlor allmählich der Zaubertrank seine Kraft; es erwachten Sigurds Gedanken; er erkannte Brunhild und gedachte der Eide, die er einst ihr geschworen hatte; aber er bezwang sich und schwieg. –
Einmal gingen Brunhild und Gudrun an den Rhein, um zu baden; aber Brunhild watete weiter hinaus in den Strom, weil sie das Wasser, das von Gudruns Haar floss, nicht an ihrem Haupte leiden wollte.
Unwillig, erstaunt fragte diese: "Warum tust du so?"
"Warum sollt’ ich mich dir gleichstellen?" erwiderte Brunhild stolz. "Mein Gatte durchritt das brennende Feuer, aber deiner war Heergefangener König Helferichs."
Zornig antwortete Gudrun: "Weiser wär’s, wenn du schwiegest! Lästre nicht Sigurd, wenig geziemt dir’s; er erschlug den Wurm, und er war’s, der durch die Waberlohe ritt, und du hieltest ihn für Gunnar. Sigurd nahm dir von der Hand den Ring Andwaranaut, hier: schau ihn an meinem Finger."
Da sah Brunhild den Ring und erkannte ihn; und ward bleich wie der Tod, ging heim und sprach kein Wort an dem Tag.
Und als abends Gudrun und Sigurd in ihrer Kammer sassen, fragte sie: "Warum ist Brunhild so unfroh?"
"Ich weiss es nicht, doch mir ahnt nichts Gutes."
"Weshalb ist sie nicht zufrieden mit ihrem Glück, da sie doch den Mann gewann, den sie am liebsten haben wollte?"
"Sagte sie, wen sie am liebsten wolle?"
"Ich will sie morgen danach fragen."
"Frage nicht; es würde dich reuen!"
Aber am nächsten Morgen, als Brunhild und Gudrun beisammen in ihrer Kammer waren und Brunhild schweigend sass, sprach Gudrun: "Sei heiter, Brunhild! Hat dich meine Rede betrübt? Vergiss sie. Was kränkt dir den Sinn?"
"Eitel Bosheit treibt dich, zu fragen," antwortete Brunhild, "du hast ein grimmes Herz. Frage nach Dingen, die dir zu wissen ziemen. Sei zufrieden mit deinem Geschick, da euch ja alles nach Wunsch ergeht."
"Noch ist’s zu früh, mein Glück zu loben! Was liegt hier Geheimes? Was hast du wider mich?"
"Das sollst du entgelten, dass du Sigurd gewannst. Mein ist Sigurd, und du sollst weder seiner noch des Fafnirgoldes geniessen. Wir haben uns Eide geschworen, und ihr wusstet, dass ihr mich betroget; – das will ich rächen."
"Wahrlich, ich wusste nichts von eurem Bunde. Nun bist du ja doch edelstem Manne vermählt und hast des Goldes und der Macht genug."
"Sigurd erschlug den Wurm; das ist mehr als aller Giukungen Reich! Sigurd ritt durch das Feuer, was Gunnar nicht wagte!"
"Wohl hat er’s gewagt! Aber das Ross wollte nicht rennen unter ihm."
"Und ich traue Grimhild nicht mit ihren Zauberkünsten."
"Beschuldige sie nicht, sie hält dich wie ihre Tochter."
"Sie brachte ihm einen Trank, mein’ ich, das er meiner vergass."
"Was redest du für wilde Worte? – Das ist eine böse Lüge!"
"So wahr geniesset denn Sigurds, so wahr ihr mich nicht betrogen habt!"
"Glücklicher werd’ ich mit ihm sein, als du es wünschest."
"Böse redest du; – des sollst du gedenken. Doch lassen wir die Zornworte."
"Du schleudertest zuerst Scheltreden auf mich; – nun stellst du dich zufrieden; – aber Grimm wohnt darunter."
"Ich schwieg von meinem Harm, der mir im Herzen wohnte; lassen wir die taktlose Rede!"
"Unheimliche! Du sinnst Arges!" sprach Gudrun und eilte fort.
Brunhild legte sich schweigend auf das Lager.
