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4.

Lüders hatte sich schnell entschlossen, dem Rat Ponks zu folgen und in dem Hause am Staten Island-Sund Wohnung zu nehmen. Den Gedanken aber, sofort hinzugehen, lehnte er ab, obwohl er sich durchaus nicht sicher fühlte. Aber Lüders war, nun er wieder Geld in der Tasche hatte, ein ganz anderer Kerl geworden. Gewisse Gefühle, die in der letzten Zeit in ihm erstorben waren, lebten auf einmal wieder auf. Darunter auch die Eitelkeit. O ja, Lüders, der an sich ein ganz hübscher Bursch war, wollte sich weit lieber in Gefahr begeben, als in diesem abgerissenen Zustand in ein Haus einziehen, in dem er sich vielleicht zwei Wochen lang aufhalten mußte. Da er keine Uhr mehr besaß, fragte er den Kellner nach der Zeit. Es war schon ziemlich spät, doch immerhin noch früh genug, um die notwendigste Kleidung und was er sonst brauchte, einzukaufen. Er trank schnell den Rest der Flasche aus und verließ das Lokal. Nicht weit entfernt war die Bowery-Street, wo es allerlei Geschäfte in großer Anzahl gab, vom feinsten Herrenmaßgeschäft bis zum elendesten Trödelladen. Nach einigem Suchen wählte Lüders ein Mittelding zwischen beiden. Er trat in ein Geschäft, wo man neben ganz neuen Kleidern auch solche kaufen konnte, die schon getragen, doch im Aussehen noch fast neu waren. Für verhältnismäßig wenig Geld kaufte er einen Gesellschaftsanzug und zwei Straßenanzüge. Im gleichen Geschäft bekam er Schuhwerk und Wäsche. Er zog einen der Straßenanzüge an, ließ sich die neugekauften Sachen in einen Karton und seine abgelegten in ein Stück Packpapier einpacken. Dieses Paket legte er eine Minute später in einem dunklen Torweg nieder. Mochte daraus werden, was wollte. Vielleicht fand irgend ein armer Teufel das Paket, der noch seine Freude an dem Plunder hatte.

Dann begab sich Lüders in eine Barbierstube, ließ sich das Haar kurz herunterschneiden, desgleichen den Schnurrbart abrasieren und war nun mit seinem rassigen Römerkopf, trotz seines schlechten Aussehens, ein so veränderter Mensch, daß sein Freund Ponks ihn sicherlich nicht ohne weiteres wiedererkannt hätte. Als er eine Stunde später in seine armselige Wohnung trat, da schlug seine Wirtin ihre Hände über dem Kopf zusammen: sie hatte ihn erst an der Stimme und einigen bestimmten Merkmalen wiedererkannt. Lüders war mit diesem Ergebnis sehr zufrieden, legte sich schlafen und verließ am nächsten Morgen in aller Frühe das Haus, um es nie wieder zu betreten.

Als er einige Stunden später vor dem Anwesen stand, das Ponks ihm bezeichnet hatte, nickte er sehr zufrieden vor sich hin. Es war eine hübsche kleine Villa, rings von einem schönen Garten mit stattlichen alten Bäumen umgeben. Das Anwesen lag an einer stillen, vornehmen Villenstraße und stieß mit der Rückfront dicht an den Sund. Eine hochgelegene Terrasse gestattete einen weiten Rundblick über den langgestreckten Wasserlauf und seine Ufer. Von der Terrasse aus führte eine Treppe bis zum Wasser. Dicht neben der Treppe ragte ein Pfosten aus dem Wasser, an dem ein winziges Segelboot in den Wellen schaukelte. Es herrschte tiefe Stille. Nur die Vögel sangen und ein leiser Sommerwind harfte in den von Sonnenlicht durchfluteten Zweigen der Bäume.

Es kam genau so, wie Ponks gesagt hatte: Lüders brauchte nur das Zettelchen vorzuweisen und er wurde aufgenommen wie ein langjähriger Freund des Hauses. Eigentümerin der Villa war Signora Amalia Luzatti, eine ältliche, ziemlich beleibte Dame, Witwe, gebürtig aus Verona. Ihr Gatte, der verstorbene Major Luzatti, war bei einer Forschungsreise in Tripolis ums Leben gekommen. Das alles erfuhr Lüders schon in der ersten halben Stunde seines Aufenthalts in der »Villa Amalia«, und zwar aus dem Munde der überaus gesprächigen alten Dame selbst. Mit ihrer romanischen Zunge sprach sie ein merkwürdiges Englisch, was aber nicht verhinderte, daß Lüders sie vortrefflich verstand. Er suchte sich bei der Dame des Hauses so angenehm wie möglich zu machen, was ihm auch bestens gelang. Er hatte eine ganz besondere Gabe, eitlen Damen Schmeicheleien zu sagen, und da die Signora für Komplimente aus dem Munde junger Männer eine Schwäche hatte, war sie entzückt von der Liebenswürdigkeit ihres Besuchers und vergalt sie ihm dadurch, daß sie ihm das schönste Zimmer des Hauses gab.

