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Georg Tobias Smollett wurde 1721 im Thale Leven in Schottland geboren, einer der schönsten Gegenden jenes Landes. Die erste Grundlage seiner classischen Bildung legte er in der Elementarschule zu Dunbarton, von wo er nach Glasgow kam um hier seine Studien fortzusetzen. Gegen seine Neigung bei einem Wundarzt in die Lehre gebracht, war Smollett achtzehn Jahre, als ihm der Tod seinen bisherigen Beschützer, seinen Großvater, nahm, ohne daß dieser des Mittellosen in seinem Testamente gedacht hätte. Hierdurch in eine sehr beengte Lage versetzt, verließ der junge Mann, der bereits angefangen hatte sich als Schriftsteller zu versuchen, im neunzehnten Jahre Schottland und begab sich mit dem Manuscript eines Trauerspiels: » Der Königsmörder« betitelt, nach London, in der Hoffnung, mit diesem ersten Producte hier sein Glück zu machen.
Wie gewöhnlich dergleichen Hoffnungen, scheiterte auch diese und der junge reizbare Dichter, verfehlte nicht, statt sich und seinem nur wenig gelungenen Versuche, dies Fehlschlagen Andern zuzurechnen. Die damaligen Directoren des Theaters in London, Garrick und Lacy, und ein gewisser Lord Lyttleton, der den Mäcen spielte, mußten ihm dafür in einer seiner späteren Romanschilderungen büßen, daß sein jugendlicher Versuch auf der dramaturgischen Bahn mißlang.
Beraubt jetzt aller anderen Hilfsquellen, sah sich Smollett genöthigt die Stelle eines Hilfschirurgus auf einem Linienschiffe anzunehmen, welches zu der Unternehmung gegen Carthagena im Jahre 1741 unter Segel ging. Sein geistreicher Roman: Roderich Random, mehr aber noch ein Abriß seiner Reisen, die beide bald nachher erschienen, geben Nachrichten von diesem Zuge, welcher das Gute für ihn hatte, daß er dabei die Sitten und Charaktere der damaligen englischen Seeleute aller Grade, so genau studierte und auffaßte, daß er nachher im Stande war dieselben in seinem Bowling, Trunnion, Hatchway, Pipes und Crowe, auf eine unnachahmliche, heitere und zugleich treffend wahre Art darzustellen; denn in der That sind dies sämmtlich, wie alle Engländer gestehen, ächte Bilder der Seeleute Großbrittanniens, sowie dieselben mit aller ihrer wunderlichen Originalität im vorigen Jahrhunderte waren, und hierin freilich jetzt gegen ihre Standesgenossen unserer Zeit eben so abstechen, wie überhaupt das ganze Leben und Treiben jener Tage gegen das von jetzt, indem auch Englands Seeofficiere, wie Walter Scott in seiner Biographie von Smollett sagt Ueber das Leben und die Werke der berühmtesten Romandichter 1r Bd., endlich begriffen haben, daß man ein tüchtiger Seeheld seyn kann ohne das Wesen eines Bootsmannes zu affectiren, und seine Pflichten zu erfüllen vermag, ohne wie die Matrosen seine einzige Wonne in Flipp und Tabak zu finden und ohne nöthig zu haben, statt weiße, gestreifte Hemden zu tragen. – Diese Aenderung, welche sich in der äußern Erscheinung und dem Benehmen der Seeleute nach und nach zugetragen hat, macht aber Smolletts Darstellung dieser Menschen jener Zeit jetzt nur noch werthvoller, indem sie uns nun als treue Erinnerungsmahle von Sitten und Characteren dient, die der allesglättende Strom der Zeiten in der Wirklichkeit verwischte und ihnen die poetisch belustigende, schroffe Originalität nahm.
Einem Feuerkopfe wie dem jungen Smollett, konnten übrigens weder die despotische Mannszucht auf den Schiffen, noch die Mühseligkeiten seines Amtes unmöglich lange zusagen; er nahm in Westindien seinen Abschied und kehrte, nachdem er sich einige Zeit in Jamaica aufgehalten hatte, 1746, nach England zurück, wo ihn die damals von den Truppen der Regierung in Schottland verübten Grausamkeiten, veranlaßt durch die letzten Kämpfe für und gegen die Stuarts, zu seinem schönen, ergreifenden Gedicht: » Caledoniens Thränen« begeisterten.
