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Aus der Staatsverfassung und der Geschichte der Hebräer werden etliche politische Lehrsätze abgeleitet.
Obgleich das Reich der Hebräer nach meiner im vorigen Kapitel dargelegten Auffassung von Dauer hätte sein können, so ist dennoch eine Nachahmung desselben weder möglich noch ratsam. Denn wenn Menschen ihr Recht auf Gott übertragen wollten, so müßten sie wie die Hebräer mit Gott ausdrücklich einen Vertrag oder Bund schließen, wozu nicht bloß die Einwilligung derer nötig ist, welche ihr Recht übertragen wollen, sondern auch die Einwilligung Gottes, auf welchen es übertragen werden soll. Nun hat aber Gott durch die Apostel geoffenbart, daß der Bund mit Gott ferner nicht mit Tinte, noch auf Tafeln von Stein, sondern mit dem Geiste Gottes in die Herzen geschrieben werde. Ferner dürfte eine solche Staatsform nur für Leute nützlich sein, welche für sich allein, ohne auswärtigen Verkehr leben, und sich in ihre Grenzen einschließen und von der übrigen Welt absondern wollen, nicht aber für solche, welchen der Verkehr mit andern Völkern ein Bedürfnis ist. Es kann daher diese Staatsform nur sehr wenigen Menschen von Vorteil sein. Wenn nun aber diese Staatsform nicht in allen Dingen nachahmenswert ist, so hat sie doch vieles gehabt, was in hohem Grade beachtenswert und dessen Nachahmung der Erwägung wert ist. Da es aber, wie schon bemerkt, meine Absicht nicht ist, eine gründliche Abhandlung über den Staat zu schreiben, so will ich über das meiste hinweggehen und nur das erwähnen, was meinem Zweck dienlich ist.
Dahin gehört, daß es dem Reiche Gottes nicht widerspricht, eine höchste Majestät zu wählen, welche das höchste Recht der Staatsgewalt besitzt. Denn nachdem die Hebräer ihr Recht auf Gott übertragen hatten, betrauten sie Moses mit dem höchsten Recht des Befehlens. Dieser besaß demnach ganz allein die Autorität, die Gesetze Gottes zu erlassen und aufzuheben, die Diener des Heiligtums zu wählen, zu richten, zu lehren, zu strafen, und überhaupt allen alles zu befehlen.
Ein weiteres ist, daß die Diener des Heiligtums, obgleich sie die Ausleger der Gesetze waren, dennoch nicht das Recht hatten, die Bürger zu richten, oder jemand aus der Gemeinschaft zu stoßen; dazu waren nur die vom Volk gewählten Richter und Oberhäupter zuständig. (S. Josua Kap. 6, V. 26; Buch der Richter Kap. 21, V 18; 1. Buch Samuelis Kap. 14, V. 24.)
Wenn wir ferner das Geschick der Hebräer und den Gang ihrer Geschichte ins Auge fassen, so wird uns manches Bemerkenswerte begegnen.
