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Wiederholt habe ich sehnsüchtig die Griechen beneidet. Zuerst, mit zehn Jahren, weil sie nicht lateinisch lernen mußten, hierauf, mit zwanzig Jahren, weil ihnen der Onkel zum Geburtstag statt Webers zweibändiger Weltgeschichte ein kleines Bändchen Sklavinnen zum Präsent machte, endlich, mit dreißig Jahren, weil kein Mensch ihren Dichtern ein Techtelmechtel zumutete.
Lieben Sie die Zukunft? Ich für meinen Teil weiß nicht, ob ich sie liebe, denn ich kenne sie nicht. Aber ich glaube daran. Wirklich, in allem Ernst, ich glaube, es gibt eine Zukunft. Jedenfalls dürfen wir es, nicht wahr? als möglich annehmen, wir wären nicht die letzten Menschen auf Erden, sondern es kämen nach uns noch weitere zehn, zwanzig, hundert Menschengeschlechter, die Welt, nachdem sie ein paar Milliönchen Jahre gedauert, währe vielleicht noch einige kleine Dutzend Jahrtausende. Die Annahme ist nicht so unsinnig, nicht wahr?
Dies vorausgesetzt, so halten Sie jetzt bitte einmal das Ohr ans Telephon und horchen Sie, wie die Literaturgeschichte des dreißigsten Jahrhunderts – um in der Nähe zu bleiben – über unsere in den Grund und Boden hineinverkuppelte Literatur urteilt, – über das Liebesgewäsche, das Legionen von Schriftstellern in Myriaden von Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und Theatern jahraus jahrein von Gibraltar bis Hammerfest, vom Ural bis zur Sierra Nevada Milliarden von unersättlichen Lesern unermüdlich aufwarten, – über die Hunderttausende von Männlein, welche Europa und Amerika seit fünfzig Jahren mit Hunderttausenden von Weiblein bereits ineinander oder auseinandergekuppelt, unbeschadet der tröstlichen Bereitwilligkeit, annoch weitere fünfzig Jahre also fortzufahren, – über unser anspruchsvolles Hohelied des Techtelmechtels, das »Epos des neunzehnten Jahrhunderts« – über unsere niedliche Voraussetzung, daß jede, aber auch jede Erzählung, und jedes Theaterstück ohne Ausnahme, sei es Lustspiel oder Trauerspiel, handle es von heute oder von Mosis Zeiten, nur unter der Bedingung genießbar wäre, daß man ein Liebesgeschnäbel hineinwurste – über unsere Sucht, jedem großen Manne der Kunstgeschichte nachträglich ein Liebschäftchen in seinen Ruhm zu stricken, weil wir anders seiner nicht völlig froh werden könnten.
Hören Sie wirklich nichts? Nichts dergleichen wie »Klatsch für Klatschweiber« oder »eine Literatur wie von Kupplern für Kuppler«? Ich für meinen Teil höre es ganz deutlich. Nun, es tut nichts. Ich werde es Ihnen aufschreiben und gelegentlich einmal zuschicken.
Einstweilen, um Sie doch einigermaßen zu entschädigen, erlaube ich mir, Ihnen eine Handvoll von meinen eigenen Urteilen mit auf den Heimweg zu geben:
Ausführliche Darlegungen fremder Familienverhältnisse geduldig anzuhören oder anzulesen, ist weibisch; und an dem Bericht von fremden Liebesverhältnissen Vergnügen zu finden, ist nicht männlich.
Das Schmunzeln darüber, daß zwei sich kriegen, ist auf den Lippen der Frau liebenswürdig, weil mütterlich, auf den Lippen des Mannes widerwärtig, weil greisenhaft. Nämlich ein wahrer Mann, wenn er von einer Liebespaarung hört, schmunzelt keineswegs vergnügt, empfindet auch nicht die mindeste Rührung, sondern er ruft: »Was? die schöne X nimmt mit dem Esel vorlieb? jetzt ist sie abgrundtief in meiner Achtung gesunken!« So ruft er; hernach geht er hin und singt das Lied vom Fuchs und der Traube.
Das andächtige Getu und Gerede um eine personifizierte Gottheit der Liebschaften, um eine heilige »Liebe« an sich, welche ihre Herkunft von der Sinnlichkeit verleugnet und ihre Richtung nach einem Einzelmenschen verläßt, um vom allegorischen Himmel herab sämtliche Liebespaare, die da sind, die da waren, und die da sein werden, gerührt zu segnen, das ist ein eunuchenhaftes Gebaren.
Denn es gibt zwar wohl für die Frau, nicht aber für den Mann eine »Liebe« schlechthin. Wer da schreibt »die Liebe ist« – »die Liebe hat« – schreibt unmännlich. Der Mann liebt nicht ins Abstrakte, er liebt nicht die »Liebe«, sondern er liebt ein einzelnes bestimmtes weibliches Wesen, oder mehrere bestimmte weibliche Wesen, meinetwegen auch, wenn Sie's durchaus wollen, sämtliche bestimmten weiblichen Weisen, niemals jedoch die bloße Idee des Verhältnisses des liebenden Mannes zum liebenden Weibe. Ja, Liebesillusion, leidenschaftlichste, wahnsinnige Liebesillusion angesichts eines weiblichen Wesens, das ist männlich; im höchsten Grade männlich sogar, nämlich töricht. Dagegen eine destillierte heilige »Liebe« an sich, das ist ein hysterisches Postulat.
So, das wäre für den Anfang, damit Sie nicht etwa ungeduldig werden. Jetzt aber eine kleine Bitte. Können Sie mir nicht vielleicht zufällig sagen, wo Hekuba wohnt? Ich beginne mich nämlich allmählich für diese Dame unbändig zu interessieren.