Smollett lebte jetzt in London und suchte sich als ausübender Arzt fortzuhelfen; allein, obschon ein angenehmes Aeußere und feine Sitten ihm diese Laufbahn hätten erleichtern können, so machte er dennoch wenig Glück und namentlich bei den weiblichen Patienten, deren oft eingebildete Klagen anzuhören er weder Geduld noch kluge Mäßigung genug besaß.
So von neuem in eine ziemlich bedrängte Lage gesetzt, nahm er abermals, getrieben von seinem Genius, zu der Autorfeder seine Zuflucht; da er sich jedoch wieder in das Fach der Dramatik warf, so wollte ihm auch diesmal das Glück noch nicht lächeln. Er hatte sich übrigens in dieser Zeit mit einer Miß Lascelles verheirathet, einem Mädchen von außerordentlicher Schönheit und Güte, die er während seines Aufenthaltes in Westindien kennen lernte: statt aber, wie sich die Aussicht erst zeigte, ein Heirathsgut von 3000 Pf. mitzubekommen, brachte ihm seine junge Frau nichts als einen Proceß und einen dadurch nothwendig gewordenen Hauskauf zu, wodurch denn Smolletts Lage nur noch bedrängter wurde.
Die Noth, die Mutter so mancher sonst unterbliebenen Anstrengungen, führte Smollett jetzt auf den Gedanken, als Romanschriftsteller aufzutreten, und hier war es nun, wo ihm die Muse einen wahrhaft unsterblichen Kranz wand. Sein Roderich Random, das erste seiner Werke in dieser Art, fand den ungetheiltesten und verdientesten Beifall und erwarb ihm durch die herrlichen Sitten- und Characterschilderungen durch welche sich dieses Werk eben so auszeichnet wie alle seine anderen schnell einen großen Ruf. – Jetzt, da er den öffentlichen Beifall auf seiner Seite hatte, gab er sein Trauerspiel: der Königsmörder, noch immer in der Hoffnung lebend, auch auf dieser Bahn sich Anerkennung zu verschaffen und die Gegner, die er zu haben sich einbildete, die aber in der That nur in seiner Phantasie existirten, zu beschämen, auf Subscription heraus, lieferte aber hiermit in der That nur einen neuen Beweis zu dem bekannten Erfahrungssatze: daß oft die geistreichsten Menschen, die seltsame Schwäche haben, sich auf einem Wege wo ihnen der Genius am wenigsten lächelt, am besten zu gefallen, und sich hier ein Talent zuzutrauen, das ihnen auf einer anderen, von ihnen weniger hochgehaltenen Bahn, entschieden inwohnt.
Im Jahre 1750 machte Smollett eine Reise nach Paris wo er treffliche Materialien zu neuen Werken sammelte und überhaupt den Kreis seiner Kenntnisse von Sitten und Gewohnheiten erweiterte. Wie Einige behaupten, so soll das vorliegende Werk von ihm, daselbst verfaßt worden seyn und namentlich ein Maler und ein Arzt, die er dort kennen lernte und die durch ihre Lächerlichkeiten seinen Humor erregten, ihm die Vorbilder zu dem wahrhaft unnachahmlichen Pallete und dem pedantischen Doctor gegeben haben, die im Verlauf dieser Geschichte auf eine so ergötzliche Art vorgeführt werden.
Etwas zum Lobe dieses gleich bei seinem Erscheinen sowohl in Smolletts Vaterlande als in fremden Ländern, für classisch anerkannten Romanes, hier noch sagen zu wollen, würde wahrhaft überflüssig seyn. Peregrine Pickle ist ein Musterbild genialer Laune, tiefer Auffassung der verschiedenartigsten Charaktere und kunstreicher Verschlingung der dargestellten Ereignisse, deren Interesse mit jeder Seite und jeder neuen eingewebten Schilderung steigt: auch machte dies Werk, gleich seinem ersten Romane: Roderich Random, sowie es hervortrat, das entschiedenste Glück und ist seit dem Zeitpunkte wo es zuerst erschien (1751), fortwährend eine wiederholte Lieblingslectüre geistreicher Menschen aller Länder geblieben.
