Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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7a

Mir erkoren –
Mir verloren –
Ewig geliebtes Herz.

Die Nachtigallen hörst Du wonnig schlagen,
wenn ihren Blütenschmuck die Bäume tragen,
doch in des Herbstes zweifelsvollen Tagen
will sich kein Vöglein an die Lieder wagen.

Die Alpenhäupter hoch zum Himmel ragen
in ewig kaltem, schweigendem Entsagen,
doch tief erröthen siehst Du sie vor Zagen,
naht sich die Göttin auf dem Sonnenwagen.

O frage nicht, Du sollst mich nimmer fragen,
ich lernte viel, nur Eines nicht ertragen,
doch dieses Eine kann ich Dir nicht sagen:
warum mein Singen trauervolles Klagen.

Fasst denn Ein Kelch den gold'nen Schein
der ganzen grossen Sonne?
Und Du, mein Herz, Du bist so klein,
und willst allein
die ganze Erdenwonne?

Der Liebe Unermesslichkeit
begrenzt im Raum, –
und aller Himmel Seligkeit
im Lebens-Traum?

Im Herzen trübe und traurig
da seufzt ein tiefes Weh,
so abgrundsvoll und schaurig
wohl wie die tiefe See.

Und Seufzer streichen als Winde
hinüber, herüber die Fluth,
Erinn'rung strahlet linde
darein wie Abendgluth.

Als Schifflein segelt die Hoffnung
von Sehnsucht getrieben zum Strand,
es schwanket in wilder Brandung,
stösst nimmermehr an's Land.

Wenn der Schmerz mit schwarzem Trauerflügel
schaurig sich auf Deine Seele senkt,
wird Dein Sinn vom Ewig Wandelbaren
zu dem Bandelosen hingelenkt.

Wenn vom Aug' die Täuschungsschleier fallen,
und Dein Eden Dir zerfliesst in Schaum,
aus dem Grab die bleichen Schatten schreiten,
und die Gegenwart erbleicht zum Traum.

Nur im Nicht-Sein suchst Du noch das Sein,
alles Dasein wird zum leeren Schein,
wirklich nur ist das pochende Herz
mit seinem ewig bejahenden Schmerz.

Am 22ten Mai 63.

Eine Seele gross und rein
schliesst die kleine Blume ein,
die mit ihrem ganzen Sein
lebt und webt im Sonnenschein;
die mit eifrigem Bemühn
einzig sorgt, recht schön zu blühn,
die, obgleich der gold'ne Strahl
tausend Schwesterkelche küsst,
nimmer fühlt des Neides Qual,
freudig ihm entgegenspriesst,
stets zu ihm ihr Antlitz wendet,
ihm allein ihr Duften spendet,
und – wenn er sie ganz vergisst –
still ihr freundlich Auge schliesst,
sanft das Köpfchen nieder neigt
leise seufzt – verhaucht – und schweigt. –

Herz, was wäre Deine Pein,
wärst Du wie die Blume rein?

Ich hab' ein Grab gegraben
und legt' meine Liebe hinein,
und All' mein Hoffen und Sehnen
und Alle meine Thränen
und All' meine Wonne und Pein.
Und als ich sie sorglich gebettet –
da legt' ich mich selber hinein.


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