Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

101.

Paris, 3. März 60.

Den heutigen Tag will ich mir denn einmal zum Festtag machen. Ich will Ihnen schreiben, Freundin! Mit gutem Bedacht und freundlicher Ueberlegung liess ich oft die Feder wieder sinken, die ich wiederholt in dieser Zeit zum Briefe an Sie ansetzte. Mein Bedürfniss ist gross, und ich will sehen, dass ich seine Erfüllung mir verdiene; ich will sehen, wie ich Ihnen manches Freundliche berichte.

Zuerst will ich Ihnen beschreiben, was statt einer Pendule – auf meinem Kamine steht. Das ist ein wunderliches Ding. Auf einem, mit rothem Sammet überzogenen Gestell ist ein silberner Schild ausgebreitet, der rings den Rand entlang mit Devisen aus meinen Dichtungen angefüllt ist, von Rienzi bis zu Tristan u. Isolde. Auf diesem Schild liegt, in einem silbernen Kranz, dessen einer Zweig Lorbeer, der andere Eiche, ein mächtiges silbernes Notenblatt, halb zusammengerollt: auf diesem Notenblatt sind Hauptthemen aus meinen Opern in Notenschrift ausgeführt. Eine schöne silberne Feder liegt in den Zweigen des Kranzes über dem Notenblatt; die Zweige sind mit einer goldenen Schleife zusammengebunden, darauf geschrieben steht:

»Des rechten Mannes Herz muss überströmen in der Sonnenhöhe grosser Männer«. – und dann: »Dem hohen Meister gewidmet in aufrichtiger Verehrung von Richard Weiland«. –

Dieser Richard WeilandVgl. Glasenapp II, 2, 236f. ist ein schlichter Dresdener Bürger, den ich nie gekannt, der mich aber einmal Vormittags in Zürich – im Asyl – besuchte, und mir die drollige Kritik der Prager Aufführung des Tannhäuser lieferte, mit dem einfachen Bericht, dass dort die Ouvertüre, die unter meiner Leitung in Dresden nur 12 Minuten dauerte, 20 Minuten lang war. – Die Sendung, mit einem höchst bescheidenen Schreiben, fand ich eines Abends vor, als ich müde gehetzt von der Besorgung meiner Chöre nach Hause kam. – Ich habe nun den TaktstockDer Taktstock, nach Sempers Zeichnung ausgeführt, war ein Geschenk von Frau Wesendonk. und dieses Silberwerk. –

Hier haben mir meine Conzerte einige sehr ergebene und gescheidte Menschen zugeführt.

Gaspérini, ein zarter, sehr gebildeter und begabter Arzt, der aber wohl bald gänzlich nur noch literarische und poetische Arbeiten treiben wird, ein Mensch von feinem, schönem Aeusseren und grosser Herzenswärme, nur vielleicht ohne eigentliche Energie, – gehörte mir schon vor meiner Ankunft, und ist jetzt der eifrigste, ausdauerndste Verfechter meiner Sache. Er hat sich hierzu den »Courier du Dimanche« eröffnet. –

Einen vortrefflichen Kopf und ungemein gebildeten, von jedem Vorurtheil frei gewordenen, klaren und feinen Geist, habe ich mit Villot gewonnen. Dieser Mann, der bereits kürzlich einen Sohn verheirathete, ist Conservateur des Musées du Louvre, und hat als solcher die ganze Direction der Kunstschätze unter sich. In einem Riesenwerke, das ihn 15 Jahre des ausdauernden Fleisses kostete, hat er eine Geschichte der Sammlungen des Louvre geschrieben. –

Denken Sie sich nun aber, dass dieser Mann – schon lange ehe ich ihn kennen lernte – alle meine Partituren besitzt, dieselben genau studirt hat, und glücklich war, durch meine Vermittelung jetzt schon eine Partitur des Tristan von Härtels zu bekommen. Dieser Mann hat mich sehr überrascht durch die Schärfe seines Urtheils, namentlich auch über die Fähigkeiten seiner eigenen Nation, der er für den Ausdruck vollkommen angehört, während er durch seinen Geist weit über sie hervorragt. Sein Kopf ist sehr schön und fein. Sein Anerbieten, mich die Schätze des Louvre unter seiner Anleitung genau kennen zu lehren, habe ich noch nicht benützt, und werde es auch wohl lange, lange noch nicht benützen können.