Ein paar Jahre später (1753) gab Smollett die Abentheuer des Grafen Ferdinand Fathom heraus, ein Werk, das wie Walter Scott a. a. O. sagt, in der Absicht geschrieben zu seyn scheint, zu zeigen wie weit Laune und Talent in der Darstellung einer völligen menschlichen Verderbniß gehen könne und über welches der Verf. selbst in der Zueignung an einen Unbekannten sich äußert: »Man verdamme mich nicht, daß ich meinen Helden diesmal aus dem Gebiete der Schurkerei und des Verbrechens genommen habe.... er soll ein warnend Beispiel für Leute seyn die zu leicht Vertrauen und zu wenig Erfahrung haben.... sie sollen mit Entsetzen die bodenlose Tiefe gewahren, die sich vor ihnen öffnet, wenn sie das jammervolle Geschick des Grafen Fathom vor Augen sehen.« – In der That sind die Schilderungen in diesem Romane zum Theil wahrhaft grauenhaft. »Die Erzählung des entsetzlichen Abentheuers in der Räuberhöhle – sagt Scott – erregt eine Art von erhabenem Schauder und bleibt, so oft sie auch nachgeahmt worden ist, dennoch unübertroffen, ja unerreicht.« Bemerkt mag hier noch seyn, daß der in dem Grafen Fathom vorkommende edle Israelit, dem gutherzigen Juden zum Vorbilde diente, welchen Cumberland später in seinem bekannten Schauspiele aufstellte.
Nach Vollendung einer Uebersetzung von Cervantes Don Quixotes, einer Arbeit, wozu er vermöge seines Geistes und seines Witzes vorzüglich berufen sich zeigte, machte Smollett eine Reise in sein Vaterland Schottland; bei seiner Rückkehr nach London übernahm er aber die Leitung einer Zeitschrift: Critical review, wodurch ihm jedoch mancherlei Verdrießlichkeiten entsprangen.
Um das Jahr 1757 begann er unter dem Titel: » Abriß wirklich unternommener, interessanter Reisen,« (nebst vielen Seekarten, Planen und Bildnissen u. s. w. 7 Bände in 12) eine Sammlung von Reiseberichten, die großen Beifall fand und in welcher sich auch mehreres von der Unternehmung gegen Carthagena findet, der Smollett beiwohnte, und wovon er früher auszugsweise Einiges in seinen Roderich Random mit eingewebt hatte. Ein in demselben Jahre von ihm aufgeführtes Lustspiel oder vielmehr Posse: The Reprisals or the Tars of old England, machte in der Stimmung in welcher man damals in England gegen Frankreich war, Glück auf der Bühne, doch ist, trotz aller guten Charakteristik, die Intrigue zu lose und flach, um daß nicht die Bemerkung dadurch bestätigt würde: daß gute Romandichter selten gute dramatische Dichter sind.
Das Jahr darauf gab Smollett seine vollständige Geschichte Englands vom Einfalle des Julius Cäsar bis zum Aachner Friedensschlusse 1748, in 4 Bänden in 4to, heraus, und wie man sagt, so schrieb er dies mit Geist und großer Correctheit verfaßte Werk, in welchem er die Gesinnungen eines gemäßigten Tory darlegt, in vierzehn Monaten. Zwischen 1760 und 1761 erschienen von ihm die Abentheuer des Sir Lancelot Greaves in einzelnen Stücken in dem British Magazine und Monthly Review, dann beschäftigte er sich aber damit, die Geschichte von Frankreich, Italien und Deutschland zu einem großen Geschichtswerke zu liefern, welches damals unter dem Titel: » Neuere Weltgeschichte« in England erschien; auch gab er die Fortsetzung seiner Geschichte von England, die er bis 1765 fortführte, heraus. Dies Werk hatte einen so reißenden Absatz, daß der Verleger, obschon er ihm 2000 Pf. St. Honorar dafür gab, doch auf der Stelle 1000 Pf. St. daran verdiente.
Bei Georg III. Thronbesteigung und im Anfange der Verwaltung des Lord Bute, bediente man sich Smollett's Feder, um in einer Wochenschrift: » the Briton,« die Regierung zu vertheidigen; eine andere von John Wilkes herausgegebene Zeitschrift: » the North-Briton,« überflügelte aber bald, da sie volksthümlicher war, dieses Blatt. Smollett lieh jetzt seinen Beistand oder vielmehr seinen Namen einer Uebersetzung der Werke von Voltaire und eben so einer Sammlung, die unter dem Titel: »Dermaliger Zustand aller Nationen, enthaltend eine geographische- naturgeschichtliche- politische- und Handelsübersicht aller Länder der bekannten Welt«, erschien.
