Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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62a.

Venedig, 10. März 59.

Urschrift fehlt.

An Mama.

Endlich bin ich gestern mit meinem zweiten Akte, dem grossen, Allen so bedenklichen (musikalischen) Problem fertig geworden, und weiss es auf eine Art gelöst, wie noch Keines. Es ist der Gipfel meiner bisherigen Kunst. Noch habe ich eine Woche auf das Manuscript zu verwenden, dann meine entsetzliche Correspondenz zu versehen, worauf ich Verona und Mailand mit einigen Tagen zu beehren gedenke, um über Como und Lugano meinen alten Gotthardt zu überschreiten. Erfreuen Sie mich zuvor noch durch eine Nachricht von Ihnen! –

Schönsten Dank auch für die exacte Besorgung meiner »Geschäfte«. Gott weiss, was aus all diesen Thorheiten wird: wenn ich nur weiss, was ich will, so bin ich ziemlich phlegmatisch dagegen, was die Welt mit mir will. Wollen's abwarten! Mitunter schwindelt mir vor dem Gedanken, irgend welche Mühe auf mein Dasein noch verwenden zu sollen! Für meine Kunst habe ich immer weniger mehr die Welt nöthig; ich könnte, so lange die Gesundheit mir's erlaubt, immer fortarbeiten, wenn ich auch nie etwas davon aufgeführt hörte. –

Gestern nahm Winterberger, der nach Rom geht, Abschied von mir, wobei er heftig weinte und schluchzte. Auch Karl, als er im November von mir ging, war unglaublich ergriffen. Sie haben mich doch Alle sehr lieb, und ich muss etwas – ich glaube fast: Ehrwürdiges für sie haben. Karl lasse ich noch hier zurück. Er ist übel dran. Vor meinem Fortgehen bangt ihm sehr. –

Mit dem Märchen bin ich schon einig geworden, wenngleich ich manchmal dumm bin, was Sie schon oft erfahren haben. Sie weben so sinnig aus der Natur, dass man nur einmal auf Ihrer Terrasse recht aufmerksam gelehnt haben muss, um zu begreifen, woher Sie die Märchenwelt gestalten, in der Alles sie belebende so schön zusammenfliesst. – Leben Sie wohl! Besten Gruss an Wesendonk und Dank für seine praktische Fürsorge! – Leben Sie wohl! –

Ihr
R. W.


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