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II.

Sir Gamaliel lernt den Commodore Hawser Trunnion und dessen Gefährten, erst durch Beschreibung, dann durch eigene Ansicht, kennen.

Dieser gesprächige Wirth, Tunley mit Namen, ermangelte nicht, ihn sogleich mit den Charakteren aller Leute aus der Grafschaft bekannt zu machen, unter Andern beschrieb er ihm auch seinen nächsten Nachbar, den Commodore Trunnion, einen wunderlichen Heiligen.

»Der Commodore«, sagte Tunley, »und Ew. Gestrengen, werden gewiß in Kurzem ein Herz und eine Seele sein. Geld hat er wie Heu und spendabel ist er wie ein Prinz, d. h. so auf seine eigene Manier, denn er ist ein bischen ein wunderlicher Kauz, wie man zu sagen pflegt; und fluchen kann er – Gott steh' uns bei! – fluchen, daß sich die Balken biegen möchten; aber er hat so wenig Arges daraus, wie ein Kind an der Mutter Brust, darauf möchte ich wohl einen Eid ablegen. Ach! es würde eine wahre Herzstärkung für Ew. Gestrengen seyn, wenn Sie ihn einmal die Historie erzählen hörten, wie er mit einem Franzosen an einander war, Raa an Raa und Bord an Bord, und wie er ihn – Gott sey uns allen gnädig! – Stinkpötte, Traubenkugeln, Krähenfüße, Drathkugeln, und Enterhaken in's Schiff warf. O! er war zu seiner Zeit ein gewaltiger Held und hat in des Königs Diensten ein Auge und einen Hacken verloren.«

»Und dazu lebt er gar nicht, wie andre Christenmenschen, von uns Landhockern; er hat Garnison im Hause, als wäre er mitten in Feindes Land, und seine Leute müssen des Nachts heraus und Jahr aus Jahr ein Schildwache stehn. Um sein Haus geht ein Graben herum und darüber eine Zugbrücke; auf dem Hofe stehn ein Paar Böller, die beständig mit Blei geladen sind. Die Aufsicht hierüber hat ein gewisser Master Hatchway, dem als Lieutenant auf des Commodore Schiff das eine dicke Bein weggeschossen worden ist und der jetzt auf halben Sold steht und des alten Herrn Gesellschafter ist. – 'S ist ein kreuzbraver Mann, der Lieutenant, und ein Hauptspaßvogel, der sich in des Commodores Launen vortrefflich zu schicken weiß. Aber der alte Herr hat noch einen Liebling im Hause, den Tom Pipes. Er war Gehülfe seines Hochbootsmanns, und ist jetzt Aufseher über die Leute im Castell. Tom ist ein Mann von wenig Worten, aber ein prächtiger Kumpan, wenn's ein Spiel oder ein Liedchen zur Bootsmannspfeife gilt. In der ganzen Grafschaft giebt's keine so gute Pfeife!«

»Auf die Art lebt der Commodore auf seine eigene Manier, aber manchmal geräth er gewaltig in Zorn und ist ganz verteufelt in der Flucht, wenn ihm seine Anverwandten in's Haus rücken, denn einige von diesen sind hauptsächlich Schuld, daß er in See gehen mußte. Und sobald er einen Advocaten sieht, bricht ihm der helle Angstschweiß aus; er hat so einen Widerwillen gegen diese Leute, wie manche Menschen gegen die Katzen. Wahrscheinlich hat er einmal mit den Gerichten zu thun gehabt und tüchtig blechen müssen. Sonst scheren ihn auch noch die Poltergeister, und lassen ihn oft des Nachts nicht Ruhe, noch Rast. Sie machen manchmal so einen Zeterlärm in seinem Hause, daß man denken sollte alle Teufel in der Hölle – Gott steh uns bei – wären los.«

