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LVIII.

Peregrine macht einen zweiten Versuch, der jedoch durch einen seltsamen Zufall mißlingt.

Der junge Mann gab jetzt seinem Kammerdiener, einem vortrefflichen Unterhändler bei Liebeshändeln, den Befehl auf dem Hofe einiges Stroh anzuzünden, sodann bei dem Zimmer der Dame vorüberzulaufen und mit lauter Stimme »Feuer! Feuer!« zu schreien. Dies geschah; der Lärm brachte die beiden Frauenzimmer einen Augenblick aus der Stube und Peregrine nutzte nun diese Gelegenheit, sich einstweilen in das Zimmer zu schleichen und sich hier unter einem großen Tische zu verbergen.

Als die Damen die Ursache ihres Schreckens vernommen hatten, kehrten sie wieder in ihr Zimmer zurück, wo sie nach einem kurzen Abendgebet sich entkleideten und niederlegten. Es läßt sich denken, daß dieser Auftritt, von dem Peregrine Zeuge war, nicht dazu diente, seine Begierden abzukühlen; sie wurden vielmehr dadurch dermaßen entflammt, daß er seine Ungeduld kaum so lange zu zügeln vermochte, bis er aus dem tieferen Athemholen der Gefährtin der Dame schloß, daß sie schliefe. Jetzt kroch er leise zu dem Bette der Schönen hin, ergriff sanft ihre Hand und drückte sie an seine Lippen. Die Dame hatte eben die Augen geschlossen und sich dem Schlummer überlassen, als sie hierdurch wieder aufgeweckt wurde. Erschrocken fuhr sie zusammen und fragte voll Bestürzung: wer da sey?

Peregrine bat sie jetzt mit der einschmeichelndsten Demuth, ihn anzuhören; er betheuerte ihr seine Liebe in so glühenden Ausdrücken, bezeigte ihr seine Reue über sein vorheriges Betragen so offen und demüthig, und bat sie so flehentlich, ihn nicht zu verstoßen und der Verzweiflung zum Raube zu geben, daß die schöne Flamländerin, auf deren Herz der Verführer einen nur zu tiefen Eindruck gemacht hatte, diesem Ungestüm nicht länger widerstehen konnte und auf dem Punkte stand, sich mit dem Stoßseufzer: »O Himmel, ich bin verloren!« seinen Wünschen hinzugeben, als ein wiederholtes Klopfen an die Vertäfelung auf der Seite des Zimmers, wo das andere Frauenzimmer schlief, ihrer bedrängten Tugend zu Hülfe kam.

Bestürzt über dieses Geräusch, bat die Dame jetzt Peregrine um Gottes willen, sich schnell zu entfernen, damit ihr guter Name nicht verloren gehe; da er ihr jedoch vorstellte, daß ihr Ruf noch weit größere Gefahr liefe, wenn er auf dem Rückwege entdeckt würde, so willigte sie endlich ein, daß er noch bleiben konnte, und Beide lauschten nun mit der höchsten Spannung auf das so unwillkommene Geräusch, das nichts anderes als ein fein ausgedachtes Mittel des Malers war, seine Dulcinea zu wecken, mit der er eine nächtliche Zusammenkunft verabredet oder wenigstens durch Zeichen festgesetzt hatte, die so gut wie eine wirkliche Verabredung waren. Die Nymphe, aus dem ersten Schlafe erweckt, verstand auch sogleich den Wink und sprang, den Vertrag treulich zu halten, leise aus dem Bette, öffnete eben so leise die Thüre, ließ ihren Verehrer herein und die Thüre dann hinter ihm offen, damit er sich desto leichter wieder zurückziehen könne.

Während aber jetzt der Maler noch damit beschäftigt war, sich der Kleider zu entledigen, in denen er gekommen, fiel es dem Kapuziner ein, doch einmal nachzusehen, ob Peregrine nicht vielleicht doch einen Versuch gegen den ihm anvertrauten Schatz gemacht habe. Er schlich demnach ganz stille nach dem Zimmer hin, das diesen Schatz verbarg, damit das Abentheuer ja nicht ohne sein Wissen vollbracht und ihm dadurch die Vortheile geraubt würden, die er noch von der Sache zu ziehen hoffte. Da er aber hier die Thüre nur angelehnt fand, so bestärkte ihn dies in seinem Verdachte, und er stand nun nicht an, ganz leise auf allen Vieren in das Zimmer zu kriechen. Eben hatte der Maler sich vollends ins Negligé geworfen und tappte im Dunkeln nach dem Bette seiner Schönen umher, als er von ungefähr die Hand auf die Glatze des Mönches brachte, der seinen Kopf unter den Fingern desselben wie ein Kreisel zu drehen begann. Ganz ungemein bestürzt hierüber, besaß Pallet weder Scharfsicht genug, den Vorfall zu begreifen, noch Entschlossenheit, seine Hand von dem seltsamen Gegenstande zurückzuziehen; ein heftiger Angstschweiß befiel ihn und er murmelte leise einige Stoßgebete her. Der Kapuziner war unterdessen des Gekrabbels auf seinem Haupte und seiner beschwerlichen Stellung müde geworden und begann sich allmälig aufzurichten, wobei er denn zu gleicher Zeit die Hand des Malers mit in die Höhe hob, dessen Schreck und Verwunderung über diese ihm unerklärliche Erhebung dermaßen wuchs, daß er alle Besinnung verlor. In dieser Verwirrung glitschte seine Hand über das Gesicht den Mönches herab, einer seiner Finger gerieth demselben in den Mund und wurde nun von dem Kapuziner so fest mit den Zähnen gepackt, als wenn ihn ein Schmied in seinen Schraubstock eingeklemmt hätte.