Nun nenne ich Ihnen unter Manchen noch den Romancier Champfleury,Champfleury, Richard Wagner, Paris 1880. dessen im ersten Eindruck hingeworfene Brochure ich Ihnen geschickt habe.

Er hat ein sehr sinniges, freundlich wehmüthiges Auge. Sein Freund, der Dichter Baudelaire hat mir ein paar wunderbare Briefe geschrieben, will mir aber noch nicht vorgestellt sein, bis er einige Dichtungen fertig hat, mit denen er mir zu huldigen gedenkt. –

Von Franck-Marie erzählte ich Ihnen: er hat bedeutend über mich geschrieben, ist mir persönlich aber noch fremd geblieben.

Dann ist noch ein junger Maler, Gustave Doré, der hier bereits grossen Ruf hat: er hat eine Zeichnung gemacht, die für die Illustration bestimmt ist, und mich auffasst, wie ich in einer Alpengegend ein Geisterorchester dirigire. Ferner giebt es noch viele Musiker und Componisten, die sich enthusiastisch für mich erklärt haben, unter ihnen Gounod, ein weicher, guter, rein aber nicht tief begabter Mann, Louis Lacombe, Leon Kreutzer, Stephan Heller. Bedeutend als sehr tiefer Musiker ist Sensale,Gemeint ist wohl Saint-Saëns. der mir künftig meine Partituren spielen wird.

Ein Herr Perrin, bedeutend als Maler, ehemaliger Director der Opéra comique, und wahrscheinlich zukünftiger der grossen Oper, ist mir sehr ergeben, und hat in der Revue Européenne schön über mich geschrieben.

Berlioz ist dem Neid verfallen; meine Anstrengungen, mich ihm als Freund erhalten zu können, sind durch die, ihm unerträglich glänzende Aufnahme meiner Musik erfolglos geworden. Er findet sich in Wahrheit durch mein Erscheinen in Paris, am Vorabende einer Aufführung seiner Trojaner, empfindlich gekreuzt; auch hat ihm sein Unstern ein böses Weib gegeben, das sich bestechen lässt, um ihren sehr leidenden und schwachen Mann zu bestimmen. Sein Benehmen gegen mich war ein stetes Schwanken zwischen freundschaftlicher Neigung und Abprall von dem Beneideten. Sehr spät, und zwar so, dass er darin den Eindruck einer abermaligen Anhörung meiner Musik nicht aufzunehmen hatte, veröffentlichte er seinen Bericht, den Sie wohl gelesen haben werden. Ich musste es für gut halten, auf seine zweideutige, ja boshafte Berührung der »Zukunftsmusik-Frage« zu antworten. Sie finden diese Antwort im Journal des Débats vom 22. Febr.Ges. Schriften 7, 113.

Besser hat sich Rossini benommen. Man hatte ihm einen Witz über meine Melodienlosigkeit untergeschoben, der mit Begierde bis in deutsche Blätter verbreitet wurde. Nun hat er eigens eine Ablehnung dictirt, worin er erklärt, nichts von mir zu kennen als den Tannhäuser-Marsch, der ihm das grösste Vergnügen gemacht habe, und dass er ausserdem, nach allem, was er von mir wisse, grosse Achtung vor mir habe. Dieser Ernst des alten Epikuräers hat mich überrascht. – Schliesslich sei noch eine Eroberung gemeldet, die ich an einem Marschall gemacht habe, nämlich Magnan, der alle meine 3 Conzerte besuchte, und die grösste Theilnahme bezeigte. Da es mir – unglücklicherweise – daran liegen muss, in gewissen Kreisen solch einen Mann gut unterrichtet von mir zu wissen, besuchte ich ihn, und war wirklich verwundert über seine Ausdrücke. Er hatte sich tüchtig herum streiten müssen, und konnte nicht begreifen, wie man in meiner Musik etwas Andres hören könnte, als eben Musik, wie sie Gluck und Beethoven geschrieben, nur mit dem besondern Stempel des Genie's »eines Wagner«. –

Ich kann heute noch keines meiner Conzertprogramme wieder auftreiben. Doch sollen Sie noch Eines haben. Sie werden dann sehen, dass sie nicht zu intim ausgefallen sind. Ihr Bedenken gab den Ausschlag. Auch die Worte zu Tristan enthalten nichts als eine Notiz über das Sujet. –

