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(Amour)
1888
Geschrieben im Jahre 1875
Im lieblichsten Lande, bewegt von Gewässern und Hügeln,
bewohnte ich unlängst den besten, den schönsten Palast.
Vier Türme, vier Flügel besaß er, und ich war sein Gast,
wie lang! wie lang! in einem von diesen Flügeln.
Noch seh ich rot die Ziegelmauern leuchten
in der verschlafnen Landschaft Sonnenschein,
doch drinnen bedeckte wie mit einer weinenden, feuchten
Dämmrung die Kalkmilch weiß der Wölbung Stein.
O Wachsein des Augs, das zum Herzen zu sprechen gesinnt!
O Aufgang der Sinne, in Müde sonst immer betäubter:
du Ruhm der alten, Stolz der jungen Häupter!
Unschuld und Hoffart der Dinge! o Farbigkeit lind!
Bei gewundenen Treppen von Kupfer und eisernem Guß,
ein kärglich gemagerter Luxus, – dies – glaube mir – dies
bläuliche Weiß, das süß war (und es ließ
sich glänzender am Schwarz vom Mauerfuß):
es füllte sich tags mit der Lüfte und Schweigsamkeit Tau
für die Träume der Nacht, die sie träumt, von erbleichendem Blau.
Ein Gemach, wohl verschlossen, ein Tisch, ein Stuhl und ein Krug,
ein schlichtes Bett, das deines Schlummers wartet,
genugsam Licht und auch an Raum genug:
so war mein Los die Monde dort geartet.
Den Raum und die Monde und alles, – ich habs nicht beklagt.
Und auf dem Punkt, wo ich mich jetzt gewahre,
jetzt, wieder in der Welt, werd ich verzagt,
des Turms gedenkend und der beiden Jahre.
Dieser Tisch und der einzige Stuhl, dieses Bette so hart
war Frieden wahrhaft, dem gebührt der Kranz,
den du ersehnst, bist du du selber ganz,
dies Weiß der Wände und der Strahl, der zart
und dämmrig gleitend sanft in Farben bricht, –
ach, eurer Fenster greller Tag wars nicht!
Denn wozu dieser Pomp, der umsonst, und wozu das Betreiben
ermattender Spiele, dran das Elend klebt?
(und Elend ist der Schatz, den man ausgräbt)
wozu das Grauen vor dem Einsambleiben,
das heutzutag die Menschenhorde sticht,
als ob ihr Umgang reichte? – O Probleme!
Für Schätze dankbar, die kein Neider nähme,
war mir nicht Glück das Leben, war es nicht?
(O Herzerfrischung: keine Neider haben!
O Glück, unglücklicher scheinen als alle!) Ich teilte
die langen Tage, wo ich einsam weilte,
zwischen den beiden Gebern guter Gaben:
Gebet und Arbeit, – beim Handwerk davon mich erholend.
So auch die Heiligen! Auch mir ward vom Himmel mein Stück,
und bracht ich mir die nahe Zeit zurück,
wo ich ein Schelm war, weiter nichts, verkohlend
in üppiger Brunst, erbarmungslosen Possen,
begriff ich ganz das Gut, das ich genossen:
nicht dort mehr zu sein, nicht unter den Dingen des Marktes,
daran mich vergeudend, ein rollender Stein und verraten,
Mitschuldiger dennoch zu sein aller schwärzesten Taten,
nicht dort mehr zu sein! nein, ein Herz, ein verborgen erstarktes,
ein heimliches Herz, in der heimlichen Zahl, das im Schweigen
sich Gott zu eigen macht, Gott sich zu eigen.
Zu fühlen, wie man weise wird und gütig,
wie man vom Grund sich hoch nach oben schwang,
geregelt Ruck um Ruck in ebnem Gang,
so wächst das Korn, gesegnet klug, demütig.
Und sonst kein Zwang, und nichts, das Pein erregte.
Ein strenger Diener, tags dreimal vielleicht,
der schweigsam ging, hat Speise mir gereicht.
Kein Laut ... Im Turm sich nie etwas bewegte,
als im gestillten Herzen eine Uhr
mit schweren Schlägen. – Dies, o dieses nur,
dies war die Freiheit, die ohn Bürden ist,
die Würde wars, der Festigkeit nicht fehlte,
o Raum, verlassen kaum und schon vermißt!
Schloß! Zauberschloß! dort schuf sich meine Seele!
O kühler Ort, wo die Sinne, die fiebrisch ertosten,
stromabwärts gingen mit dem Blut ... Palast
bei Tage rot, und weiß im Schlaf: du hast
wie eine Frucht, die ich bekam zu kosten,
den Nachdurst meiner Fieber noch gestillt.
Sei mir gesegnet, Schloß, aus dem ich kam,
bereit zum Leben, mit der Sanftmut Schild. –
Es ist der Glaube, den ich mit mir nahm,
Brot, Salz und Mantel mir auf diesem Gange,
so einsam, rauh gewiß, und ach so weit,
durch den der Unschuld Gipfel ich erlange ...
Ursprung der Gnade, sei geliebt in Ewigkeit!
Albrecht Schaeffer