Endlich, nach fast zwei Stunden, befand Lüders sich in diesem Zimmer allein. Der Antrittsbesuch hatte ihn nicht unerheblich erschöpft. Mit einer Grimasse, die der geschwätzigen Dame galt, und einem tiefen Aufatmen, mit dem er einen ganzen Sorgenberg, der ihn seit Wochen bedrückt hatte, von der Brust wälzte, trat er ans Fenster und sog die reine Luft tief in sich ein.

»Hier ist gut sein«, murmelte er vor sich hin. »Weiß der Kuckuck, das Abenteuer gefällt mir immer besser. Ein gewaltiger Unterschied, diese Wohnung und meine letzte. Wenn nur nicht das wundersame Märchen ein plötzliches Ende nimmt.«

Sein eben noch so vergnügt lächelndes Gesicht wurde plötzlich ernst und nachdenklich.

»Ich möchte doch gerne wissen, was dieser Satan Ringstedt – Verzeihung, Herr Ponks –« er machte einer unsichtbaren Person eine entschuldigende Verbeugung –, »eigentlich mit mir vorhat. Aus Nächstenliebe oder alter Freundschaft setzt er mich bestimmt nicht in dieses gemütliche Nest. Jedenfalls verlangt er von mir wichtige Handlangerdienste in brenzlichen Geschäften.«

Er schnippte mit dem Finger durch die Luft.

»Warum soll ich darüber nachgrübeln? Ich werde das alles noch früh genug erfahren. Aber ich will die Augen offen halten und versuchen, in seine Geheimnisse einzudringen. Und wenn ich mal drin bin, dann soll es ihm nicht leicht werden, mich von sich abzuschütteln.«

Schneller, als er dachte, sollte er in die Lage kommen, gewissen Beziehungen des Herrn Ponks auf die Spur zu kommen, ohne daß dieser etwas davon ahnte.

*

Fast eine Woche lang befand sich Lüders schon im Hause der Signora Luzatti. Innerhalb dieser Zeit hatte er mehrere wissenswerte Dinge herausgebracht. Wenn er im Anfang geglaubt hatte, er sei der einzige Gast im Hause, so hatte er sich geirrt. Außer ihm wohnte dort noch ein Herr, der schneeweißes Haar und einen ebenso weißen Bart trug. Dieser Mann kam und ging immer nur zu Zeiten der Dämmerung oder Dunkelheit. Sein Gang war der eines Greises, der sich nicht mehr recht sicher auf den Füßen fühlt. Dessenungeachtet hatte dieser Mann in seinem Gang etwas so eigenartiges, daß Lüders ihn eines Abends spät – die Mitternachtsstunde war schon vorüber – an seinem Gang wiedererkannte, als dieser Mann im Garten der Villa, vom Mondlicht hell beschienen, langsam auf und ab spazierte. Doch seltsam: jetzt trug er weder weißes Haar noch einen Bart und sein Gang hatte durchaus nichts Greisenhaftes an sich. Und nun wußte Lüders plötzlich, was es war, was ihm am Gang dieses Mannes so aufgefallen war; der Mann war ein Seefahrer oder doch wenigstens viel auf See gewesen, daß er sich den breiten, etwas steifen Seemannsgang angewöhnt hatte. Eine Verwechslung war ausgeschlossen – der weißhaarige Greis und dieser nächtlich spazierengehende Mann mit dem Seefahrergang waren ein und dieselbe Person.

»Dieses Haus scheint so eine Art Heim für unterschlupfbedürftige Menschen zu sein«, schmunzelte Lüders vor sich hin. Plötzlich trat in sein Gesicht ein Ausdruck von Bestürzung. »Oder – sollte der Kerl am Ende ein Detektiv sein, der mich verfolgt?«

Diesen Gedanken aber schlug Lüders sich gleich darauf wieder aus dem Sinn. Ponks hatte wahrscheinlich selbst am wenigsten Veranlassung, ihn in einem Hause unterzubringen, in dem solche Dinge möglich waren. Da war es schon wahrscheinlicher, daß jener Mann ebensoviel Ursache hatte, sich den Augen der Mitwelt zu entziehen, wie er.