Ueber die Conzerte will ich Ihnen noch einiges nachtragen. Die Streichinstrumente waren vortrefflich, 32 Violinen, 12 Bratschen, 12 Violoncello, 8 Contrabässe: eine ungemein sonore Masse, deren Anhörung Ihnen grosse Freude gemacht haben würde. Nur waren die Proben noch unzureichend, und das rechte Piano konnte ich noch nicht erzwingen. Die Blasinstrumente waren nur theilweise gut; alle hatten keine Energie, namentlich die Hautbois blieb immer pastoral und erhob sich nie zur Passion. Die Hörner waren miserabel und haben mich manchen Seufzer gekostet: die unglücklichen Bläser entschuldigten ihr häufiges schlechtes Eintreten mit der beängstigenden Wirkung, die mein Wink auf sie machte. Posaunen und Trompeten hatten keinen Glanz. Alles glich aber endlich der wirklich grosse Enthusiasmus aus, den das ganze Orchester, vom ersten bis zum letzten Musiker, für mich fasste, und der sich fortwährend auch in den Aufführungen so offen bekundete, dass Berlioz darüber in bedenkliches Staunen gerathen sein soll.

Die drei Abende wurden so zu wirklichen Festen, und was die Enthusiasmus-Bezeigungen betrifft, so waren die Züricher Feste nur ein Schatten dagegen. Das Publikum war von vornherein gefesselt. Zur Ouvertüre vom »fliegenden Holländer« hatte ich einen neuen Schluss gemacht, der mir sehr gefällt, und auch auf die Zuhörer Eindruck machte. Kindisches Freudejauchzen brach aber sogleich nach der zierlichen Melodie des Tannhäuser-Marsches aus, und so oft diese Melodie wiederkehrte, wiederholte sich dieselbe Explosion. Diese freimüthige Kindlichkeit machte mir wirklich gute Laune, denn ich habe so unmittelbar sich kundgebende Freudenausbrüche noch gar nicht gehört. Der Pilgerchor wurde das erste Mal sehr zaghaft und wirkungslos gesungen; später ging es besser. Die Tannhäuserouvertüre, die mit grosser Virtuosität gespielt wurde, brachte mir stets viele Hervorrufe ein. Das Vorspiel zu Tristan wurde erst im dritten Conzerte mir zu Danke gespielt: mich hat es an diesem Abende sehr gefreut. Auch das Publikum schien davon schön ergriffen zu sein, denn als – nach dem Applaus – ein Opponent zu zischen wagte, brach ein solcher Sturm aus, und zwar so intensiv, anhaltend und immer von neuem wieder ansetzend, dass ich Aermster auf meinem Platze wirklich in Verlegenheit gerieth, und durch Handbewegungen um Gotteswillen bitten musste, endlich aufzuhören, ich wäre vollkommen zufrieden; aber das machte wieder neue Hitze, und der Sturm ging wieder von Neuem los. Kurz, ich habe so etwas noch nicht erlebt. –

Die sämtlichen Stücke aus Lohengrin brachten von vornherein eine ungemeine Wirkung hervor; Orchester und Publikum trug mich nach jedem fast auf den Händen, und ich kann nicht anders sagen, als – es waren Festabende. –

Und nun fragt das Kind wohl verwundert, warum ich denn mit so schönen Erlebnissen nicht zufrieden sei, und so traurig vor mich hinblicke? – Ja, das hat eine eigene Bewandtniss; und ich kann nur sagen, Feste-feiern ist leicht! – Und – ich habe keine Feste nöthig. Solche Abende bleiben etwas ausser mir: es sind Berauschungen, nichts anderes, und sie hinterlassen die Wirkungen jedes Rausches; – doch, wäre ich nur anders gemacht, so ginge es. Am Ende habe ich's doch weit gebracht; ich könnte in Ruhe jetzt geniessen; behaglich abwarten, was da kommt, und was, wie man mich versichert, unausbleiblich ist, Ruhm, Ehre, und was weiss (ich) noch? Welch ein Thor wäre ich denn? Denken Sie sich, dass ich am ersten Conzertabend zerstreut war, weil der gewisse Receveur généralBrief an Otto Wesendonk vom 12. Febr. 1860. noch nicht von Marseille angekommen war. Und was war's mit diesem Manne? – Das war der reiche Mann, von dem mir Gaspérini versichert, dass er sich lebhaft für mein Vorhaben, meine Opern in Frankreich aufführen zu lassen, interessire, und leicht zu bestimmen sein würde, mich zu diesem Zweck energisch zu unterstützen. Ich hatte nur die Möglichkeit einer ersten Aufführung des Tristan mit deutschen Sängern im Mai in Paris im Auge: dies das einzige Ziel, auf das ich zusteuerte, an das ich Alles setzte, und namentlich auch die rasende Anstrengung dieser 3 Conzerte. Mein reicher Mann sollte von Marseille kommen; der Erfolg meiner Musik sollte ihn bestimmen, sich zu der nöthigen Garantieleistung für das im Auge gehabte Opernunternehmen bereit zu erklären. Endlich zum dritten Conzert kommt der Mann an; aber er hat diesen Abend ein grosses Diner bei Mirès; doch – auf eine Stunde kommt er in's Conzert, und – ist ein prachtvoller Franzose, der sich ungemein freut, später ein deutsches Opernunternehmen für bedenklich hält, u. s. w. –

