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Benehmen der Mistriß Grizzle bei der Hochzeit und Nachricht von den Gästen.
Wie ich hoffe so wird man es mir nicht für Lieblosigkeit auslegen, wenn ich die Vermuthung anstelle, daß Mistriß Grizzle bei dieser großen Gelegenheit alle Kräfte aufbot, die ganze Macht ihrer Reize auf die Herren einwirken zu lassen, die zur Hochzeit geladen waren. Gewiß ist, daß sie alle anziehende Eigenschaften, die sie besaß, in's beste Licht zu stellen suchte. Gesprächig beim Essen bediente sie ihre Gäste mit einer fast ermüdenden Aufmerksamkeit und affectirte dabei ein liebliches, kindisches Lispeln; da sie aber die Größe ihres Mundes kannte, so suchte sie möglichst alles Lachen zu vermeiden und formte deswegen ihre Lippen zu einem fortwährenden bezaubernden Lächeln; ja von dem Fehler ihres Gesichtes, dessen bereits gedacht wurde, wußte sie insoweit selbst Nutzen zu ziehen, daß sie unbemerkt und in voller Sicherheit die Mienen und Gebärden im Spiegel betrachtete, welche ihr am besten kleideten, während die Gesellschaft ihre Blicke ganz wo anders hingerichtet wähnte.
Und mit welcher demüthigen Höflichkeit nahm sie die Complimente derer an, die nicht umhin konnten die Zierlichkeit des Gastmahles zu loben! mit welcher kindlichen Zärtlichkeit ergriff sie jede Gelegenheit der wohlverdienten Ehrenstellen ihres Vaters mit der bescheidenen Bemerkung zu erwähnen, daß, wenn sie etwas von Bewirthung verstehe, sie dies allein der Lordmayorschaft ihres Vaters zu danken habe, wo sie bei so mancher großen Gasterei hätte helfen müssen. Als aber endlich das Gespräch auf die Wohlhabenheit der Familie kam, da zeigte sie auch nicht den geringsten Stolz oder aufgeblasenes Wesen, sondern mit ernster Miene erklärte sie, indem sie einige Sittensprüche über die Eitelkeit des Reichthums hinwarf, daß diejenigen sich sehr irren würden, welche ein großes Vermögen bei ihr suchten, denn ihr seel. Vater habe ihr nichts hinterlassen als eine Kleinigkeit von fünftausend Pfund, welches mit dem Wenigen, was sie seit seinem Tode an Zinsen hätte erübrigen können, alles wäre, worüber sie zu verfügen vermöchte; auch könne man daraus schon sehen, daß sie ihre größte Glückseligkeit nicht in den Besitz von Geld und Guth setze, daß sie ihre eigenen Erwartungen durch Herbeiführung und Betreibung der Begebenheit zerstörte, in deren Folge man jetzt hier so fröhlich vereint wäre, denn es sey allein ihr Streben von jeher gewesen immer so viel Tugend zu besitzen, um alle eigennützigen Rücksichten zu vergessen, sobald es sich um das Wohl ihrer Freunde handelte..... Zuletzt trieb sie ihre Bescheidenheit und Selbstverläugnung soweit, allen und jeden, denen daran gelegen war, auf eine geschickte Weise zu eröffnen, sie sey nicht weniger als drei Jahre älter wie die Braut; doch muß man gestehen, daß, wenn sie noch zehne hinzu gesetzt hätte, ihr Rechnungsfehler minder groß gewesen seyn dürfte.
Was nur in ihrer Macht war, that sie, um zur Unterhaltung der Gäste beizutragen; sie spielte ihnen nach dem Essen ein Stück auf dem Claviere vor und begleitete dasselbe mit ihrer Stimme, die freilich nicht die angenehmste war, indeß gewiß auch der Gesellschaft würde zu Diensten gestanden haben, wenn sie mit einer Philomele hätte wetteifern können, und zuletzt ließ sie sich, als höchsten Beweis ihrer Zuvorkommenheit, von ihrer neuen Schwester bereden, den Ball zu eröffnen.