»Vor einem Jahre ohngefähr, plagten und quälten ihn ein Paar Geister die ganze, liebe lange Nacht. Sie kamen bis in sein Schlafzimmer und trieben allerlei Schabernack um seine Hängematte, denn ein Bette giebt's in seinen vier Pfählen nicht. Aber was geschieht? Er klingelt und schreit seine Leute heraus und sucht mit Licht allenthalben herum; doch da ist kein Poltergeist oder Teufel weder zu sehen, noch zu hören. Kaum waren aber er und seine Leute wieder zu Neste, so ging der Lärm mit dem bösen Feinde von neuem los. Der Commodore sprang jetzt in der Finsterniß auf, zog seinen Sarras und griff die beiden Unholde so tüchtig an, daß in fünf Minuten in seinem Zimmer Alles kurz und klein gehauen war. Ueber diesen Höllenlärm kam der Lieutenant ihm zur Hülfe und als Tom Pipes hörte, was die Glocke geschlagen hatte, da zündete er seine Lunte an, ging hinunter in den Hof, und brannte die Stücke los, um ein Nothzeichen zu geben. Weiß der Himmel! das ganze Kirchspiel gerieth in Angst. Einige bildeten sich ein, die Franzosen hätten eine Landung gemacht; Andere, das Castell wäre von Räubern überfallen worden. Ich meines Theils rüttelte zwei Dragoner aus dem Schlafe, die bei mir im Quartiere lagen; sie schwuren Stein und Bein, das müßten Contrebandierer seyn, die mit einer Abtheilung von ihren Leuten ins Handgemenge gerathen wären, und als Kerle, denen das Herz an der rechten Stelle saß, warfen sie sich auf ihre Pferde und jagten in der Kreuz und Quere herum.«

»Ach, lieber Herr! es sind jetzt gar schlechte Zeiten, und ein ehrlicher Mann kann sein bischen Brod nicht mehr verdienen, ohne sich vor dem Galgen fürchten zu müssen. Ew. Gestrengen Herr Vater – Gott hab' ihn selig! – das war ein ganz guter Herr, und hier im Kirchspiele geehrt, wie nur irgend eine Christenseele in der ganzen weiten Welt..... Sollten Ew. Gestrengen vielleicht einen kleinen Vorrath von feinem Thee oder ein Paar Anker aufrichtigen und veritabeln Nantscher brauchen, so stehe ich dafür, Sie sollen nach Wunsche bedient werden..... Doch, was ich sagen wollte! das Lärmen und Spektakeln im Hause dauerte bis zum hellen Morgen, wo man nach dem Pfarrer schickte; der beschwor die bösen Geister und bannte sie in's rothe Meer.«

»Seit der Zeit ist Ruhe und Frieden geworden. Zwar macht Master Hatchway aus der ganzen Sache nur einen Spaß und hat wohl hundert Mal auf dieser Stelle hier – Gott segne sie – zum Commodore gesagt: die beiden Poltergeister wären nichts als ein Paar Dohlen gewesen, die im Kamin heruntergefallen wären und im Zimmer herumgeflattert hätten; aber der Commodore, der nicht mit sich spaßen läßt, wurde hitzig und schwor bei allen Schock Donnerwettern, daß er so gut, wie irgend einer in den drei Königreichen, den Teufel von einer Dohle zu unterscheiden wisse. Zwar stritt er nicht ab, daß man die Dohlen am andern Morgen gefunden hätte, aber daß sie alle den Lärm verursacht hätten, davon wollt er nichts wissen..... Ich glaube, es lässt sich Vieles von beiden Seiten darüber sagen, doch bin ich auch gewiß, daß der Teufel überall umherschnuppert und spektakelt, wie man sagt.«

Diese eben so seltsame als umständliche Erzählung hatte nicht einen Zug in Sir Gamaliel Pickles Gesicht verändert, und als Tunley aufhörte zu sprechen, nahm er ruhig die Pfeife aus dem Munde, und sagte mit einem Blick voll Nachdenken und Ueberlegung: »Ich halte dafür, er ist von den Trunnions aus Cornwallis. Was für eine Art Person ist denn seine Frau?« »Frau!« rief der Andere, »Element! ich glaube, der würde die Königinn von Saba nicht heirathen. Blitz noch einmal! selbst seine Mägde leidet er des Nachts nicht in seiner Garnison; sie werden allemal, ehe man die Posten ausstellt, in ein Häuschen vor dem Graben getrieben. Gott sey der Seele von Ew. Gestrengen gnädig! Das ist ein erzwunderlicher Patron von einem Cavalier. Sie würden ihn schon gesehen haben, denn er pflegt alle Abende mit den Master Hatchway herzukommen und da stechen sie dann zusammen jeder ein Paar Kannen Rum aus; aber seit vierzehn Tagen hat ihn das verwünschte Podagra ans Haus gefesselt. Mir entgeht dadurch ein hübsches Stück Geld, das kann ich Ihnen versichern.«

