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Peregrine entwirft einen Plan, sich an dem Vicar zu rächen.
Die Nichtswürdigkeit des Vicars, der den Vorfall in einem so lügenhaften Lichte darstellte, erbitterte Peregrine so ungemein, daß er beschloß, sich dafür auf eine Art an ihm zu rächen, die nicht allein von einer kräftigen Wirkung wäre, sondern auch für den Erfinder selbst durchaus von keiner üblen Wirkung seyn konnte. In dieser Absicht ging er eines Abends mit Hatchway, den er in seinen Plan eingeweiht hatte, nach dem Wirthshause, und verlangte hier ein besonderes Zimmer, dass wie er wohl wußte, kein anderes seyn konnte, als dasjenige, welches sie sich zum Schauplatze ihres Possenspiels erkoren hatten. Es war nämlich eine Art von Besuchstube, deren Fenster nach dem Hofe hinaus gingen und die der Küche gegenüber lag.
Nachdem sie hier eine Zeitlang gesessen hatten, suchte der Lieutenant mit dem Wirthe eine Unterhaltung anzuknüpfen, während sich Peregrine auf den Hof hinausschlich und hier mit der ihm ganz besonders eigenen Kunst, die Stimmen anderer Menschen nachzumachen, ein Gespräch zwischen dem Vicar und Tunley's Frau begann. Kaum gelangte dies dem Wirthe, auf den es gemünzt war, zu Ohren, so entzündete sich seine von Natur eifersüchtige Gemüthsart dermaßen, daß er den Aufruhr in seinem Innern nicht mehr zu verbergen vermochte und unzählige Versuche machte, aus dem Zimmer zu kommen. Der Lieutenant schien jedoch dies Alles eben so wenig zu bemerken, als das Gespräch unter dem Fenster; ruhig rauchte er eine Pfeife fort, und hielt Tunley mit einer ununterbrochenen Reihe von Fragen zurück, die dieser nicht unbeantwortet lassen konnte.
Der Wirth litt indessen Todesangst; alle Augenblicke drehte er den Hals nach dem Fenster, durch welches die Stimmen schallten, kratzte sich den Kopf und gab alle mögliche Zeichen von Ungeduld und Unruhe von sich. Als aber endlich die vermeinte Unterredung einen solchen Gipfel verliebter Gefälligkeit erreichte, daß fast nichts mehr zu der Beschimpfung fehlte, die Tunley vermuthete, da hielt er sich nicht länger, und rannte mit den Worten zur Thür hinaus: »Ich komme gleich wieder, mein Herr, ich komme!« Da er Jedoch um das halbe Haus herumgehen mußte, so war Peregrine längst zum Fenster herein, als Tunley in dem Hofe anlangte.
Der falschen Nachricht gemäß, die er vernommen, rannte er sogleich der Scheune zu, in der Erwartung, hier eine außerordentliche Entdeckung zu machen; nachdem er aber einige Minuten vergebens das Stroh durchwühlt hatte, kam er in einem sehr zerstörten Zustande gerade in dem Augenblicke in die Küche, als seine Frau von einer andern Seite hereintrat. Dieser zufällige Umstand bestätigte ihn nicht wenig in seiner Vermuthung, daß die That wirklich geschehen sey; da jedoch das Schicksal, unter dem Pantoffel zu stehen, die allgemeine Krankheit des Kirchspiels war, so durfte er es nicht einmal wagen, sich jetzt etwas von seiner Unruhe merken zu lassen, sondern mußte noch dazu seinen Aerger verbeißen; doch beschloß er, sich dafür desto bitterer an dem wollüstigen Priester zu rächen, der seiner Meinung nach seine keusche Hälfte verführt hatte.