Erstens, daß es keine religiösen Sekten gab, als bis die Priester im zweiten Reich die Macht hatten, Verordnungen zu erlassen und die Regierungsgeschäfte zu betreiben, und damit diese Macht von Dauer sei, das Recht der Oberherrschaft sich anmaßten und später sogar nach dem Königstitel trachteten. Der Grund liegt auf der Hand. Im ersten Reich konnten keine Verordnungen den priesterlichen Stempel haben, da die Priester kein Recht hatten, Verordnungen zu erlassen, sondern nur auf Befragen der Staatsoberhäupter oder der Versammlungen die Antworten Gottes zu erteilen. Daher konnten sie damals nicht in die Versuchung kommen, neues zu verordnen, sondern sie beschränkten sich darauf, das Gewohnte und Hergebrachte durchzuführen und zu schützen. Denn auf keine andere Weise konnten sie sich ihre Freiheit selbst gegen den Willen der Staatsoberhäupter erhalten, als wenn sie die Gesetze unverändert aufrecht erhielten. Als sie aber auch die Macht erlangt hatten, die Regierungsgeschäfte zu betreiben und die Rechte des Staatsoberhaupts mit dem Priestertum vereinigt hatten, wollten sie ihren Ehrgeiz in der Religion sowohl wie in allem andern bethätigen, indem sie in allen Dingen ihre priesterliche Autorität geltend machten und tagtäglich in Bezug auf die religiösen Gebräuche, den Glauben und alles andere neue Verordnungen gaben, die ebenso heilig und von gleicher Autorität sein sollten, als die mosaischen. Das hatte zur Folge, daß die Religion zum unheilvollen Aberglauben herabsank und der wahre Sinn und die Auslegung der Gesetze verfälscht wurde. Hierzu kam, daß die Priester, als sie sich zu Anfang der Wiederherstellung des Reiches den Weg zur weltlichen Herrschaft bahnten, dem Volk in allem willfahrten, um es an sich zu ziehen. Sie billigten die Handlungen der Menge, ob sie noch so gottlos waren, und paßten die Bibel ihren schlechten Sitten an. Mit höchst bündigen Worten bezeugt dies Maleachi von ihnen. Er hatte die Priester seiner Zeit gescholten und sie Verächter des göttlichen Namens genannt, und fährt in seiner Strafrede also fort: »Die Lippen des Priesters bewahren das Wissen und das Gesetz wird aus seinem Munde verlangt, denn er ist ein Abgesandter Gottes. Ihr aber seid vom Wege abgewichen, ließet viele straucheln durch das Gesetz, den Bund Levi habt ihr zerstört, spricht der Gott der Heerscharen.« So fährt er fort, sie zu beschuldigen, daß sie die Gesetze nach ihrem Belieben auslegten, und nicht auf Gott, sondern nur auf die Person Rücksicht nahmen.
Nun konnten aber die Priester bei solchem Verfahren sicherlich nicht so vorsichtig zu Werke gehen, daß die klügeren Leute es nicht bemerkt hätten, und diese behaupteten daher mit immer größerer Offenheit und Bestimmtheit, daß keine andern Gesetze Geltung hätten, als nur die geschriebenen, daß man aber im übrigen die Verordnungen, welche die getäuschten Pharisäer (die nach Josephus in seinen Altertümern größtenteils aus dem gemeinen Volk bestanden) Überlieferungen der Väter nannten, nicht zu beobachten brauche. – Sei dem wie ihm wolle, so können wir nicht daran zweifeln, daß die Liebedienerei der Priester, ihre Fälschung der Religion und der Gesetze und die ungeheure Vermehrung der letzteren sehr starken und häufigen Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten gegeben hat, die niemals beigelegt werden konnten. Denn wenn die Menschen in der Hitze des Aberglaubens zu streiten anfangen und die eine Partei von der Obrigkeit unterstützt wird, so ist ein Ausgleich unmöglich und die Spaltung in Sekten ist unvermeidlich.
