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Der Vesperglocken letzter Klang: es läutet.
Tritt in die Kirche ein, Weihwasser ist bereitet.
Wie wenig Menschen noch; wie kühl die Luft und rein
in dieser schwülen Zeit, als müßt es darum sein.
Sechs große Kerzen brennen, man trägt hervor
zum Segen die Monstranz. Da geht das Tor
der Sakristei halb auf; man sieht, der Dechant
mit den Chorknaben legt an das Meßgewand.
Schon naht der kleine Zug; die zwei Vorsänger halten
Hände mit dicken Gesangbüchern auf ihrem Leib gefalten.
Ein Glöcklein klingt, und der Priester im Talar
kniet vor dem gebührend geordneten Altar.
Ein Gebet mit so tief gemurmelter Stimm,
als zöge ein Flug von guten Engeln dahin.
Der Priester, sich bekreuzigend, nennt den Namen des Herrn,
und die Mesner, sich bekreuzigend, rufen an den Herrn.
Und jeder zum Preis der Dreieinigkeit
beginnt, David, den ungeheuern Psalm deiner Zeit:
»Der Herr spricht ...« »Ich will dich loben ...« »Wie glücklich die Heiligen sind ...«
»Mein Sohn, lobsinge dem Herrn ...«, nachzitternd im Wind
jener kriegerische und mystische Sang:
»Als Israel floh aus Ägypten ...«, der Klang
von dünnem Harmonium und breitem Choral!
Die Kirche ist voll. Es drückt überall.
Für den Gottesdienst und Sankt Peter fällt
für die Armen leis in die Büchse das Geld.
Magnifikat im Weihrauch hebt an!
Eine himmlische Sehnsucht hält alle im Bann.
Die Predigt, die ein ranziges Thema bestellt.
Man nickt ein, doch ohne daß es mißfällt.
Der alte Dorfheilige, von der Sonne beschert,
glänzt wie ein Maikäfer ganz verklärt.
Welch ein schöner Geruch, der wie Blumen alt
strömt in des lateinischen Sanges Gewalt.
Wie der Segen erteilt ist dem dienenden Hort,
geht jeder beglückter nach Hause fort.
Am Abend schmeckt das Essen; die Nacht bricht herein,
man schlummert schneller und angenehm ein.
Walter Hasenclever