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Noch bevor Joan außer Sicht war, hatte Jim einen Entschluß gefaßt und wandte sich ohne Zögern zu Mrs. Cornfords Haus.
Farringdon mußte Joan die Freiheit wiedergeben. Jim wollte versuchen, den jungen Mann zu veranlassen, seine verrückten Ideen aufzugeben.
Mrs. Cornford öffnete ihm die Tür, und er sah ihr sofort an, daß etwas Ungewöhnliches geschehen war.
»Ich hoffe, daß ich nicht ungelegen komme?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich freue mich über Ihren Besuch«, erwiderte sie und führte ihn in das kleine Wohnzimmer.
Er wußte bald, warum sie so beunruhigt war, denn er hörte schon durch die Tür das Toben des Kranken.
»Alle meine Hoffnungen sind zerstört«, sagte sie. »Ich hoffte, daß ich in Creith bleiben könne, aber das hängt alles von Mr. Farringdon ab.«
»Will er fortgehen?«
»Nein, er will es nicht, aber ich muß ihn darum bitten. Er führt sich heute wie ein Besessener auf. Vor ein paar Minuten kam er nach Hause und war so außer sich, daß ich einen fürchterlichen Schrecken bekam.«
»Kann ich ihn einmal sehen?«
»Heute hätte es keinen Sinn. Vielleicht morgen oder übermorgen. Er hat sich in sein Zimmer eingeschlossen. Ich wollte ihm eben eine Tasse Tee bringen, aber er ließ mich nicht hinein.«
Farringdon tobte immer lauter. Jim sah sich um und erhob sich halb von seinem Stuhl, aber sie legte begütigend die Hand auf seinen Arm.
»Lassen Sie ihn jetzt allein.«
»Würden Sie mir verzeihen, wenn ich eine sehr persönliche, ich möchte fast sagen zudringliche Frage an Sie richte?«
Sie antwortete nicht, aber ihre Augen ermutigten ihn.
»Sie haben einmal ein großes Vermögen verloren?«
»Ja. Mein Mann verschwand vor einigen Jahren spurlos, und als seine Angelegenheiten geregelt wurden, stellte sich heraus, daß ich keinen Penny besaß, obwohl man allgemein vermutete, daß er reich gewesen war. Er war exzentrisch veranlagt. Manchmal war es schwer, seinen Aufenthalt festzustellen. Es ist auch möglich, daß ich damals schlechte Ratgeber hatte, denn ich unterließ es, Nachforschungen nach ihm anstellen zu lassen. Ich verließ mich damals auf Mr. Harnon.«
»Hamon?« wiederholte er schnell. »War es Hamon, der Ihnen den Rat gab, nicht nach Ihrem Mann zu suchen? Sagen Sie mir bitte, wann Ihr Gatte verschwand!«
»Es ist fast elf Jahre her.«
Jim machte eine schnelle Bewegung.
»In welchem Monat war es?«
»Im Mai hörte ich zum letztenmal von ihm. Damals erhielt ich jenen Brief, den Sie mir so liebenswürdig von Mr. Hamon zurückholten.«
»Wollen Sie ihn mir einmal zeigen?^
Sie brachte ihm das Schreiben, und er las es zweimal durch.
»Der Name Ihres Gatten war John Cornford?«
»Warum fragen Sie? Haben Sie ihn gekannt?«
»Nein – ich hatte nur vor vielen Jahren ein ganz merkwürdiges Erlebnis, eine Woche nach dem Verschwinden Ihres Mannes. Aber es mag vielleicht nicht richtig sein, die beiden Ereignisse miteinander in Verbindung zu bringen. Haben Sie vielleicht ein Bild von ihm?«
Sie nickte und brachte ihm eine Fotografie.
Kein Muskel in seinem Gesicht verriet, wie sehr er erschrak.
Er hatte das Bild eines gutaussehenden Mannes von etwa vierzig Jahren vor sich, der mit der Welt zufrieden zu sein schien.
Aber er sah zugleich das Gesicht eines sterbenden Matrosen, den er in der Portsmouth Road gefunden und der ihm vor seinem Tod eine furchtbare Geschichte erzählt hatte.
John Cornford war also der unbekannte Seemann, der in einem namenlosen Grab in Hindhead ruhte. Seit zehn Jahren verfolgte Jim den Mann, der an seinem Tod schuldig war, und immer hatte er vergeblich versucht, Beweise zu bringen, um ihn der Gerechtigkeit auszuliefern.
»Kennen Sie ihn?« fragte sie ängstlich.
»Ich habe ihn gesehen«, sagte er schlicht. Der Ton seiner Stimme ließ sie die Wahrheit ahnen.
»Ist er tot?«
»Ja, er ist tot, Mrs. Cornford.«
Sie sank in ihren Stuhl zurück und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
Jim glaubte, daß sie weinte, aber bald sah sie wieder auf.
»Ich habe es schon immer gefühlt, aber das ist die erste sichere Nachricht, die ich darüber erhalte. Können Sie mir etwas Genaueres erzählen?«
»Ich möchte Sie bitten, sich noch etwas zu gedulden«, erwiderte er zögernd. »Würden Sie mir das Bild überlassen?«
Sie nickte.
»Ich muß noch etwas erwähnen. Bevor Ihr Mann starb, gab er mir tausend Pfund, die ich seiner Frau aushändigen sollte –« Er sah Erstaunen und Zweifel in ihrem Gesicht. »Bedenken Sie bitte, Mrs. Cornford, daß ich seinen Namen nicht kannte.«
»Sie haben seinen Namen nicht gekannt?« fragte sie verwirrt.
»Die Geschichte ist zu lang, um sie Ihnen jetzt erzählen zu können, aber vertrauen Sie mir. Ich werde Ihnen das Geld sofort herüberschicken.«
Er war schon gegangen, bevor sie die Frage stellen konnte, wie John Cornford ihm eine Summe von tausend Pfund für eine Frau übergeben konnte, ohne ihren Namen gekannt zu haben.