Da war denn ich einmal wieder recht kindisch gewesen! Und ich weiss es eigentlich immer im Voraus, und doch hofft man – und wagt man: – weil eben ein Ziel, ein mir so nöthig dankendes Ziel da ist. Und ich bin nur da, mein Leben hat einzig nur noch Sinn, um in dieses Ziel zu blicken und Alles zu überblicken, was zwischen mir und diesem Ziele liegt: nur in diesem Hinblick kann ich ja nur noch leben; wie kann ich leben, wenn ich die Augen von dem Ziele ablenke, und es in die Kluft versenken soll, die mich vom Ziele trennt!

Ja wohl sollten das Andere für mich thun, und mich in der Luft halten; aber wer kann dies von irgend Jemand mit Recht verlangen? Lebt nicht Jeder mit einem Ziel im Auge, nur dass es eben nicht das Ziel des Exzentrischen ist? So kommt es denn nun, Kind, dass der dumme Meister einmal wieder tief und lange einzig in die Kluft blicken muss: – ach! Wie's ihm dann zu Muthe ist! Keine Höllengegend des Dante hat scheusslichere Klüfte! – Genug der Andeutung. – Und das Ziel?? – bleibt dennoch das Einzige, was mich noch belebt! – Aber wie es erreichen? –

Ja, Freundin, so ist's! Alles einmal wieder Nacht um mich! Hätte ich keine Ziele mehr, so wär's leicht anders. Jetzt habe ich mich eben nur mit unsäglicher Mühe und Qual wieder aus der Kluft herauszuwinden, in die ich mit fast absichtlicher Blindheit zuletzt einmal wieder stürzen musste. Noch sehe ich die Höhe nicht, von der aus ich nur wieder den Blick auf mein Ziel richten könnte. – Als ich zuletzt die unerlässliche Nothwendigkeit ersah, zunächst Alles und Alles an eine erste Aufführung des Tristan zu setzen, sagte ich mir auch; jetzt giebt es, mit diesem Ziel im Auge, keine Erniedrigung mehr für dich! Alles und Jedes, was Du thust, um zu Macht und Mitteln zu gelangen, kann nichts Schmähliches für Dich enthalten, und Jedem, der Dich nicht begreifen könnte, wenn er Dich in ungewohnten Wegen schreiten sähe, könntest Du zurufen: »Was weisst Du von meinem Ziele?« – Denn, begreifen kann mich nur, wer dieses begreift. –

