Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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131.

Biebrich, 12. März 1862.

Ich schrieb Ihnen zuletzt einmal von Paris, Sie sollten von meinem Leben fortan wenig mehr erfahren, dafür nur noch von meinem Schaffen,Vgl. oben S. 293/4. weil das Erstere keine rechte Bedeutung mehr haben könnte. Wie aber nun, wenn ich nicht zum Schaffen komme, wenn mir nur das Leben zu thun macht? Dann muss es denn wohl solche bedenklichen Lücken geben, wie diesmal, wo ich auf Ihre Briefe, auf Ihr Geschenk, Sie so lange auf ein dankendes Lebenszeichen warten lassen musste? – Nun sage ich Ihnen denn auch heute nichts weiter, als: Morgen gedenke ich endlich meine Arbeit zu beginnen. Das war eine Unterbrechung von sechs Wochen, während welcher ich allerdings nur »gelebt« habe. Es war darnach! –

Jetzt bin ich hier völlig eingerichtet, habe zwei Zimmer auf ein Jahr gemiethet, Flügel, Bücherschrank, das berühmte Ruhebett, die drei römischen Kupferstiche und das alte Nibelungenblatt. Vorm Schreibtisch hängt auch die Photographie vom grünen Hügel: in einem Fenstererker der Palazzo Giustiniani. Die Lage ist ausserordentlich schön: dicht am Rhein, dem Schloss zur Seite, in einem ganz alleinstehenden Hause, das Gott vor weiteren Bewohnern bewahren möge! Es ist auf Speculation sehr schön gebaut und enthält eine ganz wunderhübsche grosse Wohnung, in welche ich gern etwas anständiges wünschte. Schöner, sehr geräumiger Garten: aus dem Park und von der Insel gegenüber singen die Vögel um die Wette: die Nachtigallen sollen ihrer Zeit zahllos sein, und völlig betäubend werden. So will ich denn hier mein Meistersinger-Schicksal erwarten!

Schönen Dank für den Brief, mit dem Sie mich eigentlich doch beschämten: Sie lasen zu früh, und schrieben mir zu früh! Sie hätten mich noch ganz im Winkel lassen sollen. Uebrigens merkte ich doch, dass Sie diesmal zum ersten Male ein Gedicht von mir durch Lectüre, nicht durch Vorlesung meinerseits kennen lernten! Auch das schwierige Manuscript hat Ihnen grosse Mühe gemacht. Ja, das ist etwas andres, wenn man sich allein selbst helfen muss. Ich hab' es nun mehremal vorgelesen, zuletzt Grossherzog's in Karlsruhe (Glasenapp II, 2, 362): die haben sehr gut zugehört, wenn auch noch lange nicht so wie das grosse Micky. Gerade über die Regeln der Tabulatur haben sie sehr lachen müssen: Sie, Kind! darauf ist's ja mit dem wunderlich pedantischen Kram abgesehen: lachen soll man. Zu den Walther-Liedern fehlt Ihnen die Melodie: die ist hier allerdings die unumgängliche Hauptsache: ich hab' die Verse nach der Melodie im Kopfe gemacht: die können Sie sich nun allerdings nicht denken. Hören Sie aber einmal, wie leicht das klingt; z.B.

Noten

Das Volk hört dann von der ganzen Sache nur die Melodie: mein Geheimniss erräth, wer kann. –

Zum ersten Mal las ich's am 5. Februar in Mainz bei Schott'sGlasenapp II, 2, 356. vor: es Ihnen zuerst vorzulesen, hatte ich aufgeben müssen. Doch musste ich für Sie einigen Ersatz haben, und schrieb vor meinem Fortgang von Paris nach Wien an Cornelius, von dem Sie mit der Zeit mehr erfahren werden, er müsse am 5ten Abends bei Schott's in Mainz sein, sonst würde ich ihn wieder »Sie« nennen. Nun ging's wie in der Bürgschaft her: Sie wissen, alle Flüsse waren übergetreten, viele Eisenbahnzüge gingen gar nicht mehr; völlige Gefahr überall. Macht Alles nichts: Schlag 7 Uhr am 5ten tritt mein Cornelius ein, und andren Tages reist er nach Wien zurück! Nun müssen Sie aber wissen, welch armer Teufel das ist; wie der sich mit Stundengeben quält, es monatlich auf 40 fl. zu bringen. Aber – er liebt mich sehr. Und Sie sahen, was ich auf ihn gebe. Schreiben Sie ihm, Kind: er liebt Sie auch. Er wohnt »Weissgärber-Pfefferhofgasse 30 Wien« und heisst »Peter Cornelius«, ist auch ein Neffe des berühmten Malers.

Nun leben Sie wohl, und seien Sie allerschönstens gegrüsst. Ich konnte erst heut' schreiben: ich hatte auf gute Laune zu warten. Adieu, mein Kind!

R. W.

P. S. Ach, das schöne Kissen! Sehen Sie, so 'was stecke ich nun ein, und sage gar nichts erst dazu! Schön verwöhnt!!


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