Bemerkenswert aber war, daß die Anwesenheit dieses Mannes geheimgehalten wurde. Weder die Signora noch das Dienstpersonal erwähnten ihn je. Natürlich erschien der Geheimnisvolle nie zu gemeinsamen Mahlzeiten – denn solche gab es im Hause nicht. Es war zwar ein recht behaglich eingerichteter Salon vorhanden, in dem ein Flügel stand, auf dem aber nie gespielt wurde. Auch war eine Bibliothek vorhanden mit einer großen Anzahl von Büchern in allen Sprachen der Welt. Doch niemand schien in ihnen zu lesen. Lüders, der allem eifrig nachforschte, was ihm geheimnisvoll erschien, war zu den verschiedensten Tageszeiten im Salon anzutreffen und schien in den Tagen seiner Anwesenheit einen Teil des vorhandenen Lesestoffes verschlingen zu wollen. Was er erwartete und erhoffte, trat aber nicht ein: nie traf er im Gesellschaftszimmer ein anderes menschliches Wesen als die Signora. Da aber deren Gesprächigkeit und ein sonderbar lauernder Ausdruck in ihren Augen ihm bald auf die Nerven fielen, begann Lüders allmählich, diesen Raum zu meiden. Selbst das Mittag- und Abendessen, das er in den ersten Tagen mit Signora Luzatti zusammen eingenommen hatte, ließ er sich nun wie alle anderen im Hause auf sein Zimmer bringen. Niemand nahm ihm das übel, auch die Signora nicht. Ihre ein wenig aufdringliche Liebenswürdigkeit blieb immer die gleiche.

Inzwischen machte Lüders die Entdeckung, daß außer dem geheimnisvollen Seemann noch eine weitere geheimnisvolle Person im Hause lebte. Das war eine Dame von unbestimmbarem Alter, der er einst, ebenfalls in später Abendstunde, auf der Treppe begegnete. Er trug Hausschuhe mit Filzsohlen, die seinen Gang unhörbar machten. Um sich ein Buch aus dem Salon zu holen, vielleicht auch nur einem unbestimmten Drang gehorchend, stieg er ins Erdgeschoß hinab – und da kam die Dame ihm auf halber Treppe entgegen. Er war verblüfft. Da die Dame sich in einem mehr als zwanglosen Hauskleid befand, war es ihm sofort klar, daß er eine Hausgenossin vor sich hatte, von deren Anwesenheit er bisher noch nichts geahnt hatte. Trotz seiner Verblüffung gelang ihm eine leidliche Verbeugung und ein Gruß in englischer Sprache. Doch die Dame neigte nur ein wenig den Kopf, schweigend, und glitt eilig an ihm vorüber. Lüders blieb unwillkürlich mitten auf der Treppe stehen und blickte der Dame nach. Nur einen ganz kurzen Blick hatte sie ihm im Vorübereilen zugeworfen, doch dieser Blick war ihm bis ins Innerste gedrungen. Donnerwetter, hatte dieses Weib Augen! Ein fast männliches und doch nicht unschönes Gesicht. Kurzes, leicht gewelltes Haar, römischen Gesichtsschnitt, schwarze Funkelaugen. Schlanke Formen, doch sehnig und geschmeidig, und ein Gang wie eine Tigerin.

Lüders pfiff leise durch die Zähne.

»Auf dem gleichen Flur wohnt sie wie ich – und sogar Wand an Wand mit mir! – Lüders, alter Narr, laß dir dein Lehrgeld als Kriminalist wiedergeben!«

Ganz richtig war das nicht, denn er hatte kein Recht, sich darum einen Kriminalisten zu nennen, weil er mit den Kriminalisten in Fehde lag.

Er vergaß ganz den Zweck, der ihn auf die Treppe geführt hatte, und kehrte sehr nachdenklich auf sein Zimmer zurück.

Als Lüders am nächsten Tage die Signora mit einer Handarbeit im Garten sitzen sah, begab auch er sich dorthin, bat um die Erlaubnis, der Dame Gesellschaft leisten zu dürfen, was ihm mit größter Liebenswürdigkeit bewilligt wurde. Lüders war fest entschlossen, das Gespräch auf die geheimnisvolle Dame zu bringen, was er sich um so eher erlauben durfte, da er ihr ja auf der Treppe begegnet war. Nachdem man sich eine gute Weile über die verschiedensten Dinge unterhalten hatte, ging Lüders auf sein Ziel los und bemerkte, während er scheinbar ganz harmlos den Ringeln seiner Zigarette nachschaute, so beiläufig:

»Nebenbei, gnädige Frau, wir haben ja, wie ich bemerkte, eine höchst anziehende Hausgenossin.«

»Eine Hausgenossin?« fragte die Signora so erstaunt, als wüßte sie gar nicht, was eine Hausgenossin sei.

Darauf erzählte Lüders der Dame, unter welchen Umständen er gestern abend die – leider sehr flüchtige – Bekanntschaft der erwähnten Hausgenossin gemacht hatte. Signora Luzatti runzelte ein klein wenig ihre schwarzen, übermalten Augenbrauen und stichelte so eifrig, als müsse sie mit dem Erlös ihrer Arbeit eine vielköpfige Familie ernähren. Nach einer Weile hob sie ihre ein wenig zu runden Schultern und sagte:

»Ach so – ja – Sie sprechen von Ria Pombal.«

Lüders wartete auf weitere Enthüllungen. Und als solche ausblieben, meinte er:

»Auch der Name klingt sehr reizvoll. Wollen Sie mir nicht etwas mehr von der Dame mitteilen als nur ihren Namen?«

»Oh, ich weiß selbst nur wenig von ihr – auf Ehre. Sie ist Portugiesin und mußte wegen anarchistischer Umtriebe aus ihrem Vaterlande flüchten. Ich habe sie bei mir aufgenommen, weil ein Freund mich darum bat.«

»Herr Ponks?« fragte Lüders harmlos.