Jeder Tag gebiert mir nun neue Pläne; bald schwebt diese, bald jene Möglichkeit mir vor. Ich bin so unlösbar an dieses Werk gebannt, dass ich – in vollstem Ernste – willig mein Leben zum Opfer bringen kann, und schwören will, keinen Tag länger leben zu wollen, sobald ich mein Werk aufgeführt habe. So ist es wohl nahe liegend, dass mich jetzt auch der Gedanke beschäftigt, statt aller Mühen und Erniedrigungen, die ich auszustehen hätte, um durch »Pariser« Erfolge zu den mir nöthigen Mitteln zu gelangen, die einfachste Qual über mich zu nehmen, nach Dresden zu gehen, mich verhören, aburtheilen und – meinetwegen – begnadigen zu lassen, um dann nur wieder ungeschoren das beste deutsche Theater an Ort und Stelle mir aussuchen zu können, dort den Tristan aufzuführen, und so den Zauber zu lösen, der mich jetzt beherrscht. Ich habe nichts anderes, was mich irgend einer Mühe werth dünken könnte! Es scheint mir doch fast das Vernünftigste zu sein, und es kommt mir wie eine unverzeihliche Selbstliebe vor, irgend eine Qual oder Schmach von mir abzuweisen, die zur Erlösung meines Werkes führen könnte. Was bin ich denn – ohne mein Werk? – Und dazu nun dies Andere! Ich glaube nicht an meine Oper im Französischen. Alles was ich dafür thue, ist gegen die innere Stimme, die ich nur mit Leichtsinn und Gewalt betäuben kann. Ich glaube weder an einen französischen Tannhäuser, noch an einen französischen Lohengrin, geschweige denn an einen französischen Tristan. Alle meine Schritte hierfür bleiben auch ungesegnet: ein Dämon, – wohl mein Dämon – ist mir in Allem zuwider. Nur durch einen Despoten-Befehl könnten alle die persönlichen Hindernisse zurückgeschlagen werden, die sich meinem Aufkommen in der Pariser Oper entgegensetzen. Um diesen nur zu erwirken habe ich keinen wahren Eifer. Vor Allem, was liegt mir an meinen alten, mir fast gleichgültig gewordenen Werken? Ich ertappe mich immer auf der vollsten Interesselosigkeit gegen sie. Und nun die französischen Uebersetzungen! Ich muss sie für rein unmöglich halten. Die wenigen Verse, die mir zu meinem Conzert übersetzt wurden, kosteten unsägliche Mühe, und waren unausstehlich. Noch ist, trotz ewiger Bemühungen darum, kein Act meiner Opern übersetzt, und was etwa vorliegt, ist mir widerwärtig. In der Sprache liegt denn auch mit der Hauptgrund davon, dass mir eigentlich hier Alles fremd bleibt. Die Qual einer französischen Conversation ist für mich ungemein ermüdend, oft breche ich mitten in einer Auseinandersetzung ab, wie ein Verzweifelnder, der sich sagt: »es ist ja doch nicht möglich, und Alles ist vergebens!« Da fühle ich mich denn jämmerlich heimathlos. Und frage ich mich: wo gehörst Du denn hin? Da weiss ich wieder kein Land, keine Stadt, kein Dorf zu nennen. Alles ist mir fremd, und sehnsüchtig blicke ich oft nach dem Land Nirwana. Doch Nirwana wird mir schnell wieder Tristan; Sie kennen die Buddhistische Weltentstehungstheorie. Ein Hauch trübt die Himmelsklarheit: das schwillt an, verdichtet sich, und in undurchdringlicher Massenhaftigkeit steht endlich die ganze Welt wieder vor mir. Das ist das alte Loos, so lange ich noch solch unerlöste Geister um mich habe! –

Etwas Heimisches habe ich noch um mich, was ich nun auch bald verlieren werde: Bülow. Der arme Junge hetzt sich hier schrecklich ab, und ich habe wenig von ihm: er kann mich nicht häufig besuchen. Aber es ist mir schon lieb, ihn hier zu wissen. Ach Gott, es thut mir so wohl, wenn ich natürlich reden kann, und das kann ich jetzt nur mit ihm. Er ist und bleibt mir ganz ergeben, und es ist oft rührend, wenn ich dahinter komme, welche heimliche Mühe er sich immer für mich giebt. Er ist dann sehr traurig, wenn ich ihm sage: das hülfe doch Alles nichts! Ich will ihm aber, ehe er fort geht, eine Freude machen, und ihm sagen, Sie liessen ihn durch mich grüssen. –

Jetzt muss ich sehen, dass man mit mir etwas Geschäfte macht, um die fürchterliche Verheerung, welche die Kosten meiner Conzerte mir hinterlassen haben, mühsam etwas zu verwischen zu suchen. Man schlägt mir vor, dasselbe Conzert dreimal in Brüssel aufzuführen, unter Bedingungen, die mir einen kleinen Gewinn sichern. Ich werde es wohl thun müssen. Machen Sie sich darauf gefasst, von dort aus von mir zu hören. Auch von London spricht man mir. Es ist wohl traurig; aber, Sie wissen, ich kann einmal noch nicht sterben. –

Und nun wird's wohl gut sein, Freundin, wenn ich zum Schluss komme: es kommt, ich sehe wohl, nichts Freundliches mehr heraus, und eigentlich habe ich schon sehr über die Schnur gehauen. Nun ist's mir etwas leichter geworden, seit ich nun Ihnen wenigstens einmal wieder schreiben konnte: Dank Ihnen, dass Sie mir das gewähren konnten! Und viele schöne Grüsse an Otto und die Kinder; lassen Sie mich hören, wie es Allen geht! Mit treuer Liebe

Ihr
R. W.


 << zurück weiter >>