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Luzern, 21. Mai 59.
Eine recht drollige Entdeckung, die ich soeben gemacht, muss ich Ihnen doch alsbald mittheilen. Mir ist plötzlich, als ob mein ganzes Arbeitsleiden auf Hypochondrie beruhe. Es kommt mir Alles, was ich hingeworfen habe, so grässlich schlecht vor, dass ich die Lust verliere, und nicht weiter will. Heute zwang ich mich dazu, eine Stelle aus der Skizze in's Reine zu arbeiten, die mir immer zuletzt so missfiel, dass ich glaubte, sie gänzlich umarbeiten zu müssen. Aber mir fiel nichts besseres ein, und darüber war ich so trostlos, dass ich an Aufgeben u. s. w. dachte. Endlich – in der Verzweiflung – arbeite ich heute die Stelle in's Reine, indem ich sie ganz, wie in der Skizze, lasse, nur hier und da ein paar Geringfügigkeiten corrigire; nun trage ich sie mir vor und – finde, dass sie so gut ist, dass ich sie eben deshalb nicht mehr besser machen konnte. – Ist das nicht zum Lachen? – Und doch ist's schlimm, denn dass sich diese Hypochondrie einstellt, ist eben ein Beweis, dass etwas nicht ist, wie's sein soll. Ich kann mich eben nicht entschliessen, was ich schnell skizzirt, mir dann mit Wärme und Ausdruck einmal wieder vorzutragen. Weiss Gott, ich bin so ganz das Gegentheil von sparsamer Verschlossenheit, dass ich in der Mittheilung so gern über die Schnur haue. Doch weiss ich eben auch, dass ich mich oft darüber zu ärgern hatte, so vorschnell in der Mittheilung meiner Skizzen an Unberufene gewesen zu sein, zu denen ich nicht Sympathie hatte, und wo ich also selbst nicht die rechte Wärme zur Lebhaftigkeit der Erfassung meines Gegenstandes gewann. Das habe ich daher oft verschworen. Jetzt rächt sich das nun, und ich komme gar nicht mehr dazu, mich mit meinen Einfällen zu befreunden. Doch will ich mir aus der heutigen Erfahrung eine Lehre ziehen, und sehen, dass ich andre male nicht wieder so misstrauisch gegen meine Entwürfe werde. Am Ende werde ich auf diesem Wege noch recht leichtsinnig, und führe aus, was mir nun gerade einfällt! –
Genug für heute. Ich wollte Ihnen nichts weiter sagen. Einen vernünftigen Brief schreibe ich nächstens, wenn ich auch andres Papier im Hause habe, als dieses coquette rosa, was mir der elegante Schweizerhof geliefert hat. – Selbst wenn das Wetter ganz günstig wäre, könnte ich zu Morgen nicht auf den Rigi, da ich zu einer ärztlichen Conferenz greifen musste, in Folge deren ich für einige Tage Rigiunfähig bin.
Schönsten Gruss! Feiern Sie meinen Geburtstag für mich, ich trete ihn Ihnen ab. Somit – gratulire ich!
R. W.
Nach der Arbeit!