Richard Wagner
Richard Wagner an Mathilde Wesendonk
Richard Wagner

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117.

Paris, 27. Mai 61.

Soeben hier wieder angekommen, finde ich den lieben Brief des theuren Kindes vor, der mir, von Wien nachgeschickt, dort zu meinem Geburtstag mich erfreuen sollte. Unbeschreiblich schön war die Wirkung dieser Zeilen jetzt, wo das Wiedersehen dazwischen lag: ein Traum war Wahrheit geworden, um wieder in traumhafte Erinnerung aufgelöst zu werden!

So giebt es denn noch Mittel der freundlichsten Herzstärkung und Ermuthigung! Sie gehören uns, und wir gewinnen sie immer neu, weil unser Bewusstsein rein und frei. Gewiss, wir werden uns oft wieder begrüssen, und jedes Wiedersehen wird eine schönere, edlere Blume in den Kranz unsres Lebens flechten!

Tausend treue Grüsse von dem kurz Geschiedenen! –

In Karlsruhe habe ich nun recht angenehmen Verkehr mit dem Grossherzog gehabt: seine Freude über meinen fest verkündeten Entschluss, eine dortige Niederlassung jeder andren in Deutschland vorziehen zu wollen, war gross. Was er dazu beitragen kann, um mir zu einer geeigneten Wohnung zu verhelfen, wird er mit Eifer thun. –

Hier treffe ich noch Liszt, und werde ihn diesen Abend bei mir länger sehen ... – Im Uebrigen, mein Kind, sehe ich jetzt einer bösen, schwierigen Periode entgegen: möge ich Alles bis Anfang Juli, wo ich dann über den Rhein zurückgehen würde; glücklich hinter mir haben; diess ist mir zu wünschen! Einstweilen hilft mir der kleine Tausig, der mir richtig von Wien nachgereist ist und mich schon in Karlsruhe einholte, dann und wann zu einer lächelnden Laune. Ich betrachte ihn, als ob Sie mir ihn mitgegeben hätten. –

Und nun noch schönsten Dank für die hübschen Geschenke, die ich beim Schlafengehen fand und sorgfältig egoistisch alsbald zu mir steckte. Den Kranz liess ich Ihnen; ich weiss, Sie verwenden ihn schön!

Meinen herzlichsten Gruss an Otto und die Kinder! Dank und Liebe für Sie!

Ihr
R. W.


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