Die Signora warf ihm einen Blick grenzenlosen Staunens zu.

»Herr Ponks? Aber nein, wie kommen Sie nur darauf! Herr Ponks kennt die Dame gar nicht.«

»Glaub's und friß Stroh!« dachte Lüders. Laut aber sagte er: »So so – hm. Ich denke aber, meine Vermutung ist gar nicht so falsch, denn Herr Ponks hat mich doch auch bei Ihnen eingeführt.«

Frau Luzatti nickte ihm mit einem reizenden Lächeln zu. »Ja, das ist richtig. Und dafür bin ich ihm außerordentlich dankbar, denn Sie gefallen mir sehr gut. Ich habe selten einen so angenehmen Gast im Hause gehabt.«

»Das freut mich zu hören, und ich danke Ihnen sehr«, sprach Lüders mit einer Verbeugung. Dabei entging ihm keineswegs, wie geschickt die Signora das Gespräch von der »Anarchistin« Ria Pombal auf ihn, Robert Lüders, übergeleitet hatte. Im allgemeinen war er einer Schmeichelei aus Frauenmund durchaus zugänglich; in diesem Augenblick aber überwog die Neugierde seine Eitelkeit.

»Sie werden zugeben«, sagte er hartnäckig, »daß meine Vermutung, Herr Ponks sei dieser Freund, nach Lage der Sache einiges für sich hat.«

»Wenn Sie wünschen, gebe ich das gerne zu«, entgegnete sie sanft. »Ist Herr Ponks eigentlich schon lange Ihr Freund?«

»Seit zehn Jahren. Und der Ihre?«

»Oh, wir kennen uns noch nicht lange. Und zudem – der Ausdruck ›Freund‹ ist, was mich betrifft, wohl nicht ganz richtig. Ich lebe hier sehr einsam und Herr Ponks ist so liebenswürdig, mir hin und wieder einen netten Menschen als Gast herzusenden.«

»Überaus einleuchtend«, grinste Lüders.

»Ja, nicht wahr? Herr Ponks ist ein ausgezeichneter Charakter, den man unbedingt verehren muß. Nicht wahr, Sie schätzen ihn auch sehr?«

»Außerordentlich! Aber wollen Sie mich nicht mit Fräulein Ria Pombal bekanntmachen?«

»Sie ist nicht Fräulein, sondern Frau.«

»Ist das ein Hindernis, daß ich sie näher kennen lerne?«

»Ooh – n–nein – das gerade nicht. Aber – es hat wenig Zweck, denn Frau Pombal spricht nur portugiesisch. Nicht wahr, Sie sprechen diese Sprache nicht?«

»Leider nicht«, mußte Lüders zugeben. »Aber man kann sich mit Damen manchmal ganz ausgezeichnet unterhalten, ohne daß man auch nur ein Wort von der Sprache des anderen versteht.«

»O pfui, Herr Lüders! Lassen Sie sich um Gottes willen warnen! Herr Pombal ist ungeheuer eifersüchtig.«

»Tatsächlich?« rief Lüders lachend. »Ist er denn hier?«

»Hier? Wo meinen Sie?« fragte die Signora erstaunt.

»Nun, in Amerika – in Neuyork – in Ihrem Hause?«

Die Signora schüttelte zürnend den Kopf.

»Hören Sie, Herr Lüders, Sie sind heute gar nicht so nett wie sonst. Überhaupt, wie können Sie von mir verlangen, daß ich Ihnen die Geheimnisse einer Dame ausplaudere, die verfolgt wird und zurückgezogen leben muß!«

»Aber ich will sie doch nicht verfolgen! Im Gegenteil, ich will ihr helfen, zurückgezogen zu leben.«

»Sie zwingen mich, meine Ohren mit Baumwolle zu verstopfen!« rief die Signora und tat nun ernstlich böse.

Lüders lächelte begütigend und reichte der Dame zum dritten oder vierten Male seine Zigarettenschachtel, in die sie mit einem dankenden Lächeln hineingriff. Ihre Handarbeit hatte sie längst beiseite gelegt. Als er ihr Feuer gegeben hatte, sagte er: »Sie wollen mir also, wie ich sehe, nichts Näheres über Ria Pombal sagen. Schön. Morgen früh kaufe ich mir ein portugiesisches Wörterbuch. Morgen abend werde ich drei Dutzend Sätze sprechen können, mehr als genug, um auf eigene Faust Frau Pombals Bekanntschaft machen zu können.«

Frau Luzatti blies mit sichtlichem Behagen eine große Rauchwolke durch die Nase, was Lüders zum erstenmal bei einer Dame sah. Dann sagte sie mit emporgezogenen Augenbrauen:

»Ich kann Sie nicht hindern. Doch ich rate Ihnen, tun Sie es nicht. Sie haßt alle Männer der Erde und liebt nur ihren Gatten. Sie werden gewiß abgewiesen.«

»Aber wie können Sie mir zumuten, zu glauben, daß eine Frau, die einen Mann liebt, darum alle anderen Männer haßt! Wie wenig scheinen Sie Ihr eigenes Geschlecht zu kennen! Wenn eine Frau einen Mann liebt, dann ist sie in der Regel sehr geneigt, wegen dieses einen alle anderen Männer mit einem gewissen Wohlwollen zu betrachten.«

»Welch ein feiner Frauenkenner Sie doch sind!« rief die Signora mit einem bewundernden Lächeln. Lüders aber wollte es scheinen, als verberge sich hinter der Bewunderung eine nur ganz dünn verhüllte stachelige Ironie. Er ging aber darüber hinweg und tat, als merke er nichts davon, lächelte nur geschmeichelt.

»Aber auch, wenn Sie recht haben«, fuhr die Signora fort, »werden Sie bei Ria Pombal keine Erfolge haben. Sie ist eine außergewöhnliche Frau. Jedoch – tun Sie, was Sie wollen.«

Sie machte nun auf einmal ein so abweisendes Gesicht, daß Lüders wohl oder übel diesen Gegenstand verlassen mußte. Ein Versuch, wegen des geheimnisvollen männlichen Hausgenossen bei der Dame auf den Busch zu klopfen, scheiterte an ihrem zur Schau getragenen Nichtverstehenwollen. Da Lüders es für richtiger hielt, jenem Mann im geheimen nachzuspüren, wollte er sich diese Möglichkeit nicht durch Preisgabe seiner Entdeckung selbst verderben. Darum schwieg er. Er zweifelte nicht mehr im geringsten daran, daß Ponks das geheime Bindeglied all der seltsamen Erscheinungen in diesem Hause sei und daß zwischen ihm und der Signora Luzatti Beziehungen ganz eigener Art bestanden. Er stellte sich die nicht leichte Aufgabe, dieser Verbindung auf die Spur zu kommen, bevor er das Haus wieder verlassen haben würde.

*

Zwei Tage nach dieser Unterredung machte Lüders am späten Nachmittag einen Spaziergang an dem langgestreckten Ufer des Staten Island-Sund entlang. Er gelangte in das vornehme Villenviertel, wo viele der reichsten Bürger von Neuyork ihre Landhäuser, meist von großen Parks umgeben, errichtet hatten.

Lüders hatte sich auf einer Promenadenbank, die kreisförmig den Stamm eines gewaltigen Hickory umgab, niedergelassen, rauchte mit Behagen seine Zigarre und las eine Zeitung. Er las aber ohne viel Aufmerksamkeit. Da sein Befinden sich fast von Stunde zu Stunde besserte, war seine Stimmung ganz vortrefflich. Er glich in seiner Lebensführung zur Zeit ganz jenen glücklichen Leuten, die sich mit einem hübschen Vermögen aus dem hastigen Getriebe der Welt in eine stille genießerische Beschaulichkeit zurückgezogen haben und deren Lebenstage nun wie die Wellen eines von sanfter Brise bewegten Gewässers behaglich dahinfließen. Seine Wangen rundeten sich und bekamen eine frische, gesunde Farbe. Seine Augen hatten nun wieder ihren alten Glanz und seine Haltung war die eines Mannes, der nur auf Abenteuer wartet, um sie lachend zu bestehen. Er hatte Ponks nicht zu viel versprochen, als er sagte, binnen einer Woche wieder im Besitze seiner alten Kraft und Energie zu sein. Dennoch wollte er jenen bedeutungsvollen Besuch in den Geschäftsräumen der Anglo-Indischen Bankgenossenschaft noch um eine Woche hinausschieben – nicht nur, um dann ganz auf der Höhe zu sein, sondern auch wegen der Geheimnisse, die er im Hause der Signora Luzatti bis dahin noch zu enthüllen hoffte.

Während er so dasaß, den Rauch seiner Zigarre in die lindbewegte Abendluft blies und seinen Blick über die Spalten des Blattes gehen ließ, glitt über den Asphalt ein elegantes Auto heran und hielt gerade gegenüber vor der stattlichsten Villa des Strandes. Ein junger weißgekleideter Nigger, der mit gekreuzten Armen neben dem Fahrer saß, flitzte vom Führersitz herunter und riß den Schlag auf. Und wer war's, der aus dem Wagen heraussprang? Niemand anders als Ponks. Der Nigger legte seinem Herrn einen leichten Frackmantel über den Gesellschaftsanzug, nahm vom Polster des Wagens einen riesigen Blumenstrauß und eilte durch den Vorgarten seinem Herrn voran, um am Hause auf die Klingel zu drücken. Ein betreßter Diener öffnete die Türe, machte vor Ponks eine tiefe Verbeugung, und die Tür schloß sich hinter den beiden. Der schwarze Boy schwang sich wieder zum Wagenführer auf den Führersitz und das Gefährt glitt wie ein lautloser Traum in die tiefer werdende Dämmerung hinein.

