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(Parallèlement)
1889
Sie schauten beide, wie die Schwalben flogen,
die eine bleich, tiefschwarz das Haar, die zweite
blond, rosig: ihre Hemden waren weite
goldblonde Wolken um sie, weich verzogen.
Und beide matt, vom Abend angezogen,
verschlangen stumm, indes in ganzer Breite
der Vollmond stieg, die Stille, Seit' an Seite,
dumpf glücklich als zwei, die sich nie betrogen.
So drückten sie mit schlaffen Hüften schauernd
sich gegenseitig, andre nur bedauernd,
so träumten vom Balkon die beiden Frauen.
Im Zimmer hinten, kaum vom Licht getroffen,
stand schwülstig, wie ein Bühnenthron zu schauen,
ihr Bett, zerwühlt und duftend und weit offen.
Herbert Eulenberg
Sie waren zwischen fünfzehn, sechzehn Jahren
und schliefen Bett an Bett in der Pension.
Da, eines schweren Abends, Herbst wars schon,
da lösten, erdbeerrosig wie sie waren,
die beiden Mädchen, zart, mit offnen Haaren,
ihr Hemd, ein Duft von Amber flog davon.
Die jüngste streckt und reckt sich, müde schon,
die Freundin küßt sie, lüstern und erfahren.
Dann stürzt sie ihr zu Füßen, dann wie toll
und taumelnd taucht sie, blind und wollustvoll,
den Mund in ihren blonden goldnen Schoß
bis in die grauen Schatten; und das Kind
zählt an den Fingern, lächelnd, ahnungslos,
die Walzer ab, die ihr versprochen sind.
Herbert Eulenberg
Die langen weißen Musselingardinen,
die in dem Schein des Nachtlämpchens, dem bleichen,
wie ein Opalgewog zu fließen scheinen
auf Schattengrund, geheimnisvollen, weichen –
am großen Bette dort von Adelinen,
die hörten, Kläre, deiner süßen reichen
Stimme Gelach und ihr als Antwort dienen
heiß eine andre Stimme ohnegleichen.
»Liebe! nur Liebe!« seufzten sie verschlungen ...
O Kläre, Adeline, eure Seelen
durften dem Himmel opfernd sich vermählen.
Liebt euch! ihr Lieben, vom Geschick gezwungen,
denn auch ihr müßt in diesen schlimmen Tagen
das goldne Mal der Ausgeschloßnen tragen.
Franz Evers
Die junge Frau im roten Haar, das lose
herabfällt, redet zu dem blonden jungen
Mädchen mit klug verführerischen Zungen,
und ihre Stimme bebt im Wortgekose.
»Steigender Saft du, hold erblühnde Rose,
dein Wuchs ist wie ein Buchenleib geschwungen.
Laß meine Finger irren in dem Moose,
wo zart die frische Knospe aufgesprungen.
O laß mich trinken unterm keuschen Grase
die Tropfen reinen Taus, der sie befeuchtet,
in dessen Glanz die zarte Blüte leuchtet –
damit dir, Liebste, selige Ekstase
die reine Stirn erleuchte und erfreue
wie Morgenrot die matte Himmelsbläue.«
Franz Evers
Darauf das Kind, ohnmächtig hingegeben
der sinnlichen Liebkosung ihrer trunken
stöhnenden Freundin, wollüstig versunken:
»Ach, ich vergehe, mein geliebtes Leben!
Ach, ich vergehe! ... Das entflammte Beben
von deiner Brust ist schwer auf mich gesunken,
du Stürmische; dein heißes Fleisch macht trunken,
das Wohlgerüche süß und stark umschweben.
Es hat dein Fleisch den Reiz, den dunklen, matten,
der sommerlichen Reifen, die betören
mit ihrem Ambraduft und ihrem Schatten.
Und deine Stimme tobt in Sturmeschören;
dein wildes rotes Haar zerfließt und blutet
hin in die Nacht, die langsam uns umflutet.«
Franz Evers
Im Wahn, die Augen hohl, mit starren Brüsten,
eilt Sappho, von der Sehnsucht angefressen,
wie eine Wölfin hin an kalten Küsten.
Sie denkt an Phaon, hat den heilgen Brauch vergessen,
sie sieht verschmäht, verachtet ihre Tränen
und rauft mit Fäusten ihre vollen Strähnen.
Dann ruft sie wach, krank von Gewissensbissen,
die Zeit des reinen Ruhmes ihrer Lieder
der holden Liebe, von der immer wieder
im Schlafe Jungfraun selig träumen müssen.
Sie schließt die Augen, machtlos hingerissen,
und springt ins Meer, ihr Schicksal zieht sie nieder,
indes die blasse Mondgöttin hernieder,
die Schwestern rächend, strahlt aus Finsternissen.
Franz Evers