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Sogar der Doctor ist vor Pickle's Schalksstreichen nicht sicher. Letzterer weiß ein paar Gaunern in Arras aus den Schlingen zu gehen.
Obschon dieser Vorgang Peregrinen sehr erfreute, so beschloß er dennoch, dem Arzte irgend einen Streich zu spielen, damit dieser nicht so sehr triumphiren möchte; in dieser Absicht theilte er Pallet, als sich dieser von seiner eingebildeten Krankheit wieder erholt hatte, einen Plan zu Repressalien mit, der diesem ungemein schmeichelte. Das Project war folgendes: der Maler und der Arzt schliefen in einem Zimmer, doch jeder in einem besondern Bette, und der Erstere wachte nun so lange bis er durch das Schnarchen des Andern von dessen festem Schlaf überzeugt war; dann schlich er leise zur Thüre und ließ Pipes herein, der, bereits mit allem Nöthigen versehen, auf der Lauer stand und dem er einen Theekessel mit warmem Wasser abnahm, dessen Röhre er hierauf vorsichtig unter die Decke des Doctors steckte und so unvermerkt einige Kannen Wasser in das Bette desselben laufen ließ.
Peregrine hatte es über sich genommen, die Andern am nächsten Morgen zu wecken; sowie der Tag graute, trat er mit lautem Halloh! in das Zimmer, worauf denn der Maler sogleich aus dem Bette sprang; der Doctor dagegen war nicht wenig bestürzt als er sich beim Erwachen ganz benetzt fand und zweifelte keinen Augenblick daran, daß dies von ihm selbst im Schlafe geschehen sey. Dies Schicksal war seiner Meinung nach mit seiner Würde und Gravität so wenig zu vereinen, daß er es nicht wagte, seinen Zustand zu entdecken, um so mehr, da er wohl wußte, wie begierig seine Gefährten diese Gelegenheit ergreifen würden, sich auf seine Kosten lustig zu machen; stand er aber auf, so war es völlig unmöglich, ihnen das Unglück zu verheimlichen; er blieb daher in der größten Verlegenheit ganz still liegen.
Seine Freunde, die diese von ihm angestellten Betrachtungen erriethen und sich an seiner Angst weideten, setzten sich inzwischen neben dem Bette nieder und ermahnten ihn, aufzustehen, worauf er ihnen erwiederte: da er sehr stark geschwitzt hätte, so könne er sich ohne Nachtheil nicht eher erheben, bis er ein frisches Hemde angezogen und sich seine Poren wieder geschlossen hätten, weshalb er sie bäte, die Mühe über sich zu nehmen und dafür zu sorgen, daß angespannt und die Rechnung beim Wirthe in Ordnung gebracht würde, dann wollte er, ehe dies noch beendigt sey, in reisefertigem Stande seyn.
Peregrine erwiederte ihm jedoch hierauf: Jolter habe die Abmachung der Rechnung übernommen und da die Bedienten bereits beim Wagen beschäftigt wären, so sey durchaus keine Zeit mehr zu verlieren. Mit diesen Worten klingelte er dem Diener des Doctors und gab ihm den Auftrag, seinem Herrn geschwind ein frisches Hemde zu bringen. Ehe der Bursche wieder kam, war es heller Tag geworden, und zugleich schickte Jolter und ließ melden, daß Alles bereit sey. Die Verlegenheit des Arztes wurde jetzt immer größer, um so mehr, da die Blicke seiner Gesellschafter zu seiner wahren Marter unaufhörlich an ihm hingen; dazu kam noch das Unbehagliche seiner Lage, indem er in seiner eigenen Lake zu liegen glaubte. Endlich des Zögerns müde, bediente sich Peregrine des Vorrechtes eines Freundes, und indem er den Doctor scherzend der Trägheit beschuldigte, nahm er ihm plötzlich die Bettdecke weg und legte ihn so in seinem schmachvollen Zustande zur Schau.
Als ihn der Maler in dieser Lage erblickte, hob er die Hände empor und rief mit erkünsteltem Erstaunen: »Gott erbarme sich! unser Freund ist des Todes! Alle seine Säfte sind ihm aus dem Körper gelaufen. Oder haben Sie etwa,« fuhr er zum Doctor gewendet fort, »eine Schüssel Sillikikabey verschüttet? Es riecht verteufelt stark nach Salmiak.« Peregrine aber, der sich vorgenommen hatte, den hochmüthigen Pedanten ganz zu demüthigen, hielt sich die Nase zu und fragte ihn: ob er diesem Zufalle oft unterworfen sey?
Die Bestürzung und Beschämung des neuen Pindar war unaussprechlich; ihn quälten alle Schmerzen einer gedemüthigten Eitelkeit, zugleich aber auch der Durst nach Rache gegen die Entdecker seiner Schmach, die, nachdem sie ihn lange genug verhöhnt hatten, endlich mit lautem Gelächter sich entfernten, und ihn seinen Betrachtungen überließen.