Der Tod seines einzigen Kindes, eines liebenswürdigen Mädchens von funfzehn Jahren, erschütterte die ohnedem schon wankende Gesundheit des Dichters so sehr, daß er zur Wiederherstellung derselben und um sich seinen traurigen Ideen zu entreißen, eine Reise nach Frankreich und Italien machte, wo er sich von 1763 bis 1766 aufhielt, und dann bei seiner Rückkehr sein Werk: »Reise durch Frankreich und Italien« in 2 Bänden herausgab, in demselben aber leider! neben vielem Scharfsinnigen und Geistreichen, ein redend Zeugniß von der Größe seiner von Jugend auf eingesogenen Nationalvorurtheile gegen die von ihm durchwanderten Länder ablegt. – Zurückgekehrt nach England, reiste Smollett jetzt zum letzten Male nach Schottland, um seine sterbende Mutter noch einmal zu sehen, und als er sich endlich wieder im Stande fühlte, seine literarischen Arbeiten fortsetzen zu können, gab er 1769 die politische Satyre: » Abentheuer eines Atoms« heraus, in welcher er die Anführer der verschiedenen politischen Partheien von 1754 bis zu der Zeit, wo Lord Chatam die Verwaltung niederlegte, geißelt. Von neuem von seinen Krankheitsanfällen geplagt, mußte er jedoch abermals Heilung unter einem milderen Himmel suchen, und erhielt durch seinen Freund und Landsmann, den D. Armstrong, die Vergünstigung, mit seiner Gattin in einem Hause in Monte-Nuovo, einem Dorfe bei Livorno, das am Abhange eines Berges liegt und eine freie Aussicht auf das Meer hat, wohnen zu können, und hier ist es, wo er sein letztes Werk: »Humphry Klinkers Reisen,« verfaßte, das zu Anfang des Jahres 1771 in 3 Bänden erschien, sogleich den größten Beifall erhielt, und von Einigen als sein Bestes gepriesen wurde, von Anderen aber, da gerade zu der Zeit, als es herauskam, der Partheihaß, welcher durch Wilkes und Churchill in England gegen die Schottländer erregt worden war, in größter Heftigkeit noch glühte, um so mehr bittere Anfeindungen und Kritiken erlitt, da der Verf. in demselben das geliebte Vaterland vorzüglich herausgehoben hatte, freilich aber dabei auch seiner Bitterkeit gegen einige seiner Gegner vielleicht zu viel Luft machte.
Den jetzt schon fast ganz hinwelkenden Smollett berührten die Urtheile, welche die englischen Journale für und gegen dieses treffliche Werk aussprachen, aber nicht mehr: er schmachtete noch einen Sommer, bestürmt von immerwährenden Krankheitszufällen, hin, bis ihn endlich der Tod am 21sten October 1771, nach einer langen und schmerzhaften Krankheit, von seinen Uebeln befreite, und der Welt zu früh entriß. –
Seine Asche ruht unter einem einfachen Denkmale, welches ihm seine Gattin errichten ließ, die noch lange in Zurückgezogenheit und Mangel, da Smollett nur wenig hinterließ, in der Nähe von Livorno lebte, und zu deren Bestem später auf dem Theater zu Edinburg eine Vorstellung gegeben wurde, die ihr ungefähr 300 Pf. einbrachte; die ganze Erkenntlichkeit, welche das reiche Brittannien der Wittwe eines Mannes gewährte, dessen Talent die Nation ehrte! Von dieser Erkenntlichkeit der Nationen ließe sich überhaupt viel reden, doch ist Alles, was man in dieser Hinsicht sagen könnte, in den wenigen Worten von Walter Scott angedeutet: » Glücklicher als Fielding, erhielt Smollett's Grab wenigstens ein Denkmal«; doch, setzen wir hinzu, nur von der Hand der Liebe, und nicht von der einer dankbaren Nation. – Der D. Armstrong, des Verstorbenen treuer Freund, versah dies kleine Denkmal mit einer schönen lateinischen Inschrift; im Jahre 1774 ließ aber ein Vetter des Verstorbenen, James Smollett, Esquire von Bonhill, zum Andenken des Dichters eine Säule neben dem Hause, in welchem derselbe geboren wurde, errichten, die ebenfalls mit einer lateinischen Inschrift geziert, und in welcher unter andern auch bemerkt ist: daß Smollett nahe dem Hafen von Livorno und fern vom geliebten Vaterlande, den ewigen Schlaf schläft Reisenden ist es vielleicht interessant, zu erfahren, daß man uf dem Wege von Dunbarton nach Glaßgow auf diese Säule stößt..