Man kann sich denken, daß Herr Lüders diesem Vorgang mit einigem Interesse zugeschaut hatte. Er war so bei der Sache, daß ihm sogar die Zigarre ausging.

»Hm, hm – so, so – ei, ei!« meinte er, während er den Glimmstengel von neuem anzündete, »hier also verkehrt mein Freund und Gebieter, der Hort meiner Zukunft. Noble Bekanntschaften, weiß der Kuckuck! Muß doch sehen, wer in diesem fürstlichen Palaste wohnt.«

Er überschritt die Straße und las den Namen, der auf einem blitzenden Messingschild neben dem Toreingang angebracht war. »R. Darlington« stand da und nicht mehr.

»Darlington – Darlington –« murmelte Lüders, als müsse er sich den Namen ins Gehirn einhämmern. Nachdenklich kehrte er zu seiner Bank zurück.

»Damit weiß ich vorläufig noch wenig. Aber ich werde noch heute mehr erfahren. Madame Luzatti muß mir Auskunft geben.«

Er kehrte nach Hause zurück, entschlossen, wenn eben möglich, noch heute abend mit Signora Luzatti zu reden. Er hatte Glück. Als er in den Garten trat, sah er die Dame des Hauses. Sie stand auf der Terrasse, hatte die Arme auf das Geländer gestützt und blickte auf das Wasser hinab, wo im letzten Schein des Tageslichtes eine Unzahl Motor- und Segelboote sich bewegte. Als Lüders sie sah, stutzte er. Sie war nämlich nicht allein. Und wer war die Dame dicht an ihrer Seite, mit der sie so lebhaft sich unterhielt? Niemand anders als Ria Pombal.

»Der Mensch muß Glück haben«, grinste Lüders vor sich hin und ging ebenfalls in den Garten. Da er Schuhe mit Gummisohlen trug, merkten die Damen sein Kommen erst, als er dicht bei ihnen war. Wenn er glaubte, sie würden verlegen und ungehalten sein, so irrte er sich. Wenigstens merkte er nichts davon. Die Signora streckte ihm lächelnd die Hand entgegen; die Portugiesin blickte ihn fremd, gleichgültig und abweisend an.

»Robert Lüders«, stellte er sich mit einer tiefen Verbeugung selbst vor, nachdem er Frau Luzatti gebührend begrüßt hatte. Genau so wie neulich auf der Treppe neigte Ria Pombal nur den Kopf, ohne aber den Mund zu öffnen.

»Frau Ria Pombal«, machte die Herrin des Hauses bekannt, da es nun eben nicht anders ging. »Wir genießen den schönen Abend, indem wir das Leben und Treiben auf dem Strom betrachten. Leider müssen wir das schweigend tun, denn wir verstehen ja gegenseitig unsere Sprache nicht.«

»So eine alte Schwindeltasche!« dachte Lüders. Äußerlich aber lächelte er. Er hatte deutlich gemerkt, daß die beiden Damen sich sehr angeregt unterhalten hatten, sogar einige Worte hatte er vernommen. Leider gehörten sie einer Sprache an, die ihm unbekannt war. Portugiesisch aber war es nicht, darauf konnte er einen Eid ablegen.

»Wenn Sie Lust haben, können Sie in unserem schweigsamen Bunde der Dritte sein«, schlug die Signora vor.

Er hatte Lust. Nun standen sie zu dritt am Geländer, die Signora in der Mitte. Das Schauspiel auf dem Wasser war in der Tat reizvoll. Ein letztes Flimmern des scheidenden Tages lag auf den Wellen, die in allen Farben funkelten. Viele der Boote hatten schon ihre Lichter angezündet, Lichter in allen Farben. Ein Dutzend Fahrzeuge hatte sich zu einem Korso im kleinen zusammengetan. Die Boote waren mit Lichterketten verziert, Lautenspiel und Gesang ertönte. Lüders spitzte die Ohren: es waren Deutsche, die da in den Booten saßen. Und sie sangen deutsche Volkslieder. Natürlich, zu so gefühlvollen Dingen waren in Amerika nur Deutsche fähig.

Die Signora konnte sich an dem Lichterzug gar nicht satt sehen. Immer wieder machte sie Lüders auf neue Schönheiten, neue Farbenspiegelungen aufmerksam und er war so gutmütig, alles wunderschön zu finden und in ihre Begeisterung einzustimmen. Innerlich aber war er mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Er dachte angestrengt darüber nach, wie er mit der Portugiesin anknüpfen könne. Er hatte sich tatsächlich ein Wörterbuch gekauft und drei Dutzend Sätze bereits im Kopf. Sie gefielen ihm aber nicht recht für seinen Zweck. Und er überlegte, ob er an Ria Pombal die Frage richten solle: »Sah Ihr kleiner Bruder den roten Vogel?« oder »Haben Sie einen schönen neuen Hut oder eine leere Pfanne?« Da die anderen Sätze auch nicht viel geistvoller waren, fand er, daß er auf diese Weise nicht zu einer geeigneten Unterhaltung kommen würde. Etwas aber mußte geschehen. Und endlich wandte er sich kurz entschlossen zu der Portugiesin um, die, wie gesagt, an der anderen Seite der Signora stand.