Zweitens ist bemerkenswert, daß die Propheten, also Privatpersonen, durch ihr freimütiges Ermahnen, Schelten und Verhalten die Menschen mehr erbittert als gebessert haben, die doch durch die Ermahnungen und Züchtigungen der Könige leicht zu leiten waren. Selbst frommen Königen waren die Propheten oft unerträglich wegen der Autorität, vermöge welcher sie beurteilten, welche Handlungen fromm, und welche gottlos gewesen wären, oder die Könige selbst zurechtwiesen, wenn sie in einer öffentlichen oder Privatangelegenheit gegen den Ausspruch der Propheten zu handeln wagten. Der König Asa, nach dem Zeugnis der Bibel ein frommer König, ließ den Propheten Hanania in die Stampfmühle pistrinum, die Stampfmühle, der Ort, wo das Getreide, vor Erfindung der Mühlen, in hohlen Klötzen oder Mörsern gestampft wurde. Später wurden solche Mühlen durch Pferde oder Esel getrieben, oder man schickte Sklaven zur Strafe hinein, die statt des Viehes die Mühle herumdrehen, also mahlen mußten. Daher aliquem in pistrinum tradere (Georges). Dem hebräischen Wort ביתהני הפכת entspricht die Übersetzung Spinozas am besten. Was die an Seltsamkeiten und Unrichtigkeiten reiche Kirchmannsche Übersetzung sich bei der Wiedergabe der vorliegenden Stelle durch: »Der König Asa etc. schickte den Propheten Ananias zu einem Bäcker« gedacht, hat, ist mir unerfindlich. Anm. des Übersetzers. bringen (s. 2. Buch der Chronik Kap. 16), weil er sich die Freiheit herausnahm, den König zu tadeln und zu schelten, wegen eines mit dem König von Syrien geschlossenen Bündnisses. Es finden sich noch andere Beispiele dieser Art, welche zeigen, daß dergleichen Freiheiten der Religion mehr zum Schaden als zum Vorteil gereichten; um von den großen Bürgerkriegen ganz zu schweigen, die aus diesem von den Propheten in Anspruch genommenen Recht entstanden sind.
Drittens ist bemerkenswert, daß, solange das Volk die Regierung inne hatte, nur ein einziger Bürgerkrieg vorkam, der aber vollständig erstickt wurde, und wobei die Sieger gegen die Besiegten so viel Mitleid hatten, daß sie sich alle erdenkliche Mühe gaben, denselben das ehemalige Ansehen und die ehemalige Macht wieder zu verschaffen. Als aber das Volk, das keinen König gewohnt war, die ursprüngliche Staatsform in eine Monarchie verwandelt hatte, nahmen die Bürgerkriege beinahe kein Ende und die Schlachten, die sie einander lieferten, waren von unerhörter Grausamkeit. So sind in einer einzigen Schlacht (was kaum glaublich scheint) fünfmalhunderttausend Mann vom Reiche der Israeliten durch die Truppen des Reiches Juda niedergemacht worden; in einer andern haben dagegen die Israeliten eine Menge Judäer niedergemetzelt, (die Zahl ist in der Bibel nicht angegeben,) den König von Juda gefangen genommen, sie zerstörten die Mauern Jerusalems beinahe ganz und gar, plünderten sogar den Tempel gänzlich (um die Maßlosigkeit ihres Zorns zu zeigen), und erst als sie, mit einer reichen den Brüdern abgejagten Beute beladen, sich am Blute gesättigt, Geißeln empfangen und dem König ein fast ganz verwüstetes Reich zurückgelassen hatten, legten sie die Waffen nieder, indem sie sich nicht auf die Treue, sondern auf die Schwäche der Judäer verließen. Und in der That brach, nach den wenigen Jahren, in welchen die Judäer sich erholt hatten, ein neuer Krieg aus, in dem die Israeliten wiederum Sieger waren, hundertundzwanzigtausend Judäer niedermetzelten, deren Weiber und Kinder, gegen zweihunderttausend, als Gefangene wegführten und abermals große Beute machten. Durch diese und andere in der biblischen Geschichte nur beiläufig erwähnten Schlachten aufgerieben, wurden sie schließlich ihren Feinden zur Beute.