Hiermit noch nicht zufrieden, konnte sich aber der Maler, dessen Haupttugend Mäßigung nicht war, nicht enthalten, noch weiterhin einige boshafte Anspielungen auf den Unfall des Arztes zu machen, so daß die Sache auch dem Hofmeister zu Ohren kam, vor dem der Doctor es am Liebsten verborgen gehalten hätte und wodurch er denn nun den ganzen Weg mürrisch und verdrießlich wurde.
Dennoch versuchte er es, sein voriges Ansehn wieder zu erlangen, indem er von den römischen Heerstraßen sprach, als Jolter sie auf den gutgehaltenen Weg aufmerksam machte, auf welchem sie von Paris nach Flandern fuhren; allein Pallet, der jetzt in dem Wahne stand, die Oberhand über den Doctor zu haben, that sein Möglichstes, ihn zu demüthigen, indem er nicht allein manche bittere Bemerkung über die Selbstgenügsamkeit und Charlatanerie des Arztes von sich gab, sondern auch dessen Reden durch Wortspiele und komische Einfälle lächerlich zu machen suchte. Als der Doctor von dem Flaminischen Wege sprach, fragte ihn der Maler: ob dieser wohl besser gepflastert gewesen sey, als der flämische, den sie eben führen, und da der Erstere bemerkte: diese Straße sey zur besseren Fortschaffung der Artillerie nach Flandern, woselbst oft das Kriegstheater wäre angelegt worden, da versetzte Pallet mit großer Lebhaftigkeit: »O mein Herr Doctor! Es passiren wohl mehr Stücke von grobem Caliber diesen Weg, als der König von Frankreich vermuthet.« So fuhr er fort, aufgemuntert durch das beifällige Lächeln von Jolter und die schelmischen Blicke unseres Helden, den Arzt zu bekämpfen, und bald trat zwischen diesen beiden einstigen Freunden eine solche Bitterkeit ein, daß sie nie mit einander sprachen außer in der Absicht, sich in den Augen der Andern lächerlich zu machen.
Im Geheim gab sich der Arzt die möglichste Mühe, Peregrinen des Malers Albernheit und Unwissenheit vor Augen zu legen, während dieser ihn eben so beschwor, zu bemerken, wie sehr es dem Doctor an Geschmack und Lebensart gebräche, und Pickle stellte sich gegen Beide, als pflichte er ihren gegenseitigen strengen Beurtheilungen bei – die auch in der That vollkommen richtig waren – und ermangelte nicht, durch boshafte Einflüsterungen den Zwist unter ihnen noch immer mehr anzublasen in der Absicht, es bis zu offenen Feindseligkeiten zwischen ihnen zu bringen; doch schienen sie Beide vor gewaltsamen Handlungen einen solchen Abscheu zu haben, daß ihm seine Kunstgriffe lange fehl schlugen und er es zu nichts als hämischen Repliken unter ihnen zu bringen vermochte.
Ehe die Reisenden Arras erreichten, waren die Thore dieser Stadt bereits geschlossen, und sie sahen sich daher genöthigt, in einem sehr mittelmäßigen Gasthof in der Vorstadt zu übernachten, wo sie ein paar Officiere fanden, die nach Ryssel reisen wollten, und ein solch anmuthiges Benehmen zeigten, daß unser Held großen Anstoß daran nahm. Dennoch näherte er sich ihnen mit vieler Artigkeit und schlug ihnen vor, zusammen zu speisen; sie dankten indeß für diese Einladung und lehnten sie unter dem Vorwande ab, daß sie bereits für sich das Essen bestellt hätten; doch versprachen sie, nach der Mahlzeit ihm und seiner Gesellschaft aufzuwarten.
Dies geschah, und nachdem sie einige Gläser Wein getrunken hatten, boten sie Peregrine eine Parthie Quadrille zum Zeitvertreib an. Der Grund dieses Vorschlages wurde von unserm Helden leicht errathen; er merkte sogleich, daß sie ihn nur darum gethan hatten, um ihn und seine Gesellschafter zu rupfen; da er sich jedoch Geschicklichkeit und Scharfsicht genug zutraute, ihren Schlingen zu entgehen, so nahm er das Anerbieten an, und die Parthie kam augenblicklich zu Stande. Sie bestand aus dem Arzt, dem Maler, dem Officier, der den Vorschlag gethan hatte, und Pickle, denn der andere Fremde hatte sogleich erklärt, er spiele nicht. Dennoch nahm er, als man sich setzte, unter dem Vorwande, es mache ihm Vergnügen, dem Spiele zuzusehen, seinen Platz hinter Pickle, welcher seinem Cameraden gegenüber saß, kein so arger Neuling aber mehr war, um nicht die Absicht dieses plumpen Kunstgriffes zu durchblicken, vorläufig die Sache jedoch hingehen ließ, um ihren Hoffnungen zu schmeicheln, und dann ihre Strafe durch die getäuschte Erwartung desto nachdrücklicher zu machen.