Sir Pickle's Ohren wurden in diesem Augenblicke von einem Lärm so seltsamer Art berührt, daß er wirklich einen Augenblick seine Züge veränderte; ein sicheres Kennzeichen einer großen Erschütterung. Anfangs glichen die Töne, welche er vernahm, dem Wachtelschlag und dem Froschgequacke; als sie aber näher kamen, konnte man deutlich articulirte Laute unterscheiden, die mit großer Heftigkeit und in solchen Zwischenräumen ausgestoßen wurden, daß man glauben mußte, sie rührten von einem mit Eselsorganen versehenen menschlichen Geschöpfe her, das zu lärmen beginnt; denn es war weder Menschensprache noch Eselsgeschrei, sondern ein wunderbares Gemisch von beyden. Die Ausdrücke, deren man sich bediente, waren unserm ganz erstaunten Kaufmanne völlig unbekannt und er stand eben im Begriff den Mund zu öffnen, um Erkundigungen einzuziehen, als der Wirth in die Höhe sprang und freudig ausrief: »I potz Element! das ist ja, so wahr ich lebe, der Commodore mit seiner Gesellschaft!« – Zugleich wischte er mit seiner Schürze eilig den Staub von einem Armstuhle ab, der nach dem Feuer zu stand und zur Bequemlichkeit und Pflege des kranken Commodores heilig aufgehoben wurde.

Während er aber noch damit beschäftigt war, begann eine noch viel rauhere Stimme, als die erstere, zu schreien: »Holla! Heda! Wirthshaus!« Der Wirth stemmte jetzt die Hände gegen den Kopf, steckte die Daumen in die Ohren und schrie in demselben Tone: »Hillrah!« Von neuem brauste die Stimme: »Sind Anwälde am Bord?« – »Ne! Ne!« erwiederte der Gastwirth, und nun trat der Mann der Erwartung, auf seine beiden Gefährten gestützt, in das Zimmer. Er stellte eine Figur zur Schau, die in allen Stücken seinem seltsamen Charakter entsprach.

Der Eintretende war wenigstens sechs Fuß hoch, obschon er, durch seine Gewohnheit am Bord zu seyn, sehr gebückt ging; seine Gesichtsfarbe war schwarzbraun, und eine große Schramme quer über die Nase und ein schwarzes Tafftpflaster auf dem Auge machten seinen Anblick wahrhaft fürchterlich.

Sowie er sich niedergelassen hatte, stattete ihm der Wirth mit vielen Ceremonien seinen Glückwunsch zu seiner Genesung ab, dann aber eilte er, nachdem er ihm noch vorher den Namen seines Mitgastes zugeflüstert hatte, fort, um den ersten Gang des Lieblingsgetränks der drei Angekommenen in eben so vielen Kannen herbeizuschaffen.

Der Lieutenant setzte sich unterdessen an der blinden Seite seines Chefs nieder, während Tom Pipes, in Berücksichtigung des Rangunterschiedes, etwas weiter nach hinten zu Platz nahm. Nach einer Pause von einigen Minuten, begann Trunnion das Gespräch. Mit einem unbeschreiblich starren Blick auf den Lieutenant hob er an: »Hab' Euch doch immer, ich will verdammt seyn, für einen bessern Seemann gehalten, Hatchway! Bei so schönem Wetter unsre Chaise zuzumachen! Mord und Tod! sagt' ich's Euch nicht, wir würden auf den Strand treiben? Befahl ich Euch nicht, die Stangen einzuziehn und beim Winde zu segeln?«

»Das ist wahr,« versetzte der Lieutenant mit einem schelmischen Lächeln; »aber erst nachdem Sie uns wie toll und blind auf einen Pfosten getrieben hatten, daß der Wagen da lag, so lang er war, und nicht mehr aufgerichtet werden konnte.«