Aber auch die Zeiten, in welchen sie sich des tiefsten Friedens erfreuen durften, lassen bei näherer Betrachtung einen großen Unterschied wahrnehmen. Vor den Königen nämlich gingen oft vierzig, einmal sogar (was übrigens nicht recht glaubhaft) achtzig Jahre ohne äußern und innern Krieg dahin. Als aber Könige an der Spitze standen, wurde nicht mehr wie früher um des Friedens und der Freiheit willen Krieg geführt, sondern des Ruhmes halber, und darum lesen wir von allen Königen, daß sie Kriege unternommen haben, den einen Salomo ausgenommen (dessen Vorzug, die Weisheit nämlich, sich mehr im Frieden als im Krieg bewähren konnte). – Hierzu kam ferner das unheilvolle Gelüste nach dem Thron, zu welchem die meisten nur auf sehr blutigem Wege gelangen konnten. – Endlich blieben auch die Gesetze während der Volksherrschaft unverfälscht und wurden viel strenger beobachtet. Es geht dies daraus hervor, daß es vor den Königen nur sehr wenig Propheten gab, welche das Volk ermahnten, während nach der Einführung des Königtums viele zu gleicher Zeit auftraten. Hat doch Obadjah deren hundert vom Tode gerettet, indem er sie verborgen hielt, damit sie nicht mit den andern getötet würden. Auch finden wir nicht, daß das Volk von falschen Propheten eher getäuscht worden wäre, als bis es die Herrschaft den Königen abgetreten hatte, denen die meisten Propheten nach dem Munde zu reden suchten. – Hierzu kommt noch, daß das Volk, dessen Sinn gewöhnlich je nach Beschaffenheit der Umstände übermütig oder niedergeschlagen ist, im Unglück sich leicht besserte und zu Gott bekehrte, die Gesetze wieder herstellte und sich auf diese Weise auch aus jeder Gefahr heraushalf. Die Könige dagegen, deren Sinn allezeit gleich hoffärtig ist und die sich nicht beugen können, ohne sich bloßzustellen, verharrten halsstarrig in ihren Lastern bis zum gänzlichen Untergang der Stadt.
Hieraus ergiebt sich aufs klarste:
Erstens, wie verderblich es für die Religion oder für den Staat ist, den Inhabern heiliger Ämter das Recht, Verordnungen zu erlassen oder Staatsgeschäfte zu betreiben, einzuräumen; daß vielmehr die Ordnung viel besser gewahrt bleibt, wenn dieselben so eingeschränkt werden, daß sie über alle öffentliche Angelegenheiten nur auf Befragen Antworten erteilen, im übrigen aber nur das lehren und üben, was allgemein angenommen und gebräuchlich ist.
Zweitens, wie gefährlich es ist, rein spekulative Dinge auf das göttliche Recht zu beziehen und Gesetze zu erlassen über Ansichten, über welche die Menschen verschiedener Meinung sind oder sein können. Denn eine Regierung, welche Meinungen als Verbrechen behandelt, ist eine tyrannische Regierung, da Meinungen zu dem unveräußerlichen Recht jedes Einzelnen gehören. Ja wo dies der Fall, da ist gewöhnlich die Regierung vielfach in der Gewalt der Volksaufregung. So ließ Pilatus Christum, dessen Unschuld er erkannt hatte, aus Nachgiebigkeit gegen die Aufregung der Pharisäer kreuzigen. Und um die Reichen aus ihren Würden zu vertreiben, fingen die Pharisäer Religionsstreitigkeiten an, und bezichtigten die Sadduzäer der Gottlosigkeit. Nach diesem Vorbild der Pharisäer haben überall die niederträchtigsten Heuchler, in ihrer Wut, die sie Eifer für das göttliche Recht nannten, die Männer verfolgt, welche durch Rechtschaffenheit sich auszeichneten, durch Tüchtigkeit hervorragten und daher den Massen mißliebig waren; indem sie nämlich die Ansichten derselben öffentlich verdammten und die Wut der wilden Menge gegen sie entflammten. Und dieses freche Gebahren kann, da es sich einen religiösen Anstrich giebt, nicht leicht gehemmt werden, namentlich da, wo die höchsten Gewalten eine religiöse Sekte, die sie selbst nicht gegründet, eingeführt haben. Denn in diesem Falle werden sie nicht als Ausleger des göttlichen Rechts betrachtet, sondern als Sektierer, d. h. als solche, welche die Lehrer dieser Sekte als die Ausleger des göttlichen Rechts anerkennen. Darum gilt gewöhnlich in dieser Beziehung das Ansehen der Obrigkeit beim Volke wenig, dafür desto mehr das Ansehen jener Lehrer, deren Auslegungen, wie das Volk glaubt, sogar Könige sich unterwerfen müssen. Diesem Übel zu steuern, giebt es für den Staat kein besseres Mittel, als das, daß er die Frömmigkeit und den Dienst der Religion einzig und allein in den Werken bestehen läßt, d. h. in der werktätigen Liebe und Gerechtigkeit, in allem andern aber jedem seine freie Meinung läßt. Doch hierüber später ausführlicher.