Die beiden Verbündeten wünschten indessen Gewißheit darüber zu erlangen, ob ihr Plan gelungen sey und das von ihnen angefachte Feuer gefaßt habe; sie riefen deshalb Tunley, dessen Züge seine innere Verstörtheit verriethen, wieder herbei und nöthigten ihn, einen Krug Ale mit ihnen zu trinken. Peregrine begann dabei sich nach seinen Angehörigen zu erkundigen und die Frage an ihn zu richten: ob er die hübsche junge Frau schon lange hätte? Der leichtfertige Blick, mit welchem er diese Worte begleitete, machte den armen Wirth nur noch unruhiger und flößte ihm die Besorgniß ein, seine Gäste möchten bereits von seiner Schande benachrichtigt seyn, und dieser Verdacht vermehrte sich noch, als Hatchway hinzusetzte: »Wurdet Ihr nicht vom Vicar getraut?« – »Ja, das wurde ich!« entgegnete der Wirth mit großer Heftigkeit, und Hatchway fuhr nun fort: »Ja, ja, was das anlangt, so mag der Vicar wohl ein ganzer Mann in seiner Art seyn.«
Jetzt zweifelte Tunley keinen Augenblick mehr, daß sein Unglück und seine Schmach weltkundig wären, und im Uebermaaß seines Grimms rief er nun aus: »Ein ganzer Mann! Ein ganzer Schlingel ist er! Potz Element! Ich glaube, all das Zeug ist nichts als Wölfe in Schaafskleidern! Herr, ich wünsche, bei Gott, den Tag zu erleben, wo es keine Pfaffen, keine Acciseinnehmer und keine Zollbereiter im Königreiche mehr giebt. Was aber den Schuft von Vicar anlangt, wenn mir der Kerl einmal in die Hände geräth.... Das Schwatzen kann zu nichts helfen.... aber bei Gott!.... Ich bin Ihr Diener, meine Herren.«
Die Verbündeten waren mit diesen Winken vollkommen zufrieden, und zogen sich nun zurück; da jedoch mehrere Tage vergingen, in denen nichts geschah, und sie nun glaubten, Tunley's Leidenschaft und Einbildungskraft möchten zu lau seyn, um ein Mittel aufzufinden, das ihrem beiderseitigen Wunsche entsprach, so beschlossen sie, der Sache eine solche Wendung zu geben, daß er der günstigen Gelegenheit, seine Rache auszuüben, nicht sollte widerstehen können.
In dieser Absicht gaben sie eines Abends einem Jungen ein Trinkgeld, daß er nach Sir Pickle's Hause laufen und dem Vicar sagen mußte: Tunley's Frau sey plötzlich krank geworden und ihr Mann ließe ihn daher bitten sogleich hinzukommen und mit ihr zu beten. Sie selbst hatten einstweilen wieder Besitz von dem Zimmer in Tunley's Hause genommen, wo Hatchway den Wirth abermals in ein Gespräch verflocht, während welchem Peregrine hinausging, bald aber wieder mit der Nachricht zurückkehrte, der Vicar sey so eben in die Küche gegangen, vermuthlich um die hübsche Wirthin im Catechismus zu überhören.
Bei dieser Kunde eilte Tunley sogleich unter einem Vorwande zum Zimmer hinaus nach der Scheune, wo er sich mit einem Dreschflegel bewaffnete und sich dann in einen engen, zwischen ein paar Zäunen hinlaufenden Weg postirte, auf welchem der Vicar nothwendig zurückgehen mußte. Hier lag er in blutgieriger Absicht auf der Lauer, und als nun endlich sein Feind kam, da empfing er ihn im Dunkeln mit einem solchen Gruße, daß Jener einige Schritte zurücktaumelte. Gewiß, wäre der zweite Schlag gelungen, so dürfte dieser Ort das letzte Ziel der Erdenwallfahrt des Pfarrers gewesen seyn; zum Glück verstand es dessen Gegner aber nicht, seine Waffe gehörig zu handhaben: er versetzte sich selbst durch die ungeschickte Führung des Dreschflegels einen so heftigen Streich mit diesem Instrumente auf seinen Schädel, daß derselbe wie ein Apothekermörser wiederhallte und tausend Lichter auf einmal vor seinen Augen herumtanzten. Dieser Zufall verschaffte dem Vicar so viel Frist, sich wieder aufraffen zu können, und da er seinen Angreifer für einen Räuber hielt, so glaubte er am besten zu thun, sein Heil in der Flucht zu suchen und nur so lange fliehend zu fechten, bis sein Geschrei Menschen herbeigezogen haben würde. In dieser Absicht hob er seinen Stock zur Vertheidigung seines Kopfes auf, und brüllte, indem er dabei Reißaus nahm, mit einer Stentorlunge um Hülfe. Aber Tunley warf jetzt den Dreschflegel, der ihm so schlecht gedient hatte, weg, und rannte dem Flüchtlinge nach, den er auch bald einholte und der nun, als er den Wind von des Wirthes Fäusten um seine Ohren sausen hörte, sogleich zur Erde fiel und seinen Stock aus der unvermögenden Hand sinken ließ. Wie ein Tiger sprang Tunley jetzt auf den Rücken des Vicars und ließ einen solchen Platzregen von Püffen auf dessen Leichnam fallen, daß dieser nicht anders glaubte, als er würde von wenigstens zehn Paar Fäusten zugleich bearbeitet. Hiermit war jedoch der Hahnrei in der Einbildung noch nicht zufrieden, sondern er faßte auch noch das Ohr des Priesters mit seinen Zähnen und biß so grimmig hinein, daß dieser halb unsinnig vor Schmerz von ein paar Bauern gefunden wurde, bei deren Annäherung sich Tunley weislich zurückzog.