Da liefen die Mägde und sagten Gunnar, dass ihre Herrin krank liege. Er ging zu ihr und fragte, was ihr fehle? Aber sie antwortete nicht und lag wie tot da; und als er nicht abliess von ihr mit Fragen, sprach sie: "Was tatest du mit dem Ring Andwaranaut, den du mir vom Finger zogst? Ich habe mich dem Manne verheissen, der Grani reiten und durch meine Waberlohe sprengen würde! Aber dessen erkühnte sich keiner ausser Sigurd allein. Er erschlug den Wurm, er ritt durch das Feuer; aber nicht du, Gunnar, der du jetzt erbleichst wie eine Leiche. Gelobt hab’ ich, den allein zu lieben, der von Odins Geschlecht sei; das ist Sigurd. Eidbrüchig bin ich nun, und ihr habt mich betrogen, und deshalb sinn’ ich deinen Tod. Auch hab’ ich Grimhild zu vergelten; kein schlimmeres Weib gibt’s als sie."
"Du sprichst viel, was falsch ist. Schlimm bist du, weil die Frau du beschuldigst, die dich überragt. Sie mordete nicht Männer wie du, und lebt in Ehren."
"Kein Tadel haftet an mir. Nicht Untaten hab’ ich, während ich unter Helm und Brünne fuhr, getan. Anders bin ich als ihr geartet, und am liebsten möcht’ ich dich erschlagen."
Und sie hätte Gunnar getötet, wenn nicht Högni, der hinzukam, sie gebunden hätte. Aber Gunnar sprach: "Ich will nicht, dass sie in Fesseln liege," und löste sie.
"Kümmere dich nicht darum!" rief Brunhild; "nie mehr siehst du mich fröhlich in deiner Halle."
Sie richtete sich auf, zerriss die Borten, die sie zu weben begonnen hatte, und befahl, ihre Kammertüren zu öffnen, dass man ihre Wehklage weithin durch die Burg erschallen hörte. Dann lag sie wieder schweigend auf ihrem Pfühl und jammernd liefen ihre Mägde zusammen.
"Was ist euch? Warum gebärdet ihr euch wie Unsinnige," fragte Gudrun eine der Frauen: "Gehe hin, wecke deine Herrin, wir wollen zu Tische gehen und fröhlich sein."
"Das wag’ ich nicht," antwortete die Frau. "Wie tot liegt sie und nimmt weder Speise noch Trank; hüte dich, zornmütig wie Götter grollt sie."
"Geh du zu ihr, Gunnar," sprach Gudrun, "und sage ihr, dass mir ihr Kummer leid tue."
"Sie hat’s verboten," entgegnete er, und ging dennoch zu ihr, aber sie gab ihm keine Antwort. Da bat er Högni: "Geh und rede mit ihr." Unwillig ging Högni und erlangte auch nichts.
Und als andern Tages Sigurd von einer Jagd heim kam und alles erfuhr, da sprach er zu Gudrun: "Brunhild wird sterben."
"Ein Zauber muss sie erhalten; sieben Tage hat sie nun geschlafen, und niemand wagte, sie zu wecken."
"Sie schläft nicht. Sie sinnt etwas gegen mich."
"Wehe!" rief Gudrun, "geh zu ihr und besänftige ihren Zorn."
Da ging Sigurd zu Brunhilds Saal; er fand ihn offen, trat an ihr Lager und schlug den Vorhang zurück: "Wach auf, Brunhild, die Sonne scheint über die Burg; wirf den Harm von dir und sei fröhlich."
Da rief sie zornig: "Warum erdreistest du dich, zu mir zu kommen?"
"Sprich, was härmt dich?"
"Dir will ich meinen Harm sagen. Nicht Gunnar ritt zu mir durch das Feuer. Ich wunderte mich über den Mann, der in meinen Saal trat und sich Gunnar nannte. Dein leuchtend Auge glaubt’ ich zu erkennen. Und vermocht’ es doch nicht! Denn eine Hülle lag stets über meinem Glück! Damals hast du mich betrogen."
"Auch Gunnar ist ein wackerer Held. Ich bin nicht berühmter als Giukis Söhne."
"Du erschlugst den Wurm; – du rittest durch das Feuer meinetwegen."
"Aber Gunnar brachte dir die Morgengabe."
"Mein Herz lacht ihm nicht zu! Verhasst ist mir Gunnar, verberg’ ich’s auch vor andern."
"Das also quält dich? Oder um was klagst du am meisten?"
"Deinen Tod begehr’ ich!"
"Darum klage nicht! Bald wird ein Schwert in meinem Herzen stehn. Doch Schlimmeres kannst du dir nicht ersehnen; du wirst mich nicht überleben."
"Ich achte meines Lebens nicht, seit ihr mich um alle Wonne betrogen habt."
"Lebe du und sei glücklich, und all mein Gut will ich dafür geben, dass du nicht stirbst."