Drittens sehen wir, wie notwendig es sowohl für den Staat wie für die Religion ist, daß das entscheidende Urteil über das, was recht und unrecht ist, den höchsten Gewalten zustehe. Denn wenn selbst den göttlichen Propheten dieses Recht, über die Thaten zu urteilen, nicht eingeräumt werden konnte, ohne großen Nachteil für Staat und Religion, um wie viel weniger darf es Leuten eingeräumt werden, die weder die Zukunft vorhersagen noch Wunder verrichten können. Hierüber im folgenden Kapitel eingehend.
Viertens endlich sehen wir, wie verderblich es ist, wenn ein Volk, das nicht gewohnt ist, unter Königen zu leben und schon eine ausgebildete Gesetzgebung hat, einen Monarchen wählt. Denn weder das Volk wird eine solche Regierung, noch wird die königliche Autorität Gesetze ertragen können und Volksrechte, die eine Macht von geringerer Autorität gestiftet hat. Noch weniger wird die königliche Autorität sich angelegen sein lassen, diese Gesetze und Volksrechte in Schutz zu nehmen, zumal bei ihrer Abfassung auf einen König gar nicht Bedacht genommen werden konnte, sondern bloß auf das Volk oder den Rat, der die Regierung zu behalten glaubte. Durch die Verteidigung solcher alten Volksrechte müßte der König eher als Sklave, denn als Herr des Volkes erscheinen. Kommt nun zum erstenmal ein König an die Regierung, so wird er eifrig bemüht sein, neue Gesetze aufzustellen, die Rechte des Staats zu seinem eigenen Vorteil abzuändern und das Volk in eine so untergeordnete Stellung zu bringen, daß es den Königen nicht so leicht ihre Würde nehmen als geben kann.
Ich kann hier aber auch nicht mit Stillschweigen übergehen, daß es nicht minder gefährlich ist, einen Monarchen abzuschaffen, selbst wenn es in jeder Richtung feststeht, daß er ein Tyrann ist. Denn ein an die königliche Autorität gewöhntes und nur durch eine solche im Zaume gehaltenes Volk wird eine geringere Autorität verachten und seinen Spott mit ihr treiben. Es wird also, wenn es den einen beseitigt, sich in die Notwendigkeit versetzt sehen, wie ehemals die Propheten, einen andern zu wählen an die Stelle des früheren, und dieser wird dann auch wieder ein Tyrann sein müssen, wenn er auch nicht wollte. Denn mit welchen Gefühlen wird er wohl die vom Königsmord blutigen Hände der Bürger sehen, und hören, wie sie sich des Königmords als einer guten That rühmen? wenn sie denselben auch nur begangen haben, um an dem einen ein Beispiel aufzustellen. Wahrlich, will er König sein, und das Volk nicht als Richter des Königs und als seinen Herrn anerkennen, und soll sein Thron auf festen Füßen ruhen, so muß er den Tod seines Vorgängers rächen und seinerseits, um seiner selbst willen, ein Beispiel aufstellen, damit das Volk eine solche That nicht zu wiederholen wage. Nun wird er aber den Tod des Tyrannen durch die Hinrichtung von Bürgern kaum rächen können, ohne zugleich den früheren Tyrannen in Schutz zu nehmen und seine Thaten zu billigen, und so wird er denn ganz in dessen Fußstapfen treten. Daher kommt es, daß manches Volk zwar oft imstande war, seinen Tyrannen zu wechseln, aber nicht, ihn zu beseitigen und die monarchische Staatsform mit einer andern zu vertauschen.