Doch siehe – welch Wunder – der Platz war leer! Lüders machte ein dummes Gesicht. Es wurde ihm klar: während er, von der Signora in Anspruch genommen, andauernd nach rechts geblickt hatte, war Ria Pombal lautlos verschwunden.

»Was haben Sie eigentlich? Worüber wundern Sie sich so?« fragte die Signora mit erstaunlicher Harmlosigkeit.

»Wo ist denn Frau Pombal geblieben?«

»Ach ja, wahrhaftig – Frau Pombal! Sie scheint fortgegangen zu sein.«

»Ja, das scheint mir auch so«, meinte Lüders spöttisch. »Ahnen Sie, warum uns die Dame so meuchlings verlassen hat?«

»Ooh – vielleicht ist es ihr plötzlich zu kühl geworden.«

»Sehr wahrscheinlich, bei einer Temperatur von annähernd dreißig Grad«, grinste Lüders. »Mir scheint fast, Sie haben doch recht mit Ihrer Behauptung, Frau Pombal könne die Männer nicht leiden. Oder haßt sie mich mit ganz besonderer Inbrunst?«

»Aber nein, wie können Sie nur so etwas denken!« Mit einer weitausholenden Handbewegung wies die Signora diesen Gedanken weit von sich. »Sie müssen das verstehen: sie leidet sehr unter der Trennung von ihrem Gatten. In dieser Stimmung will sie von anderen Männern nichts wissen.«

»Sehr erklärlich«, nickte Lüders und mit der größten Unbefangenheit fragte er: »Hat Frau Pombal Ihnen das selbst gesagt?«

»Jeden Tag ein paarmal«, ging die Luzatti eifrig auf den ihr geschickt gelegten Leim.

»Aber Sie verstehen doch gegenseitig Ihre Sprache nicht«, grinste Lüders.

Die Signora errötete nur ein ganz klein wenig, dann machte sie ein beleidigtes Gesicht.

»Oh, welch ein schlimmer Mensch sind Sie! Am Anfang waren Sie so nett. Jetzt aber werden Sie immer unausstehlicher. Begreifen Sie denn nicht, daß Frauen unter sich solche Dinge auch ohne Worte zum Ausdruck bringen können?«

»Ach so – das kann am Ende möglich sein«, gab Lüders mit einem Zögern zu, das deutlich bewies, daß es ihm nicht einfiel, an diese Möglichkeit zu glauben.

»Es ist nicht nur möglich, es ist einfach so«, bestimmte Frau Luzatti. »Haben Sie Hunger? Sie möchten gewiß gerne zur Nacht speisen?«

»Im Gegenteil, ich möchte nichts lieber, als noch ein wenig mit Ihnen plaudern. Oder wird es Ihnen auch zu kühl draußen?«

»Nein. Aber dann müssen Sie hübsch artig sein und nichts sagen, worüber ich mich ärgern muß.«

»Ich verspreche feierlichst, von Frau Pombal kein Wort mehr zu sagen. Heute habe ich einen hübschen Spaziergang gemacht. Ich bin eine Stunde weit nach Süden den Strand entlang spazieren gegangen.«

Das war ein harmloser Gesprächsgegenstand, auf den die Signora begeistert einging.

»Nicht wahr, es ist eine herrliche Gegend hier!«

»Wunderbar schön, besonders an einem Abend wie heute. Und welch prachtvolle Anwesen es hier gibt! Ich sah da besonders eins – es fiel mir auf, weil dort eine Abendgesellschaft stattzufinden scheint. Wie heißt doch gleich der Besitzer – Pemberton – oder Robertson – nein, Darlington.«

Die Signora besann sich. Dann schüttelte sie den Kopf.

»Das große weiße Renaissancehaus mit den zwei Türmen«, half Lüders ihrem Gedächtnis. »Auf dem Rasenplatz vor dem Herrenhause ist ein großes Rosenbeet –«

»Ah, jetzt erinnere ich mich! Sie meinen das Anwesen des ehemaligen Großindustriellen Richard Darlington. O ja, das ist ein wunderbarer Besitz.«

»Warum sagen Sie, des ›ehemaligen‹ Großindustriellen? Ist er es nicht mehr?«

Die Dame schüttelte betrübt den Kopf.