"Du ragst über alle Männer; aber kein Weib ist dir verhasster als ich."
"Ich liebe dich mehr als mich, obgleich ich lang deiner vergessend lebte; ein Zauber hielt mich verblendet. Seit ich dich wiedererkannte, grämt’ ich mich oft, dass du nicht mein Weib wardst. Aber ich überwand mich. Und hatte doch schon meine Wonne daran, in deiner Nähe zu sein. – Vielleicht geht nun Fafnirs Weissagung, der alte Fluch, in Erfüllung! Doch wir wollen darum nicht bangen."
"Zu spät klagst du! Nun finden wir keine Hilfe mehr."
"Werde du mein Weib."
"Rede nicht solches! Zwei Männer will ich nicht haben und eher sterben, als Gunnar betrügen. – Gedenkt dir’s noch, als du mich erwecktest aus meinem Schlaf und wir uns Eide schwuren? Eine Walstatt Erschlagener brachtest du mir als Brautgabe, doch das ist nun alles hin!" –
"Deines Namens erinnerte ich mich nicht mehr und erkannte dich nicht früher, als bis du vermählt warst; und das ist mein grösster Harm."
"Ich aber habe geschworen, nur den Mann zu nehmen, der meine Waberlohe durchritte; den Eid will ich halten oder sterben."
"Ehe dass du stirbst, verlass’ ich Gudrun und nehme dich," sprach Sigurd und seufzte so tief auf, dass seine Brünnenringe zersprangen.
Aber dumpf antwortete Brunhild: "Ich will weder dich noch einen andern."
Da ging Sigurd hinaus und trauerte. Und als er in die Halle kam, fragte ihn Gunnar, ob Brunhild die Sprache wiedergefunden?
"Sie vermag zu reden!" antwortete er, und abermals ging Gunnar zu ihr, befragte sie um ihren Gram und welche Busse sie heische?
"Ich will nicht leben," sagte Brunhild. "Betrogen hat Sigurd, da er in deiner Gestalt um mich warb, mich und dich."
Da entstand in Gunnar schwerer Argwohn, Sigurd habe sich in jenen drei Tagen Brunhild vermählt.
"Sigurd hab’ ich mich verlobt – und ich will nicht zwei Männer haben. Nun sterbe Sigurd, oder du, oder ich; denn er hat alles Gudrun gesagt und sie höhnt mich."
Einsam vor der Burg sass Brunhild am Abend des Tages und redete mit sich selbst: "Sigurd will ich haben oder sterben; aber Gudrun ist sein Weib und ich bin Gunnars. Die Nornen schufen uns unlösbares Leid. Bar geh’ ich der Freude, bar des Gemahls! Grimm und Hass sind meine Ergötzung."
Und sie wandelte einsam in die dunkle Nacht; – Land und Macht waren ihr leidig, da sie Sigurd nicht hatte. Gegen Morgen kehrte sie zurück in ihre Kammer und abermals ging Gunnar zu ihr. Aber befehlend sprach sie: "Entsagen musst du mir! Heimfahren will ich zu meinen Blutsfreunden und einsam mein Leben verschlafen, wenn du nicht Sigurd erschlägst. Und sein Söhnlein folge ihm nach; jungen Wolf soll man nicht aufziehen."
Unwillig hörte Gunnar ihr zu; er ging hinaus, und schwankenden Sinnes sass er den ganzen Tag. Dass ein Weib der Königswürde entsagte, war selten gehört worden.
Er rief Högni und fragte ihn um Rat.
"Was hat Sigurd so Schweres verbrochen, dass du ihm das Leben verkürzen willst?" fragte Högni.
"Sigurd bat mir Treue geschworen; – und als er sie zumeist bewähren sollte, verriet er mich."
"Brunhild hat dich zu dem Mord gereizt."
"Sie ist mir lieber als alles; sie ist die Königin der Frauen, und eher sterbe ich, als dass ich ihr entsage." Die Gier nach dem Golde, der alte Fluch ergriff nun auch Gunnar: "Sigurd sterbe! So gewinnen wir das Gold und grosse Macht; dann mögen wir in Freuden und Ruhe des Glückes und Reichtums geniessen. Willst du mir helfen?"
"Mit dem Schwert die geschworenen Brüdereide brechen? Das bringt uns in Schaden und Schande! Mächtigere weiss ich nicht auf der Welt wohnen, solang wir und Sigurd zusammenstehn!"
"Wir wollen den jungen Guttorm zu dem Werke gewinnen; er hat Sigurd keine Eide geschworen."