Ein verhängnisvolles Beispiel hierfür hat das englische Volk gegeben. Es hat Gründe gesucht, welche ihm in seiner Meinung das Recht gaben, seinen Monarchen abzuschaffen. Es hat dies auch fertig gebracht; aber trotzdem war es nicht imstande, eine andere Regierungsform einzuführen, sondern nach vielem Blutvergießen war das Ende vom Liede ein neuer Monarch, nur unter anderem Titel (als ob es sich bei der ganzen Sache um nichts als den Namen gehandelt hätte). Und dieser neue Monarch konnte sich nur dadurch halten, daß er den königlichen Stamm mit Stumpf und Stiel ausrottete, die wirklichen und mutmaßlichen Anhänger des Königs tötete, und in den ruhigen Zeiten des Friedens, in welchen Aufstände eher zu befürchten sind, einen Krieg herbeiführte, damit sich das Volk mit diesem neuen Ereignis beschäftige und seine Gedanken vom Königsmord abgelenkt würden. Zu spät merkte das Volk, daß es für das Wohl des Vaterlandes nichts anderes ausgerichtet, als daß es das Recht des rechtmäßigen Königs verletzt und alle Zustände verschlimmert habe, und es beschloß daher, den geschehenen Schritt sobald als möglich wieder rückgängig zu machen und ruhte nicht, bis allenthalben die alten Zustände wieder hergestellt waren.
Vielleicht hält mir aber jemand das Beispiel des römischen Volkes entgegen, um zu zeigen, daß ein Volk seinen Tyrannen leicht abschaffen könne; ich glaube aber, daß dieses Beispiel meine Ansicht vollauf bestätigt. Wohl konnte das römische Volk viel leichter einen Tyrannen abschaffen und die Regierungsform ändern, denn das Recht, den König und seine Nachfolger zu wählen, stand dem Volke zu, auch hatte dasselbe (das aus aufrührerischen und verworfenen Menschen zusammengewürfelt war) sich noch nicht daran gewöhnt, Königen zu gehorchen; hatte es doch von sechs Königen, die es vorher hatte, drei umgebracht. Dennoch aber that es nichts anderes, als daß es für einen Tyrannen viele wählte, welche es beständig in unheilvolle Verwicklungen brachten, durch äußerliche und innerliche Kriege, bis zuletzt die Herrschaft wiederum einem Monarchen zufiel, der nur einen andern Titel führte, wie in England.
Was aber die holländischen Staaten betrifft, so haben diese, so viel ich weiß, niemals Könige gehabt, sondern Grafen, denen niemals das Recht der Herrschaft übertragen war. Denn die hochmögenden Staaten von Holland haben, wie sie in einer zur Zeit des Grafen von Leycester erlassenen Erklärung kund machten, sich stets die Autorität vorbehalten, diese ihre Grafen an ihre Pflicht zu mahnen, und sie haben sich auch die Macht gewahrt, diese ihre Autorität und die Freiheit der Bürger zu schützen, die Grafen zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie zu Tyrannen ausarten sollten, und dieselben dermaßen in Schranken zu halten, daß sie alles nur mit Bewilligung und Zustimmung der Stände thun können. Demnach ist das Recht der höchsten Majestät allezeit bei den Ständen gewesen. Nur der letzte Graf hat den Versuch gemacht, sie an sich zu reißen. Weit entfernt daher, daß sie von ihm abgefallen sind, haben sie vielmehr nur die alte, ihnen beinahe schon entrissene Regierungsform wieder hergestellt.
Durch die angeführten Beispiele wird also meine Behauptung vollauf bestätigt, wonach jeder Staat seine Regierungsform notwendig beibehalten müsse, indem dieselbe nur unter Gefahr des gänzlichen Untergangs geändert werden könne. Das war es, was mir der Mühe wert schien, bemerkt zu werden.