Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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143.

Wohl ahnen Sie es, wie wichtig mir Ihr Brief war, Freundin! Wenn ich Ihnen vor einiger Zeit sagte, dass mein Entschluss sich nicht besprechen lasse, sondern nur unmerklich durch die Ausführung sich zu erkennen geben könnte, so erwidern Sie mir ganz richtig: la vie est une science! – Diese muss denn erlernt und bewährt werden. Ich glaube reif dazu zu sein, und kenne nur noch eine Sehnsucht: Ruhe! Arbeit! –

Von meinen UnternehmungenGlasenapp II, 2, 437 ff. für diesen Winter steht noch vieles unklar vor mir: ich weiss nur eben, dass ich eine äusserste Anstrengung zu machen habe, nicht um zu erringen, sondern um hinter mir abzuschliessen. Uebermorgen (31. Oct.) gehe ich nach Prag (schwarzes Ross) zu 2 Conzerten. Am 10. Nov. treffe ich in Karlsruhe ein; 14. desselben ist dort das Conzert: wäre Otto soweit, für diesen Tag mit Ihnen dorthin zu kommen, so glaube ich Ihnen Beiden einen schönen Eindruck versprechen zu können. Von dann ab tritt Unklarheit für meine weiteren Pläne ein: im Ganzen habe (ich) in der Zeit bis Weihnachten Breslau, Löwenberg in Schlesien (Fürst von Hechingen), Dresden, vielleicht Hannover, gewiss noch einmal Prag, zu Conzerten in Aussicht. Möglicher Weise tritt dann für März und April Petersburg ein: denkbar wäre aber auch im Januar bereits Kiew und Odessa; vielleicht auch noch einmal Pest. Wie meinen armen Nerven angesichts solcher Geographie zu Muthe wird, denken Sie wohl! Es kommt mir wohl wie Frevel vor. Nur bleibt mir nichts anderes übrig. – In der Zwischenzeit möchte ich mich nun, wenn Sie mich aufnehmen wollen, zu einer kurzen Rast bei Ihnen einfinden. Vielleicht um die Weihnachtszeit, wenn nicht bereits von Karlsruhe aus möglich. Wundern Sie sich dann, wenn es auch nur für wenige Tage ist, nicht, wenn ich die Mappe herausziehe, und etwas zu arbeiten versuche. Auch habe ich in Betreff der Bewirthung eine Bitte: Frühstück und Mittagessen schicken Sie mir auf mein Zimmer; gemeinschaftliche Mahlzeiten bleiben für besondere Feste aufgespart, und dazu wird Ihrerseits eingeladen. – Otto's Genesung ist mir ein wahres Himmelsgeschenk: wir (ich und mein Arzt) theilen hier Ihre Ansicht, dass dies ein kritisches Leiden von vortheilhaftesten Folgen war. Dies Alles ist mir schön und tief erfreulich. –

Nun haben Sie noch ernsten innigen Dank für Ihren guten Brief. – Grüssen Sie Otto und die Kinder aus treuem Herzen. Alle sollen mir gut sein, und Sie auch!

Ihr
R. W.

Penzing. 29. Oct. 63.

Otto schicke ich eine Broschüre.Über das Wiener Hofoperntheater, Ges. Schriften 7, 365/94. Ihr werdet daraus erkennen, wie versöhnlich ich aus der Welt zu scheiden gedenke; die Nothwendigkeit dieses Ausscheidens aber auch daraus entnehmen, dass ich mit Sicherheit weiss, wie auch so praktische, einfache Vorschläge kein Gehör finden werden.


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