"Das Werk ist Mord! Und geschieht es doch, – so werden wir’s entgelten."
"Sigurd muss sterben oder ich," antwortete Gunnar grimmig. Er ging zu Brunhild und bat sie, aufzustehen: "Sei fröhlich –; Sigurd wird sterben."
Sie riefen Guttorm, boten ihm Gold und Land, gaben ihm Wolfsfleisch zu essen und Zaubertrank zu trinken, und reizten ihn mit bösen Worten, bis er zu der Tat bereit war.
Am nächsten Morgen ging Guttorm in Sigurds Kammer, als der im Bette lag; und als Sigurd ihn anblickte, erbebte Guttorm und ging wieder hinaus. Und ebenso geschah’s ein zweites Mal.
Als er zum dritten Male kam, fand er Sigurd schlafend. Da stiess er ihm das Schwert durch die Brust, dass die Spitze unter seinem Rücken in den Polstern stecken blieb.
Sigurd erwachte, als Guttorm zur Tür hinaus schritt; da fasste er sein Schwert Gram und warf es Guttorm in den Rücken, und schnitt ihn in der Mitte voneinander. Der Füsse Teil fiel auf die eine Seite, Kopf und Hände auf die andre.
Gudrun war sorglos neben ihrem Gatten eingeschlafen; jammervoll sollte sie erwachen. Sie sah Sigurds Blut über sich fliessen und schlug so stark die Hände zusammen, dass Sigurd sich noch einmal im Bett aufrichtete: "Weine nicht so sehr, Gudrun. Dir leben noch Brüder; aber unser Söhnlein ist allzu jung, es kann nicht aus der Burg entfliehen. Das stiftete Brunhild an; sie liebte mich. Nichts hab’ ich gegen Gunnar getan und heisse nun doch der Buhle seines Weibes!"
Da starb er; Gudrun stiess einen Seufzer aus und schlug wiederum ihre Hände so heftig zusammen, dass die Becher auf dem Brett erklangen und die Gänse im Hof aufschrien.
Gudruns gellende Wehklage drang bis zu Brunhilds Lager; da lachte sie aus ergrimmtem Herzen.
"Lache du nicht, Verderbenstifterin, als brächte dir’s Heil!" zürnte Gunnar, der nun ob der Tat erschrak und den der Schwester Jammer rührte. "Wie schwindet dir die leuchtende Farbe! Dem Tod, mein’ ich, bist du geweiht. Sigurd war mein Blutsbruder. Du verdientest, dass wir dir vor Augen deinen Bruder erschlügen."
"Wenig drückt Atli deine Drohung; er wird länger leben als du. Doch niemand nennt dich nun feige, Gunnar; Rache vollbrachtest du und gewannst Sigurds Waffen und Gold."
Lärmend und klagend liefen die Burgleute zusammen in der Halle.
Da sprach Gudrun zu Brunhild: "Du freust dich der Freveltat, aber böse Geister werden Gunnar, den Mörder, ergreifen; eines rachgierigen Herzens Fluch wird sich erfüllen."
Und finster sprach Högni: "Das böse Werk ist geschehen, wofür es Sühne nicht gibt."
Und als der Abend kam, wurde in der Halle viel getrunken und manches Wort dabei gesprochen, um des Tages blutigen Frevel zu vergessen; sie tranken bis tief in die Nacht, die alle in Schlaf versenkte. – Nur Gunnar wachte und wandelte unruhig umher.
Brunhild aber fuhr auf, kurz vor Tagesanbruch, aus schweren Träumen.
Der Morgen kam, und Gudrun sass über dem toten Sigurd; stumm, ohne Schluchzen und Klagen; sie begehrte zu sterben. Männer und Frauen gingen zu ihr, sie zu trösten; eignes Leid, das sie im Leben gelitten, erzählten sie ihr. Doch Gudrun konnte nicht weinen; so voller Gram und Grimm war sie.
Da trat ihre junge Schwäherin, Gullrönd, Gunnars Schwester, hinzu, wies die andern zurück und rief: "Schlecht versteht ihr, gramvolles Weib zu trösten." Sie riss das Bahrtuch von dem Toten weg und legte Sigurds Haupt in Gudruns Schoss: "Schau den Geliebten und lege deine Lippe an den bärtigen Mund, als lebte er noch."
Einmal nur schaute Gudrun auf; sah das blutige Haupt, sah die leuchtenden Augen erloschen, die Brust vom Schwerte durchbohrt; dann sank sie zurück und ein Tränenstrom rann nieder in ihren Schoss.