»Was! ich hätte Euch wie toll und blind auf einen Pfosten getrieben? Verflucht! Ihr seyd ein rechter Hund, mir dies ohne alle Schaam und Scheu unter die Augen zu sagen! Habe ich den Kurs der Chaise gerichtet? stand ich am Steuer?«

»Das nicht, am Steuer standen Sie nicht, aber den ganzen Weg lang gaben Sie die Richtung, und da Sie nicht sehen konnten wie's Land lag, weil Sie auf Ihren Backbordsauge blind sind, so saßen wir auf dem Strand, bevor Sie das Geringste davon merkten. Pipes, der auf dem Spiegel stand, kann bezeugen, daß es wahr ist, was ich sage.«

»So will ich doch gleich des Teufels seyn, wenn ich mir aus Eurem und Pipes dummen Schnack soviel mache als aus einem aufgetrieselten Tau! Ihr seyd ein Paar Rebeller, seyd Ihr! Mehr will ich nicht sagen; aber merkts! auf der Nase lasse ich mir von Euch nicht spielen. Verflucht! ich bin der Mann, der Euch Jack Hatchway wieß, wie man einen Schiffstau splizen und eine Perpendicularlinie aufrichten muß.«

Der Lieutenant fand es, sehr gut wissend, wie tief das Schiff seines Capitains im Wasser ging, nicht gerathen, weiter in dem Streite fortzufahren, sondern griff jetzt nach seiner Kanne und trank auf die Gesundheit des Fremden. Gamaliel erwiederte diese Artigkeit sehr höflich, wagte es aber nicht, sich in die Unterhaltung zu mischen, und so entstand eine ziemliche Pause, die Master Hatchway dazu anwendete, seinen Witz in allerlei thätigen Spöttereien gegen den Commodore zu üben, die einzige Art, wie man sich ohne Gefahr mit ihm einlassen konnte.

Da er sich ganz ausser dessem Gesichtskreise befand, so plünderte er in aller Sicherheit seine Tabacksdose, trank ihm seinen Rum weg, schnitt ihm Gesichter und dergl.; Dinge, die den Zuschauern, selbst Sir Pickle nicht ausgenommen, der über die Geschicklichkeit dieser Seepantomimen ungewöhnliche Zeichen von Zufriedenheit äusserte, kein geringes Vergnügen machten.

Der Unwille des Commodors hatte sich unterdessen nach und nach gelegt; es beliebte ihm, den Lieutenant bei dem Liebkosungsnahmen Jack zu rufen und ihn aufzufordern, die auf dem Tische liegende Zeitung zu lesen. Der Lieutenant übernahm sogleich dies Geschäft und las nun, nach einigen andern Sachen, mit einer Erhöhung der Stimme, die etwas Außerordentliches zu verkündigen schien, Folgendes: »Wie wir vernehmen, so wird Admiral Bower, wegen der großen Dienste, die er im letzten Kriege geleistet, zumal wegen des letzten Treffens, das er der französischen Flotte geliefert hat, nächstens zur Pairswürde erhoben werden.«

Trunnion saß bei dieser Nachricht wie vom Donnerschlag gerührt da; das Glas entsank seiner Hand und zerbrach; sein Auge glänzte, wie das Auge einer Klapperschlange, und es verstrichen einige Minuten, eh' er in die Worte auszubrechen vermochte: »Halt! den Artikel noch einmal!« Kaum hatte ihn Hatchway zum zweiten Male hergesagt, da schlug Trunnion mit beiden Fäusten auf den Tisch und schrie unter den Ausbrüchen der heftigsten Wuth: »So will ich doch an Leib und Seele verdammt seyn, wenn's nicht durch und durch erlogen ist! Es ist eine Lüge! das will ich behaupten von der Bogsprietsraa an bis zur Besansraa. Blitz und Donner! William Bower, Pair des Königreichs! So ein Bürschchen, der mit genauer Noth einen Mast von einer Krippe zu unterscheiden weiß! So ein Junge, der auf meine Ordre schultern mußte, weil er Eier aus den Hühnerkörben gemaust hatte! Was? und Hawser Trunnion, der ich ein Schiff commandirte, eh' Jener noch eine Rechnung machen konnte, der wird auf die Seite gestellt, seht Ihr's, Ihr Leute, und vergessen? O, wenn's so steht, dann ist in unserer Verwaltung eine Planke verfault, die niedergehauen und ausgebessert werden muß, oder ich will verdammt seyn! Seht Ihr's, ich bin keiner von den indischen Ferkeln; ich bin nicht durch Parlamentsvorschub oder ein schmuckes Weibsbild in die Höhe gestiegen! ich bin nicht besseren Kerlen über die Bäuche weggeklettert; habe nicht auf dem Oberlof in einem bunten Wamms herumstolziert, mit Troddeln behangen und allerlei Trararum an den Aermeln. Bei Gott! ich hab' mir's müssen rechtschaffen sauer werden lassen und bin alle Dienste am Bord durchgegangen, vom Küchenjungen an bis zum Capitain. Hier, Tunley, Ihr Hund! habt Ihr die Hand eines Seemanns drauf!«

