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Ihr inhaltschwerer BriefVgl. Nr. 138. sank mir heute recht schwer aufs Herz, das werden Sie mir glauben, Freund! Aber ich zürne jenen Sorgen nicht, die Sie mir dadurch bereiten, denn ich leide gern mit Ihnen. Mein ganzes Sein fühlt sieh geadelt mit Ihnen leiden zu dürfen. So traurig mich diese Buchstaben anstarren, wenn ich sie nach ihrem Sinn befrage, so lieb und freundlich blicken sie mich an, wenn ich mir sage, sie sind von ihm und zwar für Dich geschrieben. Freund, ich fürchte, Sie könnten mir viel Böses sagen, und ich müsste Ihnen doch gut bleiben! –
Sie »freudehelfeloser Mann«, – ein Ausdruck, den ich einmal in Walther v. d. VogelweideLachmanns Ausgabe S. 54, 37. fand, und im innersten Herzen gleich auf Sie anwandte. Wer Ihnen zu helfen vermöchte, müsste sehr glücklich sein! Mir schwindelt der Kopf, wenn ich an all' die Trostlosigkeit denke, die Sie umgiebt. Einzelne schöne Momente ausgenommen, die dem gefahrvollen »Guten« gleichen, das Sie mir so reizend beschreiben, und die Ihnen mehr als jedem Andern zu Theil werden, bleibt das Schicksal Ihr Schuldner. Ich weiss das, und traure darum aus voller Seele, und habe kein leeres Wort des Trostes, weil ich auch keine Hoffnung habe, dass es einmal anders werden könnte. Wie entsetzlich es mir ist, Sie so in der Welt herumgehetzt zu sehen, um Conzerte zu geben, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Und wenn der Himmel vom Beifall der Menge widerhallte, es wäre ja doch kein Ersatz, Ihrem Opfer angemessen. Mit blutendem Herzen folge ich Ihren sogenannten »Triumphen« und kann fast bitter werden, wenn man mir diese als ein erfreuliches Ereigniss darstellen will. Ich fühle dann nur, wie wenig man Sie kennt, das heisst, versteht, und – fühle dann auch – dass ich Sie kenne – und liebe! – Was der Einzelne vermag, ist so wenig, dem tausendköpfigen Ungeheuer gegenüber, das sich Welt nennt. Man könnte sein Herzblut vergiessen und gewänne ihr nicht ein Bischen Liebe ab. So ist es und so war es wohl vor uns.
Die Mappe und die Lampe sollen Ihr Asyl nicht beschweren, sie werden »Wanderer« wie Sie, wenn Sie es einst verlassen. Wäre die Schwierigkeit, dieses Asyl los zu werden denn so gross, wenn Sie es später einmal wünschen sollten? Haben Sie gekauft oder nur gemiethet? Ist Ihnen der Aufenthalt in der Nähe von Wien nicht in künstlerischer Beziehung, sei es auch nur um des Wohlklangs willen, nützlich und wünschenswerth? Mein Herz ruft Sie wohl immer in die Schweiz zurück, doch dieses Herz ist egoistisch, und darf nicht gehört werden. Wäre ein Asyl in der Schweiz, ausserhalb jenes ersten Asyles undenkbar? Vor andern Bewohnern haben es bis jetzt meine Thränen geschützt, allein ich verzweifle daran, für die nächste Zukunft mehr zu erringen. Was die musikalischen Verhältnisse in Zürich betrifft, so existirt dort ein Orchester-Verein, d. h. stehendes Orchester von 30 Mann, als Unterlage zu gebrauchen, welches den Dienst des Theaters, der wohllöblichen Musik-Gesellschaft und unzähliger Garten-Concerte versieht, mit einem Dirigenten Namens Fichtelberger, der mit saurem Schweisse eine Beethoven'sche Symphonie in Grund und Boden schlägt. Papa Heim, der (en Parenthèse bemerkt), früher zu den Unzufriedenen gehörte, seitdem in's Comité gewählt worden ist, und nun im Hochgefühl seiner neuen Würde als milder Herrscher sich bewährt, d. h. Alles gut und schön findet. Ausser dieser Gesellschaft existirt und florirt das Quartett Heisterhagen und Eschmann; an die Stelle von Schleich trat ein junger, anscheinend musikalischer Mann, Namens Hilpert. Sollten Sie im Ernste den Plan haben, uns mit einer musikalischen Aufführung unter eigener Direction zu beglücken, so schlage ich vor, einen längeren Aufenthalt auf dem grünen Hügel zu nehmen, sich von dem Kinde hegen und pflegen zu lassen, und dann das Weitere zu besprechen. Von Ihrer Arbeit sagen Sie mir Nichts, nur, dass sich die Mappe füllt. Und ich soll Sie aus einem fremden théservice Thee schlürfen lassen? Grausamer, Karger, mir die Freude zu rauben, Ihnen ein Neues zu senden? Wissen Sie nicht, dass, Ihre kleinen Wünsche zu erfüllen, der einzige Trost für so inhaltschwere Zeilen ist, und dass Sie den wohl spenden dürfen?
Wenn ich wieder in Zürich bin, so ziehe ich mir ein Hündchen an, und hat es mich dann recht lieb, so sollen Sie es haben. Nicht wahr?
Sonntag in der Frühe reise ich ab, vielleicht noch auf einige Tage nach Homburg, wo Otto »Schweigkur« braucht, und gegen Ende nächster Woche hoffen wir zu Hause zu sein. Sollte Ihnen im Laufe der nächsten Monate die Schweiz unerreichbar sein, so kommen wir nach Wien oder sonst wo hin. Ihren Unfall übergehe ich, da Sie ja, Gott sei Dank, gerettet sind! Es ist spät geworden und ich schrieb in Eile – aber ich konnte nicht schweigen, es drückte mich zu Boden. Möge Ihnen leichter sein, wenn Sie dieses erhalten, und seien Sie mir innigst gegrüsst! Ich bin und bleibe Ihnen gut. Wir wollen treu aushalten.
Ihre
Mathilde Wesendonk.
[Schwalbach] August 9.63.
Freud' und Leid mit Einander tragen, so bleibt uns immer noch viel!