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Das gute Lied

(La bonne chanson)

1870

»Die Morgensonne ...«

Die Morgensonne wärmt so wundersüß und hold
den Roggen, das Getreide, feucht in Tau und Gold.
Das Himmelblau hat noch die Frische seiner Nacht:
nun geh ich aus, bloß auszugehn: sacht, unbedacht,
den Fluß entlang, zu gelben Gräsern unter Erlen
auf einem Wiesenweg, noch naß umhaucht von Perlen.
Wie kräftig ist die Luft! Ein Vogel grüßt mich froh,
im Schnabel seine Beere oder einen Halm von Stroh.
Und lange bleibt sein Spiegelbild über dem Wasser.
Sonst nichts:
       dem Schwärmer aber ist ein blasser
Gefildemorgen so unendlich lieb und traut,
daß er in ihm den Traum von seinem Glück erschaut.
Es wiegen ihn Besinnungen an eine Maid,
die singend ihm erschienen war, in weißem Kleid.
Der Dichter träumt von ihr: sie ist uns allen nah.
Nun ruft er sie herbei, so mancher lacht beinah;
sie aber wird seine Gefährtin, wird die Seele,
die seiner Seele sich, herbeigeseufzt, vermähle.

Theodor Däubler