Kurz, die tugendhafte Jungfrau schien bei diesem festlichen Gelage gleichsam die Hauptfigur zu seyn und verdunkelte beinahe die Braut selbst, die ihr gern den Vorrang ließ und mit vieler Klugheit ihr erlaubte, alle ihre Talente in das glänzendste Licht zu setzen, indem sie mit dem Loose ganz zufrieden zu seyn schien, welches ihr das Glück zugeworfen hatte und vielleicht im Stillen dafür hielt, es dürfte noch angenehmer seyn, wenn die theure Schwägerin von dem Familienkörper abgelöst würde.
Der Leser wird sich übrigens leicht denken können, daß während dieses ganzen Festes der Commodore und sein Lieutenant sich völlig außer ihrem Elemente befanden, und derselbe Fall war auch bei dem Bräutigam, der durchaus ein Fremdling in jeder Art von feinem Umgange, während der ganzen Zeit gleichsam auf der Marterbank lag.
Trunnion war, ehe er abgedankt wurde, kaum ein einziges Mal in seinem Leben auf dem Lande gewesen und hatte sich nie mit anderen Frauenzimmern unterhalten, als solchen wie sie heerdenweise auf der Spitze von Portsmouth umherschweifen; es war daher natürlich, daß er sich jetzt in einer größeren Verlegenheit befand, als wenn er die ganze französische Seemacht vor sich gesehen hätte. Seit er geboren war hatte er nie das Wort: Madame über seine Lippen gebracht, und er dachte so wenig daran sich in eine Unterredung mit den Schönen einzulassen, daß er selbst nicht einmal auf ihre Höflichkeiten dankte und sich nicht zu dem leisesten Kopfnicken entschließen konnte, wenn sie seine Gesundheit tranken. Gewiß, er wäre lieber erstickt eh' er auch nur einmal: Ihr Diener zu ihnen gesagt hätte, und eben so unbeweglich wie seine Zunge, war sein übriger Körper. War es Halsstarrigkeit oder Blödigkeit? er saß wie ein Stock da, ohne sich nur im Mindesten zu regen, so, daß ein Spötter sich mit der Frage an den Lieutenant wendete: ob dies der Commodore selbst wäre, oder der hölzerne Löwe, der gewöhnlich vor seinem Thore zu stehen pflege, und allerdings, man muß es gestehen, viel Aehnlichkeit mit Sir Trunnion hatte.
Ganz so unpolirt wie sein Commodore war Hatchway nicht; er besaß einige Begriffe vom gesellschaftlichen Leben und spielte deswegen denn auch hier eine weniger lächerliche Figur: aber, er war ein Witzling, und bekanntlich befinden sich diese Herren nur dann wohl, wenn man ihnen alle die Auszeichnung angedeihen laßt, die ihnen, ihrer Meinung nach, gebührt, und so fühlte sich denn unser Jack, wiewohl er sonst ein ganz geselliger Patron war, ebenfalls nicht an seiner Stelle.
Man wird sich daher nicht wundern, daß dies Triumvirat nichts einwendete als einige alte Herren aus der Gesellschaft den Vorschlag machten, sich in ein anderes Zimmer zu verfügen, um es sich daselbst bei Pfeifen und Flaschen wohl seyn zu lassen, während die Jugend ihren Lieblingszeitvertreib fortsetzte. Hier war es aber, daß die beiden Junggesellen, im frohen Gefühle ihrer endlichen Befreiung, dem Bräutigam mit den Gläsern so scharf zusetzten, daß er in weniger als einer Stunde verschiedene angestrengte Versuche machte zu singen, und bald darauf völlig besinnungslos ins Bette gebracht werden mußte, eine Sache, worüber die Brautdiener und Mägde ungemein verdrießlich wurden, da ihnen dadurch die Gelegenheit entzogen ward, die Strümpfe auszuziehen und andere bei solchen Anlassen übliche Ceremonien zu beobachten. Die Braut anlangend, so ertrug diese jedoch diesen Unfall ganz wohlgemuth und zeigte sich überhaupt als eine kluge Person, die sich in ihre Lage vollkommen zu schicken weiß.