Mit diesen Worten beehrte er den Wirth mit einem so freundschaftlichen Händedruck, daß dieser in ein lautes Gebrüll ausbrach, eine Sache, die dem Commodore unendliches Vergnügen machte. Seine Gesichtszüge wurden bei diesem deutlichen Beweise seiner Kräftigkeit etwas milder und er fuhr nun in einem weniger heftigen Tone fort: »Von dem Treffen mit den Franzosen wird ein gewaltiger Spektakel gemacht und es ist doch, bei meiner Treu! nichts als ein lumpiges Bootsgefechte gewesen. Da war der alte Roock und Jennings und noch einer, den ich nicht nennen mag – ich will verdammt sein, wenn ichs thu! – die wußten, was fechten heißt. Ich, meines Theils, gehöre nicht zu den Leuten, die sich selbst herauszustreichen verstehn; aber, wenn's meine Sache wäre, mein eignes Lob auszuposaunen, da müßten alle die Bürschchens, die jetzt ihre Nase so hoch tragen, einpacken; sie würden sich schämen müssen, ihre Flaggen wehen zu lassen, oder ich will verdammt seyn! Ich schlug mich einmal vier ganze Stunden lang mit dem Floor de Louse, einem französischen Orlogsschiffe, ob es gleich schwereres Geschütz hatte als meines und wohl hundert Hände breiter war. Hol' Euch der Teufel, Jack Hatchway, was grins't Ihr mich an? Denkt Ihr etwa, es ist Wind, weil Ihr noch niemals was davon gehört habt?«

»Sehen Sie, Herr,« erwiederte der Lieutenant, »es ist mir lieb, daß Sie Ihr eigner Herold seyn können, wenn es darauf ankömmt. Ich wünsche aber doch, Sie bliesen einmal aus einem andern Tone, denn den hier haben wir die letzten zehn Monate alle Abende vernommen. Tunley selbst wird sagen müssen, daß er es schon fünfhundertmal hörte.« – »Gott verzeih' es Ihnen, Master Hatchway,« fiel hier dieser in's Wort, »aber so wahr ich ein ehrlicher Mann und Gastwirth bin, ich habe noch niemals eine Sylbe davon gehört.«

Diese Erklärung, welche zwar neben der Wahrheit sehr weit wegging, machte doch dem Sir Trunnion große Freude. Mit einem triumphirenden Ansehn wandte er sich gegen den Lieutenant und sprach: »Ha! Ha! Jack, dacht' ich's doch gleich, ich würde was von Euren Sticheleien und Späßen heraufpumpen. Na, wenn Ihr's auch schon sonst gehört hättet, ist denn das wohl ein Grund, es Niemand Anders weiter zu erzählen? Da ist hier der Fremde; der hat's auch wohl schon fünfhundert Mal gehört? Habt Ihr etwa, Bruder?« – »In meinem Leben noch nicht,« antwortete Gamaliel mit einem sprechenden Blick voll Neugier. – »Nun gut; Ihr scheint mir ein braver und stiller Mann zu seyn: wißt denn, ich gerieth mit einem französischen Orlogsschiff in ein Gefecht. Cap Finisterre war sechs Meilen von uns über den Wind, und das Schiff, welches wir jagten, drei Meilen unter dem Winde und segelte vor dem Winde. Da setzte ich schnell meine Beisegel auf, und wie ich heran war, richtete ich meine Gefechtflaggen auf dem Bogspriet und dem Spiegel in die Höhe und gab ihm die volle Ladung, eh' man noch die Queerreifen in der Besansmastwand zählen konnte. Denn ich habe immer ein wachsames Auge und mag gern das erste Feuer haben.«