»Nein. Denken Sie, er ist tot! Seit einem Jahre.«

»Ach so«, meinte Lüders gefühllos. »Dann wohnt jetzt wohl seine Witwe in dem schönen großen Hause allein?«

»Ganz allein, jawohl, mit einigen treuen Dienstboten. Sie ist die schönste Frau von Middlesex-City. Das heißt, so geht die Rede. Nach meinem Geschmack ist ihre Schönheit nicht so außerordentlich. Übrigens ist sie eine Landsmännin von Ihnen.«

»Eine Deutsche?« horchte Lüders auf. »Von wo stammt sie denn?«

»Das weiß ich nicht. Ich verkehre ja nicht mit ihr. Aber gesehen habe ich sie schon oft. Und wenn sie auch nicht gerade die schönste Frau von Middlesex-City ist, so ist sie doch eine sehr schöne Frau. Und unmenschlich reich. Man spricht von vielen Millionen.«

»Ah, ich verstehe. Also darum!« entfuhr es den Lippen Lüders.

»Was darum?« fragte Signora Luzatti neugierig.

»Oh – ich meinte nur –, darum wird sie sicher stark umworben.«

»Nein, eben nicht. Weil sie sich ganz zurückhält. Sie pflegt fast gar keinen Verkehr, wie man sagt. Auch wenn man wollte, könnte man ihr nicht das geringste nachsagen.«

»Aber auch in der Zurückgezogenheit der Dame scheint es Ausnahmen zu geben. Heute abend sah ich zum Beispiel, daß ein Auto vor dem Hause hielt und daß ein Herr im Gesellschaftsanzug, mit kostbaren Blumen versehen, ins Haus ging.«

»Nun ja, das kann ja sein. Kannten Sie den Herrn nicht?«

Hätte ihm jemand einen Stein an den Kopf geworfen, so hätte Lüders kaum verdutzter sein können als über diese unerwartete Frage. Mehr aber noch als die Worte verwirrte ihn der scharfe, fast inquisitorische Ton, in dem sie die Frage an ihn richtete, und der Blick, der sie begleitete.

»Ob ich ihn kenne? Aber Sie wissen doch, daß ich hier keinen Menschen kenne – ausgenommen Sie und Ihre Hausgenossen.«

»Auch jenen Herrn nicht? War es schon so dunkel?«

»Durchaus nicht, aber jener Herr war mir vollkommen unbekannt«, log Lüders. Im stillen aber dachte er: »Also weiß die verdammte alte Hexe, daß Ponks bei jener Frau Darlington verkehrt.« Nun war er sich darüber klar, daß er überaus behutsam zu Werke gehen mußte, um sich nicht zu verraten. Bevor er sich aber überlegt hatte, welche Frage er nun stellen wollte, erhob sich die Signora.

»Nun müssen Sie Ihr Abendessen einnehmen. Sie dürfen nicht verhungern, sonst macht Herr Ponks mir Vorwürfe.«

»Ich bin weit entfernt vom Verhungern«, brummte Lüders unzufrieden. »Ich habe nicht die geringste Lust, jetzt zu speisen.«

»Aber Sie müssen«, entschied die Signora. »Ich habe mich Herrn Ponks gegenüber verpflichtet, Sie wieder zu Kräften zu bringen. Darum haben Sie meinen Weisungen zu folgen. Also bitte, mein Herr!«

Sie bot Lüders lachend den Arm. Er machte ein saures Gesicht.

»Meinetwegen denn«, knurrte er, indem er ihr den verlangten Kavaliersdienst leistete. Beide begaben sich ins Haus. Wie stets in letzter Zeit ließ die Signora in Lüders' Zimmer auftragen. Obwohl er behauptet hatte, er hätte keinen Appetit, schmeckte es ihm anscheinend doch ganz ausgezeichnet. Nach dem Essen marschierte er mit einer brennenden Zigarre im Zimmer auf und ab und überlegte.

»Darüber also bin ich mir ganz klar«, murmelte er vor sich hin, »wenn Ponks sich in den Kopf gesetzt hat, die schöne Witwe über den Verlust ihres ersten Gatten zu trösten, mit anderen Worten, ihr zweiter zu werden, so wird es ihm gelingen. Ich möchte den Menschen sehen, der ihm auf die Dauer widerstehen könnte. Das nennt die Welt Glück haben! Lüders, alter Junge, wenn dir auch so 'ne Rose am Lebensweg erblühen würde! Aber so ein Glück ist selten. Schade, daß ich keine Aussicht habe, die Witwe Darlington persönlich kennen zu lernen. Ich bin doch äußerlich ein ebenso ansehnlicher Kerl wie Ponks. Wer weiß –. Aber das sind gefährliche Gedanken. Dieser Ponks steht mit dem Satan im Bunde. Wie er aus seinem Wagen stieg! Nicht anders als sei er der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Ja, ja, man muß was aus sich zu machen verstehen. Und das versteht der Bursche. Damit wird er ja auch das Rennen bei der Millionärin gemacht haben. Ja, mein lieber Herr Lüders, vorläufig können Sie mit Ponks noch nicht konkurrieren. Aber die Zähne zusammengebissen! Und losmarschiert! Weiß der Henker, ich hätte die größte Lust, morgen zur Anglo-Indischen Bankgenossenschaft zu gehen. Das Nichtstun fängt an mir langweilig zu werden –«


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