In der That bemerkte er auch sehr bald durch einen ihm gegenüber hängenden Spiegel, daß der hinter ihm stehende Officier seinem Cameraden mancherlei Zeichen gab, über die sie früher mit einander übereingekommen waren und wodurch dann der Andere jedesmal wußte, was Pickle in der Hand hatte, und folglich leicht gewinnen konnte.
So vergönnte er ihnen die Früchte ihrer Industrie so lange zu genießen, bis sie einige Louisd'or gewonnen hatten, dann hielt er es aber für Zeit, der Sache ein Ende zu machen, und äußerte nun gegen den Officier auf eine sehr höfliche Art: daß es seine Aufmerksamkeit störe, wenn ihm Jemand in die Karten sähe, und daß er ihn daher bäte, sich einen andern Platz zu nehmen. Ohne allen Anspruch auf Lebensart zu verlieren, konnte der Fremde hiergegen nichts einwenden, und zog sich nun hinter den Stuhl des Arztes zurück; allein dieser erklärte ebenfalls sogleich: es sey bei ihm nicht Sitte, sein Spiel von Andern durchmustern zu lassen und da nun der Officier sich an den Maler machte, so lehnte auch dieser diese Nähe mit Kopfschütteln und einer wegweisenden Bewegung der Hand, die er mit den Worten: » Pardonnez moi.« begleitete, ab, welchen Ausruf er so oft und nachdrücklich wiederholte, daß der Andere sich endlich genöthigt sah, sich ganz zurückzuziehen.
Nachdem auf diese Art alle Ungleichheit im Spiele gehoben war, ging die Sache wie es das Glück mit sich brachte, und obschon der seines Beistandes beraubte Militär, einige gewandte Kunstgriffe anzubringen suchte; so sah er sich doch von den Andern so genau beobachtet, daß auch dies ihm fehl schlug. Sehr bald mußte er jetzt seinen früheren Gewinn wieder herausgeben; eine Sache, die ihm so unangenehm zu seyn schien, daß er dies nicht ohne vielen Wortwechsel that und es sogar versuchte, seinen Gegner durch hohe Worte einzuschüchtern, die jedoch unser Held mit solchem Feuer erwiederte, daß jener bald die Ueberzeugung erhielt, er sey hier an den unrechten Mann gekommen.
Das Fehlschlagen ihres Planes ging den beiden Herren nicht ohne hinreichende Ursache so nahe, denn allem Vermuthen nach war ihre Industrie im gegenwärtigen Augenblick das Einzige, worauf sie sich verlassen konnten, um ihre Reisekosten zu bestreiten. Sie waren am andern Morgen sehr früh auf den Beinen und da sie die Absicht hatten, denen, mit welchen sie zusammen übernachteten, zuvorzukommen, so bestellten sie, so wie die Thore der Stadt geöffnet wurden, Postpferde, die auch schon bereit standen, als unsere Gesellschaft sich sehen ließ. Die Cavaliere hatten unterdessen ihre Rechnung vom Wirthe begehrt, die dieser jetzt einem von ihnen mit Zittern und Zagen überreichte. Kaum hatte derselbe aber einen Blick auf die Summe geworfen, als er eine ganze Ladung von Flüchen ausstieß und fragte, ob es erlaubt sey so mit königlichen Officieren umzugehen? Sehr demüthig entgegnete der Wirth: er habe den tiefsten Respect vor Sr. Majestät und allem, was Höchstdenenselben angehöre, doch hätte er bei Niederschreibung seiner Rechnung nur durchaus das bemerkt, was seine Auslagen seyen. Diese Nachgiebigkeit schien den Uebermuth der Anderen nur zu vermehren: sie schworen, den Commandanten von Arras von dieser schändlichen Prellerei zu benachrichtigen, damit ein Beispiel statuirt und andern Wirthen gezeigt würde, wie sie Cavaliere behandeln müßten, und der arme Wirth, der sich vor den despotischen Behörden fürchtete, ließ sich zuletzt durch diese Drohungen so einschüchtern, daß er sie auf das Flehentlichste bat, die ganze Sache gut seyn zu lassen, und ihm die Ehre zu erzeigen, sich als Gäste zu betrachten, die er auf seine Kosten bewirthet habe. Diese Gunst wurde ihm nur mit vieler Schwierigkeit zugestanden; die Herren verwiesen ihm seine Betrügerei sehr ernstlich, ermahnten ihn in Zukunft mehr Rücksicht auf sein Gewissen und seine Gäste zu nehmen, und schärften ihm besonders ein, sich immer loyal gegen die Herren von der Armee zu benehmen. Dann schwangen sie sich auf ihre Pferde und ritten stolz von dannen, während der Wirth im Stillen Gott dankte, auf diese Art ein paar Gäste losgeworden zu seyn, denen es entweder an Lust oder an Mitteln fehlte, ihre Rechnungen zu bezahlen, denn die Erfahrung hatte ihm gelehrt, vor solchen Reisenden auf der Hut zu seyn, die gemeinhin den Wirth unter dem Vorwande: ihn für seine Prellereien zu bestrafen, in Contribution setzen, wenn er sich auch noch so willig finden läßt, sie ganz nach ihrem Belieben zu bedienen.