»Das ist wahr und ich will es beschwören,« sagte Hatchway; »denn an dem Tage, da wir diesen Sieg davon trugen, befahlen Sie der Mannschaft Feuer zu geben, wie das Schiff noch auf dem Bauche lag, und da richteten wir denn die Kanonen auf einen Flug Rothgänse, und ich gewann eine Kanne Punsch vom Constabler, weil ich die erste Gans herunterschoß.«

Diese Spötterei erbitterte Trunnion außerordentlich; mit großer Heftigkeit schrie er: »Ihr lügt, Ihr Halunke, Ihr! das Donner und Wetter schlage in Euren Rumpf! Was habt Ihr nur davon, mir immer der Quere aufs Tau zu kommen und die Fahrt zu verschlagen? Pipes, Ihr wart auf dem Verdeck, sprecht, ob ich zu bald feuerte oder nicht; sprecht, ob ich zu bald feuerte oder nicht; sprecht Ihr Sappermenter von einem H.....sohn, und das auf Seemannsparole, wie weit war das feindliche Schiff als ich Feuer! commandirte?«

Pipes, der sich bisher ganz stille verhalten hatte, öffnete jetzt den Mund und sagte nach verschiednen seltsamen Geberden, die ihm das Ansehn eines Stockfischs gaben, der nach Luft schnappt, mit einem Tone gleich dem, als wenn der Ostwind durch eine Ritze heult: »Eine halbe Viertelmeile unter'm Wind.« »Näher, Du Meerschweinsgesicht von einem Schiffswisch!« rief Trunnion, »um zwölf Klaftern näher! Das ist aber gleichviel. Ihr seht nun, daß Hatchway gelogen hat, und so Bruder, seht Ihr, war ich mit dem Floor de Louse zusammen, Raa an Raa, Bord an Bord, und ließ unser grobes Geschütz und unser kleines Gewehr spielen, und Stinkpötte, Pulversäcke und Handgranaten hineinwerfen, bis Alles verschossen war, Drathkugeln, Schrot, und Traubenkugeln. Darauf ladeten wir eiserne Krähfüße, Taunadeln und alte Nägel ein. Wie ich aber fand, daß der Franzos noch tüchtige Püffe aushalten konnte, da faßte ich mich kurz und gab Befehl, die Enterhaken bereit zu halten; aber der Musje merkte, was wir im Schilde führten, setzte seine Bramsegel auf und machte sich aus dem Staube, indem er uns wie ein Stück Treibholz und die Speigatten voller Blut auf dem Wasser ließ.«

Gamaliel und Tunley hörten die Erzählung dieser wunderbaren Thaten so aufmerksam mit an, daß der Commodore sich dadurch ermuntert fühlte, noch mit mehreren Geschichten dieser Art vorzurücken; endlich aber machte er zum Lobe der Regierung die Bemerkung, daß ein lahmer Fuß und ein verlornes Auge Alles sey, was er im königlichen Dienst erhalten hätte. »Ja,« sagte der Lieutenant, der keine Gelegenheit vorüber ließ, seinen Witz auf Kosten des Commodore zu üben, »ich weiß, wie Sie zu Ihrem lahmen Fuß gekommen sind: Sie hatten Ihr Oberlof mit Liqueur gefüllt; die Ladung war zu schwer; Sie schlugen um, kollerten das Schiff hinab und klemmten Ihre Steuerbordshaken in eine von den Speigatten. Und was das Auge anlangt, so schlug es Ihnen Ihre eigene Schiffsmannschaft aus, als ihr die letzte Löhnung gezahlt wurde. Pipes, der Ihre Parthie nahm und Ihnen Zeit verschaffte zu entwischen, wurde hierbei so geprügelt, daß sein Buckel wie ein Regenbogen aussah, und ich finde nicht, daß Sie ihn für seine Aufopferung gehörig belohnt hätten.«

