Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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14. Der Einsiedler.

Wer der Welt Ade sagt, und in die Wüste zieht, wird darum nicht schon ein Heiliger; denn so lange die Neigung zum Bösen im Innern ist, so findet sie auch leicht einen Reiz von Außen und die Sünde ist vollbracht. Das erfuhr Jener, von dem eine alte Geschichte Meldung thut. Dieser Mann war von einer sehr zornigen Natur; statt aber den Grund davon in sich zu suchen, schob er die Schuld auf die Menschen, die ihn zum Zorn reizten, und er dachte: Ist's also, so schadet mir die Welt, und es ist besser, daß ich sie verlasse, als daß ich meine Seele verliere. Er begab sich daher in die Wüste, und baute sich eine Hütte mitten im Walde, nahe bei einer Quelle, und das Brod, das er genoß, ließ er sich täglich durch einen Knaben bringen, der es fern von der Hütte auf einen Felsen hinlegen mußte. Und so ging es einige Tage ganz gut, und er schien sich selbst der friedfertigste und sanftmüthigste Mensch geworden zu sein. Eines Tags ging er, wie gewöhnlich, mit dem Krug zur Quelle, und er stellte ihn hin, damit das Wasser hineinlaufe. Da aber der Boden steinig und uneben war, so fiel der Krug um. Er stellte ihn wieder hin, und behutsamer; aber das Wasser, das ungleich hervorsprudelte, schlug ihn wieder um. Da ergriff er zornig das Gefäß, und stieß es gewaltsam gegen den Boden, daß es in Scherben zersprang. Nun merkte er, daß der alte Zornmuth wieder ausgebrochen sei, und er dachte: Ist's also, so frommt mir die Einöde nicht, und es ist besser, daß ich sogleich in der Welt meine Seele zu retten suche, dadurch, daß ich das Böse meide, und das Gute übe. Und er kehrte wieder in die Welt zurück. – Merk: Es gibt böse Neigungen, die man durch Flucht der Gelegenheit bezwingen kann; und es gibt andere, die man durch Widerstand bezwingen muß. Um aber das eine wie das andere zu vollbringen, braucht man eben nicht die Welt zu verlassen, sondern nur sich selbst.


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