Schmerz und Angst erpreßten jetzt dem Maler ein lautes Geschrei; er vergaß alle Rücksichten und brüllte: »Mörder! Mörder! Feuer! Fußangeln! Helft, helft, lieben Christenleute! Um Gottes willen helft!« Dieses Geschrei setzte unsern Helden nicht wenig in Verlegenheit; er sah voraus, daß das Zimmer bald mit Zuschauern angefüllt seyn würde und voll Aerger, sich so schmählich um alle seine Hoffnungen gebracht zu sehen, sprang er auf und versetzte im Dunkeln dem Urheber dieses abscheulichen Lärmens, gerade in dem Augenblicke, da der Mönch endlich dessen Finger wieder losließ, einen so kräftigen Schlag zwischen die Schultern, daß Pallet laut brüllend zur Erde stürzte.

Peregrine zog sich nun eilig und unbemerkt in sein Zimmer zurück und war dann einer der Ersten, die unter dem Vorwande von dem schrecklichen Geschrei aufgeweckt worden zu seyn, mit Licht herbeieilten. Der Mönch hatte dieselbe Vorsicht gebraucht; er folgte Peregrinen auf den Fersen nach, sprach sein Benedicite und kreuzte und segnete sich voller Erstaunen. Zugleich traten auch der Doctor und der Hofmeister ein.

Man fand den Maler im Hemde auf dem Boden liegen, mehr todt als lebendig vor Schreck; er blies dabei auf seine linke Hand wie ein kleiner Junge, der sich die Finger verbrannt hat, und der Umstand sowohl, daß man ihn in diesem Zimmer fand, als die klägliche Stellung, in der er war, machten die Sache so komisch, daß der Doctor selbst sich eines Lächelns nicht erwehren konnte, und sogar das ernste Gesicht des Hofmeisters sich etwas aufheiterte, während Pickle ihm sein Befremden und seine Theilnahme zu erkennen gab, und sich, indem er ihn vom Boden aufhob, nach der Veranlassung dieses Abentheuers erkundigte.

Nur nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es Pallet, den Gebrauch seiner Zunge wieder zu erhalten. Er erzählte jetzt: böse Geister müßten in diesem Hause ihr Wesen treiben; sie hätten ihn auf eine unbegreifliche Weise in dieses Zimmer gebracht, um ihm hier die Qualen der Hölle ausstehen zu lassen. Einer dieser Dämonen habe sich seinen Fingern in der Gestalt eines weichen runden Balles genaht, der sich unter seiner Hand wie ein Globus umgedreht hätte; dann wäre das Wesen aber plötzlich zu einer riesenmäßigen Höhe emporgeschossen und habe sich in eine Maschine verwandelt, die seinen Finger so fest eingeklammert hätte, daß er wie angenagelt hätte dastehen müssen; nachdem er aber auf diese Art einige Minuten unsägliche Schmerzen ausgestanden, wäre die Maschine wie in der Luft zerschmolzen und er habe nun von der Hand eines Riesen einen Schlag auf die Schultern bekommen, daß er zu Boden gestürzt sey.

So wie der Priester diesen seltsamen Bericht vernahm, zog er ein Stück von einer geweihten Kerze hervor, zündete es an und begann Beschwörungsformeln zu murmeln; der Hofmeister glaubte dagegen, der Maler sey betrunken und äußerte diese Meinung unter Kopfschütteln; der Arzt aber ließ sich einmal so weit herab, einen Scherz zu machen, und indem er auf das Bette der Courtisane blickte, zu sagen: er glaube, daß hier wohl eher Fleisch und Bein, als ein Geist, den Maler verleitet hätte.

Die schöne Flamländerin lag während dem Allem ganz still vor Furcht und Erstaunen in ihrem Bette, ihre Stubengenossin dagegen, die sich gern von allem Verdachte rein waschen wollte, declamirte mit ungemeiner Zungengeläufigkeit gegen den Urheber dieses Lärmens. Sie behauptete: er habe sich unstreitig in der Absicht, einen Angriff auf ihr bestes Kleinod, ihre Tugend, zu machen, in das Zimmer versteckt, und es sey offenbar Gottes Finger, der ihn daran verhindert und für diesen ruchlosen Vorsatz gezüchtigt habe. Auf ihr ausdrückliches Verlangen, dem auch die Flamländerin beipflichtete, wurde der Maler nach seinem Bette geschafft, und als Alle sich aus dem Zimmer entfernt hatten, verriegelte die Französin die Thüre, fest entschlossen, diese Nacht weiter keinen Besuch anzunehmen. Peregrine wurde inzwischen fast unsinnig über das Scheitern seiner Hoffnungen; wie ein unstäter Geist schlich er die ganze Nacht auf dem Vorsaale umher, um wo möglich noch eine günstige Gelegenheit zu erlauern, wieder in das Zimmer zu kommen; aber der Tag brach an und zwang ihn, sich von seinem Posten zurückzuziehen, was er denn unter unzähligen Flüchen gegen den Dummkopf von Maler that, der ihm einen so schmählichen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.


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