Die Wahrheit dieser Anekdoten konnte der Commodore nicht leugnen; er stellte sich aber, als nähme er Alles für einen Scherz von des Lieutenants Erfindung und sprach: »Doch, doch Jack, die ganze Welt weiß, daß Ihr eine verfluchte Lästerzunge seyd und dafür will ich Euch jetzt zu Brey schlagen, Ihr Lügner Ihr!« Mit diesen Worten hob er eine seiner Krücken empor, um sie ganz sachte auf des Lieutenants Kopf zu legen, dieser aber parirte, zu Sir Pickles großer Verwunderung und zum äußersten Erstaunen von Tunley, der, nebenbey bemerkt, dieselbe Verwunderung über dieselbe Handlung zu derselben Stunde schon unendliche Male bezeigt hatte, mittelst seines hölzernen Beines den Schlag mit großer Behendigkeit; Trunnion wandte sich aber nun zu Pipes und sprach: »Du läufst also herum und klatschest, ich hätte Dir keine Belohnung gegeben und thäte nichts für Dich dafür, daß du mir zur Hilfe kamst, als mir die Rebellers eins versetzten? He! Hol Dich der Teufel! Habe ich Dir's nicht immer gut geschrieben?«

Tom, der eigentlich nicht Ursache hatte hierüber Worte zu sparen, fuhr fort mit großer Gleichgültigkeit seine Pfeife zu rauchen und antwortete auf alle diese Fragen keine Sylbe, was denn den Commodore veranlaßte, sie noch einmal, mit manchem Fluch verstärkt, zu wiederholen; da jedoch auch dies nichts half, so zog Trunnion endlich seinen Geldbeutel heraus und warf ihn seinem stummen Retter mit den Worten zu: »Da Du Hund, da hast du was, was wohl besser ist als ein Wundzettel.«

Ganz ruhig nahm Pipes dies Geschenk an, und steckte es, ohne ein Zeichen von Zufriedenheit zu äußern, in die Tasche. Der Commodore wandte sich aber nun zu Pickle und sprach: »Seht, Bruder, ob ich nicht das alte Sprichwort wahr mache, daß die Seeleute ihr Geld wie die Pferde verdienen und wie die Esel ausgeben. Pipes, laß die Bootsmannspfeife hören und uns lustig seyn!«

Der anmuthige Spieler derselben setzte nun das silberne Instrument, das an einer Kette von eben diesem Metall vorn an seinem Wammse hing, an den Mund; und wiewohl es nicht so entzückend klang, wie die Pfeife des Hermes, so gab es doch einen so lauten Schall von sich, daß Pickle, gleichsam wie aus Instinkt, sich die Ohren zuhielt, um nicht taub zu werden; als aber dies Präludium geendet war, da begann Pipes, die Augen fest auf ein an der Decke hängendes Straußenei gerichtet – einen Gegenstand, von dem er den Blick nicht wieder wegwendete – sein Lied in einem Tone, der zugleich wie ein irländischer Dudelsack und ein Schweinschneiderhorn klang. Trunnion, Hatchway und Tunley machten dabei Chorus, indem sie die schönen Strophen wiederholten:

»Lustig, lustig, brave Jungen!
Frisch zur Arbeit; dann gesungen!
Laßt uns nicht vom Becher scheiden,
Arbeit mehret unsre Freuden.«

Mit bewunderungswürdigem Tempo setzten hierauf Alle die Gläser an den Mund, und nachdem jeder seinen Zug gethan, wurde die folgende Strophe eben so harmonisch vorgetragen. Kurz die Gesellschaft begann sich unter einander zu verstehen; Sir Pickle fand Geschmack an der Unterhaltung und schloß mit dem Commodore ein engeres Freundschaftsbündniß; der Seemann drückte ihm die Hand, trank auf gute Bekanntschaft und bat ihn sogar in seine Garnison auf ein Gericht Schweinefleisch und Erbsen, eine Artigkeit, die Gamaliel durch eine Gegeneinladung erwiederte, woraus denn eine so gute Kameradschaft begann, daß es schon ziemlich tief in der Nacht war, als die neuen Freunde unter dem gegenseitigen Versprechen, sich den nächsten Abend wieder hier zusammenzufinden, von einander schieden und der Kaufmann sich nun durch seinen Bedienten nach Hause leuchten ließ.


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