Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Venedig, 22. Februar 59.Urschrift fehlt.
Nach dem Gesetz des allerherrlichst-vollendeten Buddha beichtet der Belastete vor der Gemeinde laut seine Schuld, und damit allein ist er entlastet. Sie wissen, wie ich unwillkürlich zum Buddhisten geworden bin. Auch mit der Buddhistischen Bettler-Maxime habe ich's unbewusst immer gehalten. Und das ist eine sehr stolze Maxime. Der Religiöse kommt in die Städte und Strassen der Menschen, zeigt sich nackt und besitzlos, und gibt so durch sein Erscheinen den Gläubigen die kostbare Gelegenheit, durch Gaben und Spenden an ihn, das edelste, verdienstlichste Werk zu üben: somit ist seine Annahme die ersichtlichste Gnade, die er erweist, ja, in dieser Gnade liegt der Segen, die Erhebung, die er den Gebern spendet. Er bedurfte der Gaben nicht, denn freiwillig hatte er Alles von sich gegeben, eben um durch die Annahme von Almosen die Seelen erquicken zu können. –
Ich will, bis in seine feinste Verzweigung, Mitwisser meines Schicksals werden; nicht um es gegen den Lauf zu wenden, sondern um täuschungslos nur ihm gegenüber zu stehen. Für meine Zukunft habe ich aber kein Bedürfniss: dem edelsten Bedürfniss meines Lebens – das wissen Sie! – muss ich wehren; wie könnte ich nun noch mit irgend einer Anordnung meines Schicksals mir schmeicheln wollen? Nur für Andere wünsche ich: sind diese Wünsche unerfüllbar, so muss ich auch ihnen zu entsagen wissen. Denn endlich muss der Segen eines Jeden aus dem Inneren selbst quellen: Arzeneien sind Täuschungen.
Lautet diess ernst und wehmüthig? – Und doch sage ich es Ihnen zum Trost. Ich weiss, Sie bedurften dieses Trostes, weil Sie über mich der Beruhigung bedürfen. Und nun wollen wir uns gegenseitig in dieser süssen Uebung streiten: Trost um Trost! –
Deutschland entsage ich mit ruhigem, kalten Herzen, ich weiss auch, dass ich es muss. Beschlossen habe ich für meine Zukunft noch nichts, – ausser – den Tristan zu vollenden! –
Zunächst hat der Erzgrossherzog Max auf meine Eingabe hin sofort die Ausweisungsmaassregel gegen mich sistiren lassen.Glasenapp II, 2, 208. In der Musik I, 1902/04 bringt Schönaich ein Begnadigungsgesuch Wagners aus Venedig 1859 zum Abdruck. Ich will nun sehen, ob ich den dritten Akt hier noch im Entwurf fertig bringe. Instrumentiren werde ich ihn dann wohl in der Schweiz, vermuthlich nicht weit von Ihnen, in Luzern, wo es mir im vorigen Sommer erträglich gefallen hat. Nächsten Winter werde ich wohl in Paris zubringen, – so ist's mir wenigstens, wenn auch ganz ohne Wunsch, sondern vielmehr mit grosser Ueberwindung. –
Wesendonks Anerbieten danke ich sehr. Möge Sie und ihn meine Correspondenz nach Moskau u. s. w. nicht zu sehr bekümmern; es ist mein Loos, mir auf diese Weise helfen zu müssen, wobei das Unergiebige der Hülfe mich weniger leiden macht, als eben der Weg dazu, den mir doch aber Niemand ersparen kann. Freilich wird sich einst die Nachwelt wundern, dass grade ich genöthigt war, meine Werke zur Waare zu machen: als Nachwelt kommt die Welt nämlich immer erst etwas zu Verstand, und vergisst dann mit kindischer Selbsttäuschung, dass ja auch sie die Mitwelt ist, als welche sie immer stumpfsinnig und gefühllos bleibt. So ist es aber einmal und wir können nichts daran ändern. Das sagen Sie mir ja auch über die Menschen überhaupt. Und an mir ist auch nicht viel zu ändern: ich behalte meine kleinen Schwächen, wohne gern angenehm, liebe Teppiche und hübsche Möbel, kleide mich zu Haus und zur Arbeit gern in Seide und Sammt, und – muss dafür denn auch meine Correspondenzen führen! –
Nun, wenn nur der Tristan dabei noch gut geräth: und gerathen wird er, wie noch nie etwas! – Ist Koboldchen zur Ruhe und Freundin getröstet? –
Vergessen Sie Wien nicht! Es macht Ihnen doch vielleicht eine kleine Freude; ich ginge selbst gern einmal hin: nun müssen Sie's für mich thun. Immer wieder erfahre ich sehr Erfreuliches über die dortige Aufführung des Lohengrin, und aus Allem entnehme ich mir, dass sie überhaupt die beste von allen Aufführungen meiner Opern ist. Ich erwarte von dort eine bestimmte Notiz darüber, wie lange die Saison noch dauert und Sie den Lohengrin hören können; sobald ich's weiss, schreib' ich's Ihnen! –
Und nun besten Gruss und Dank an Wesendonk.– Koboldchen war gar artig, und die Freundin grüsse ich aus Herzensgrunde! Adieu!
R. W.