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Dichtkunst

Du sollst es nicht nach Regeln zwingen,
laß dein Gedicht im Winde wehn,
laß es gelöst zu Hauch zergehn:
Musik, Musik vor allen Dingen!

Wähl nicht das Wort! Mag sich verbinden,
was sich begegnet ungefähr!
Was nüchtern steht, ist plump und schwer.
Laßt uns berauschte Lieder finden.

Augen wie Schleier, sie verstecken,
den Mittag, wie sein Schweigen schwingt,
das Licht, wie's in der Nacht ertrinkt:
das wollen wir im Wort erwecken.

Wir wollen Farbe nicht, nur Schatten,
den leisen feinen Übergang,
die Schwingungen, den halben Klang,
daß Träume sich mit Träumen gatten.

Wie Gift meid schnöden Witz und »Geist«,
flieh die verruchten Mörder »Spitzen«,
darauf gespießte Silben sitzen,
den Knoblauch, der die andern speist.

Das Rückgrat brich der Rednerei
und halte deinen Reim im Zügel,
er trägt dich sonst mit frechem Flügel
in Schäferwölkchenbimmelei.

Wer wird ihm die Epistel lesen,
den taub ein Kind, ein Neger fand
und uns vererbt als Unterpfand,
daß taub und blöd ein Mohr gewesen!

Noch einmal denn: Musik! und nur
Musik! Und sei dein Vers die Seele,
die sich wie eines Vogels Kehle
tönend verbreitet im Azur.

Und sei dein Vers, wie durch die Saaten
im Morgentau der Frühlingswind
mit zärtlichem Geriesel rinnt ...
der Rest gehört den Literaten!

Richard Schaukal


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