Laut pries sie Sigurds Herrlichkeit, verwünschte Brunhild und sprach drohend zu Gunnar: "Du wirst dich nicht des Goldes erfreuen, weil du Sigurd die Eide brachest."
Zornig schallte da Brunhilds Stimme: "Mann und Kinder misse die Dirne, welche dir, Gudrun, die Tränen gelöst und dir lindernde Klageworte erweckt hat."
"Schweige, du Weltverhasste," rief Gullrönd der Eintretenden entgegen, "zum Unheil wardst du Edelingen; wie sein böses Schicksal scheut dich jeder, männermordendes Weib."
Brunhild stand an einem Pfeiler, sie schlang den Arm um den Schaft und Feuer brach ihr aus den Augen, als sie Sigurds Wunde sah: "Treibt mich an oder haltet mich ab," rief sie – "der Mord ist vollbracht; mein Leid muss ich sagen, bevor ich sterbe."
Alle schwiegen; niemand gefiel solcher Frauenbrauch, und sie hörten mit Grausen, wie sie weinend von dem Werke zu klagen anhob, zu welchem sie lachend die Helden getrieben hatte.
"Grimmes sah ich im Schlaf, Gunnar. In dem Saal alles tot; – ich schlief im kalten Bett –; dieweil du gefesselt rittest in der Feinde Heer. So soll all euer Geschlecht der Macht verlustig gehn; denn meineidig seid ihr! Vergassest du’s, Gunnar, so ganz, wie euer beider Blut gemeinsam in die Fussspur rann? Mit Bösem hast du ihm vergolten, dass er immer der Mutigste war! Als du um mich warbest, da hat Sigurd dir die Treue bewährt, nicht die Treue gebrochen. Das Schwert Gram lag zwischen uns beiden. Zweimal ist er zu mir durch die Flammen geritten; nur er ist mein Mann; und ein edelgesinntes Weib kann nicht mit fremdem Manne leben; – darum will ich nun sterben."
Gunnar ging, umschlang Brunhilds Nacken und bat sie, von ihren Todesgedanken zu lassen; und so baten sie alle.
Aber unwandelbaren Herzens war Brunhild; sie liebte nur einen und keinen andern; sie stiess Gunnar zurück, liess sich von niemand wehren.
Gunnar aber eilte zu Högni: "Heisse alle Mannen, deine wie meine, hineingehen in den Saal zu Brunhild, ehe es vom Wort zum Werke kommt."
"Niemand halte sie ab von Todesgang, die zum Unheil Geborne und Männern zum Herzleid." So antwortete Högni und wandte sich unwillig hinweg, während Brunhild ihre Mägde zusammenrief und Gold und Schätze unter sie austeilte.
Dann kleidete sie sich in ihre Walkürenbrünne und rief: "Gehet herzu alle, die ihr mit mir und Sigurd sterben wollt, ich gebe jeder einen Halsschmuck, Schleier und Gewand."
Zögernd schwiegen sie; endlich sprach eine für alle: "Genug der Leichen sind’s! Wir wollen noch leben und unsres Dienstes froh sein."
"Niemand soll unfreudig um meinetwillen sterben," sprach sie, und durchbohrte sich die Brust. "Sitze nieder zu mir, Gunnar! Schneller, als du denkst, wirst du mit Gudrun versöhnt werden. Nun will ich dich noch eine Bitte bitten, meine letzte; lass einen Scheiterhaufen auf dem Feld errichten, so gross, dass wir alle, die wir mit Sigurd starben, darauf Raum finden. Umzelte die Brandburg mit Schilden und spreite darüber in Männerblut getränkten Teppich. Mir zur Seite brenne Sigurd; und das Schwert Gram liege zwischen uns. Und Sigurd zur Seite lass brennen meine goldgeschmückten Knechte und fünf der Mägde, dazu zwei Hunde und zwei der Habichte. Manches sagt’ ich; mehr noch wüsst’ ich zu sagen, wäre Raum zur Rede; die Stimme versagt, die Wunde schwillt; Wahres allein sagt’ ich; – so gewiss ich nun sterbe."
Da schichteten sie mit vieler Sorgfalt nach altem Brauch einen Scheiterhaufen, und als er in Brand stand, wurde Sigurd darauf gelegt und verbrannt, an seiner einen Seite Brunhild, an der andern sein erschlagenes Söhnlein, und mit ihnen ihr Leichengefolge.