Hatchway hatte sich unterdessen so postirt, um den Wirth sogleich sehen zu können, wenn dieser zurückkäme, und kaum erblickte er ihn nun, so rief er ihn, voll Ungeduld, die Wirkungen ihrer List zu erfahren, ins Zimmer. Tunley gehorchte dieser Aufforderung, und trat mit aller der Verstörtheit von Wuth und Ermattung herein, in welcher er sich befand. Die Nasenlöcher waren noch einmal so weit geöffnet als sonst, die Augen rollten umher, die Zähne klappten ihm und er schnarchte beim Athemholen, als würde er von einem Alp gedrückt, während ihm der Schweiß in dicken Tropfen von der Stirne rann.
Peregrine stellte sich als wäre er ganz bestürzt über diesen Anblick, und fragte ihn: ob er mit einem Geiste gekämpft hätte? »Mit einem Geiste?« versetzte der Wirth mit außerordentlicher Heftigkeit, »nein Herr, nein! mit Fleisch und Bein hab' ich mich herumgezaust. Der Hund der! aber ich habe ihn gelehrt, hier auf die Jagd zu gehen!« Die Verbündeten sahen aus dieser Antwort, daß ihr Zweck erreicht war, da sie jedoch Alles gern ganz genau wissen wollten, so fuhr Peregrine fort: »Nun, Tunley, ich hoffe doch, daß Sie über Fleisch und Bein die Oberhand behalten haben?« – »Blitz, das hab' ich!« entgegnete der Wirth; »ich hab' ihm das sprudelnde Blut ordentlich abgekühlt und ihm ein solches Stückchen um die Ohren gedudelt, daß er gewiß vier Wochen lang nicht nach mehr Musik verlangen soll. Verflucht wäre das Bocksgesicht von einem Schufte! So wahr ich das Leben habe, der Kerl denkt wohl hier den Kirchspielsbullen zu machen!«
Hatchway bemerkte jetzt: wie es schiene, so habe er ein tapferes Gefecht gehalten und bat ihn, sich niederzulassen und sich zu verschnaufen. Dies geschah, und nachdem Tunley einige volle Gläser hinuntergestürzt hatte, begann er, von Eitelkeit getrieben, alle Umstände seines Abentheuers so weitläuftig zu erzählen, daß den Verbündeten in dieser Hinsicht nichts mehr zu wünschen übrig blieb.
Kaum war der Wirth mit dieser Erzählung aber zu Ende und wieder etwas ruhiger geworden, als seine Frau in das Zimmer trat und als eine Neuigkeit berichtete, daß irgend ein Schalk Master Sakbud, den Vicar, hergeschickt habe, um mit ihr zu beten. Bei dieser Erinnerung entbrannte Tunley's Zorn von neuem, er vergaß alle Unterwürfigkeit gegen seine Gattin, und antwortete einem hämischen Grinsen: »Hol' ihn der Kukuk! ich zweifle nicht, Du wirst seine Ermahnungen über die Maßen tröstlich gefunden haben.« Mit einem stolzen Herrscherblick sah die Wirthin ihren Sklaven an, und sprach dann: »Was spukt denn einmal wieder in Seinem Hirnkasten umher? hat Er nichts Besseres zu thun als hier wie ein großer Herr zu sitzen und die Beine übereinander zu schlagen? Ich dächte doch, es gäbe noch mehr Gäste im Hause zu bedienen!« Der unterthänige Ehemann ließ sich dies nicht zweimal sagen; er schlich, ohne ein Wort zu erwiedern, ganz still zur Thüre hinaus.
Den folgenden Tag verbreitete sich das Gerücht in der Gegend, Master Sakbud sey von Räubern überfallen und beinahe todt geschlagen worden. Den Thäter zu entdecken, ward eine Aufforderung an die Kirchthüre genagelt, in welcher man dem Angeber des Meuchelmörders eine Belohnung versprach; doch dies Mittel half zu nichts, und der Vicar sah sich genöthigt, vierzehn Tage die Stube zu hüten, so zermalmt war er.