Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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115.

Paris, 6. April 61.

Mein bestes Kind! Ich glaube Sie thaten mir Unrecht, als Sie sich ein wenig empfindlich darüber zeigten, dass ich Ihnen letzthin eben nur einen an mich gelangten, nicht bedeutungslosen Brief zur Mitdurchsicht übersandte, und kein Wort fand, mit dem ich ihn hätte begleiten sollen. Hat das Schweigen seine Bedeutung für Sie verloren, und könnten Sie sich nur vorstellen, dass ich in solchen Fällen überhaupt nichts zu sagen hätte? Das wäre doch nicht richtig verstanden. –

Wirklich, ich bin es müde, ewig meinen Freunden nur Sorge zu machen. Ich hab' von dem ganzen bedenklichen Pariser AbenteuerGlasenapp II, 2, 290-315: »die drei Schlachtabende«. nichts übrig, als diess bitt're Gefühl. Der Unfall selbst hat mich im Grunde ziemlich gleichgültig gelassen. Wäre ich nur auf ein äusserliches Gelingen ausgegangen, so hätte ich natürlich Vieles ganz anders angreifen müssen; das aber – kann ich eben nicht. Jenes Gelingen konnte für mich nur als eine Folge des inneren Gelingens der Sache zählen. Die Möglichkeit einer wirklich schönen Aufführung irgend eines meiner Werke reizte mich: als diese von mir aufgegeben werden musste, war ich eigentlich bereits fertig und geschlagen. Was nun über mich erging, war eigentlich die gerechte Strafe für eine mir abermals gemachte Illusion. Sie hat mich nicht mehr tief berührt. Die Aufführung meines Werkes war mir so fremd, dass, was ihr widerfuhr, mich gar nicht recht anging, und ich konnte dem Allen wie einem Spectakel zuschauen. Ob der Vorfall Folgen haben kann oder nicht, lässt mich noch kalt: Alles, was ich in Bezug hierauf empfinde, ist – Müdigkeit, Ekel. –

Wirklich war, was mich einzig nagte, das schnell wieder hervortretende Bewusstsein, dass von so unberechenbar tollen Chancen, wie denen eines Pariser Erfolges, eines meiner innigsten Werke,Nämlich der Tristan; vgl. oben S. 214 und 216 zugleich meine ganze Lebenslage so schwerwiegend abhängen muss. Es ist diess so graunvoll und wahnsinnig, dass eine Zeit lang es mir wirklich das Vernünftigste schien, einer durchaus schiefen und uneinrichtungsfähigen Existenz zu entsagen, und zwar gründlich!

Ich ermüde meine Freunde auf das Unverantwortlichste, und schleppe Lasten mit mir, die ich wirklich länger nicht mehr tragen kann. – Der gute Bülow, der mein Leid auf das Innigste empfand, hat nun versucht, auf deutschem Boden mir eine etwas beruhigende Aussicht zu erwirken. Ich – hab' wenig Vertrauen, und glaube wohl, im Trachten nach Ruhe so allmählich mich aufreiben zu müssen, bis ich die rechte Ruhe finde. Doch habe ich Pflichten, die mich noch aufrecht erhalten: die Sorge giebt mir neues Leben. –

Weiter kann ich dem Kinde nichts von mir sagen: behalte mir aber vor, ganz artig wieder darüber zu lächeln, wenn man – vom falsch beurtheilten Anscheine getäuscht – vorzeitig glaubt gratuliren zu können, – wie mir das vor gar nicht langer Zeit einmal geschehen ist. –

Mein Kind, wohin ist das Glück der Calderon-Abende entflohen? Welcher Unstern hat mich um mein einzig würdiges Asyl gebracht? – Glauben Sie, was Sie auch anders lautend erfahren sollten, – als ich jenes Asyl verliess, war mein Stern dem Untergang geweiht; ich kann nur noch fallen! –

Nie – nie lassen Sie eine andre Meinung aufkommen! Halten Sie daran einzig fest! – Ich klage nicht, und verklage nichts: – das musste Alles so sein; aber, um mir immer gerecht zu bleiben, – vergessen Sie es auch nie! – Diess wollte ich Ihnen noch sagen: oh, prägen Sie es sich recht ein! –

Und nun grüssen Sie Otto bestens. Sein Hiersein in der bösen Zeit hat mich fast mehr bekümmert als erfreut, wiewohl ich von ganzem Herzen betheuren muss, dass seine Sorge und Theilnahme, sein ganzes Wesen mich tief gerührt hat. Aber ich konnte ihm so gar nichts Persönliches sein. Es war eine ewige Hetze, und das eigentliche Missglücken meines Unternehmens entschied sich so recht erst grade in der Periode seines Hierseins. In jenen Proben, in denen mir mein Werk immer fremder und unwiedererkenntlicher wurde, litt ich das Meiste. Die Aufführungen wirkten dagegen nur wie ganz physische Schläge, die mich aus meinem Seelenkummer nur zum Bewusstsein meines – traurigen Daseins weckten. Die Schläge selbst wirkten nur oberflächlich. –

Sagen Sie Otto auch, dass vermuthlich in der Leipziger Illustrirten nächstens ein Bericht von mir selbst über die ganze Pariser Tannhäuser-Angelegenheit zu lesen sein werde: ich hatte etwas Aehnliches einem Verwandten versprochen. –

Leben Sie wohl, Freundin!

Nächster Tage muss ich auf ganz kurze Zeit nach Karlsruhe und dann schnell wieder zurück, weil ich hier noch gar zuviel zu ordnen habe. –

Mit tausend Grüssen!

R. W.


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