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XIV.

Peregrine im Castell.

Als Trunnion diese Einwilligung erhalten hatte, schickte er noch denselben Nachmittag den Lieutenant in einer Postchaise ab, seinen Pathen zurückzuholen. Peregrine war jetzt in seinem elften Jahre und übertraf sowohl durch sein gutes Aussehn als sein Benehmen, die Erwartung der ganzen Familie, auch war der Commodore so entzückt von ihm, als wäre er sein eigner Sohn. Mit Herzlichkeit schüttelte er ihm die Hand, drehte ihn rund herum, besah ihn von Kopf bis zu den Füßen, und bat Hatchway zu bemerken, wie hübsch der Bursche gebaut sey; dann drückte er ihm von Neuem die Hand und sprach: »Ich denke Du Hund wirst Dir aus so einem alten baufälligen Gerüste wie ich bin, so wenig machen als aus einem Stücke Tau. Du hast wohl vergessen wie ich Dich auf meinen Knien schaukelte und mit Dir spielte, als Du noch so ein Wicht warst wie David; wie Du mir tausenderlei Possen spieltest, mir den Tabacksbeutel verbranntest und den Rum vergiftetest? O Du H––brut lachst noch darüber? Hast wohl mehr als Schreiben und Latein gelernt, darauf wollte ich wetten!«

Selbst Pipes äußerte bei dieser Gelegenheit eine ungewöhnliche Zufriedenheit; er ging auf Peregrine los, reckte ihm die Vordertatze hin und redete ihn mit dem Gruß an: »Nun wie geht's junger Herr? 's ist mir recht von Herzen lieb, Dich wieder zu sehen.« – Nachdem diese Complimente vorüber waren, hinkte der Commodore nach dem Zimmer seiner Frau und schrie in dasselbe hinein: »Da ist Euer Vetter Perry! aber ich glaube Ihr wollt ihn nicht einmal willkommen heißen?« – »Mein Gott! Sir Trunnion,« erwiederte sie, »werden Sie mich denn beständig plagen und sich mir immer zur Unzeit aufdringen?« – »Ich Euch plagen?« versetzte der Commodore; »es spukt wohl bei Euch im Oberstübchen. Ich wollte Euch melden, daß Euer Vetter hier ist, den ihr in vier ganzen Jahren nicht gesehen habt, und ich will verdammt seyn, wenn es in allen Besitzungen des Königs, seht Ihr, einen Burschen von seinem Alter giebt, der so ein schmucker und muthiger Hund ist, als er. Er macht seinem Namen Ehre, seht Ihr, und ich will verflucht seyn, wenn ich Euch noch ein Wort mehr sage. Wollt Ihr kommen, so ist's gut, wo nicht, so laßt's bleiben!« – »Gut, ich will nicht,« erwiederte die Dame, »denn ich habe jetzt eine angenehmere Beschäftigung.« – »Ho Ho! habt Ihr?« rief der Commodore; »ich kann's wohl denken!« Er verzog dabei das Gesicht und machte die Pantomime eines Trinkenden, dann aber wandte er sich an Hatchway und sagte: » Jack, ich bitte Dich, versuch Deine Kunst an dem unbeweglichen Gefäße, denn wenn es Jemand fortlootsen kann, so bist Du's.«

Dieser Aufforderung zufolge postirte sich jetzt der Lieutenant an die Thüre, und suchte die Dame folgendermaßen zu bereden: »Wie, Sie wollen nicht herauskommen und den kleinen Perry auf gut Seemännisch begrüßen? 's wird Ihrem Herzen doch recht wohl thun, so einen hübschen jungen Burschen zu sehen, denn er ist Ihr wahres Ebenbild an Zucht, Ehrbarkeit und Gottesfurcht und sieht Ihnen ähnlich, als wäre er Ihnen aus den Augen geschnitten« – Auf diese Rede erwiederte Mistriß Trunnion in einem milden Tone: »Theuerster Master Hatchway, wie Sie einen doch immer quälen! ich weiß gewiß daß mir Niemand Unfreundlichkeit oder Mangel an natürlicher Zuneigung vorwerfen kann.« – Indem sie dies sagte, öffnete sie die Thüre und trat in das Zimmer wo ihr Neffe stand, den sie nun sehr liebreich empfing und dabei bemerkte: er wäre das leibhaftige Ebenbild Ihres Vaters.

Den Nachmittag führte der Commodore Peregrine in sein elterliches Haus. Kaum erblickte ihn aber hier die Mutter, so – es klingt fabelhaft – verwandelte sich ihr Gesicht; sie brach in Thränen aus und rief voll Schmerz: »Das ist mein Sohn nicht! das ist ein Knabe, den man untergeschoben hat, um meinen Schmerz zu täuschen.« – Sir Trunnion gerieth durch dieses unerklärliche Betragen, das blos in Eigensinn und einer seltsamen Grille keinen Grund hatte, ganz außer sich, Gamaliel aber wußte jetzt nicht wie er sich gegen den Knaben benehmen sollte. Im vollen Zorne führte der Commodore seinen Pathen wieder in seine Burg zurück und schwor viel tausendmal auf dem Wege, mit seinem Willen sollte Perry nie wieder über die verdammte Schwelle kommen; ja, er war über das unnatürliche und abgeschmackte Verfahren der Mutter und des Vaters so entrüstet, daß er keinen weiteren Umgang mit dem alten Pickle mehr haben wollte und dieser ihn nur durch anhaltendes Bitten und durch das Versprechen, daß er Peregrine für seinen Sohn und Erben erkenne, wieder zu besänftigen vermochte. Doch gab er dies Versprechen nur heimlich und ohne Wissen seiner Frau, gegen die er sich stellen mußte als theile er ihre unrechtmäßige Abneigung.

Auf diese Art aus dem elterlichen Hause verbannt, blieb Peregrine der Vorsorge des Commodore überlassen, dessen Neigung zu ihm täglich wuchs, so daß er sich kaum zu entschließen vermochte, sich von ihm, als dessen Erziehung es gebieterisch forderte, wieder auf einige Zeit zu trennen.

Höchst wahrscheinlich war diese außerordentliche Anhänglichkeit durch den eigenthümlichen Schwung von Peregrines Einbildungskraft, die sich während seines Aufenthalts in der Garnison hinreichend durch allerlei Streiche zeigte, welche er unter Hatchways Anleitung verübte, der ihm treulich in Gesinnung und Ausführung derselben beistand, wo nicht erzeugt, doch mindestens befestigt. Auch Pipes nahm einen sehr lebhaften Theil an diesen Possen; es war dies ein treuer Kerl, der sich nicht ungewandt in solchen Fällen zeigte und dem Willen der andern Beiden blind folgte; was ihn denn zu einem sehr brauchbaren Werkzeuge für sie machte.

Der Bootsmann besaß von Natur ein ungemeines Talent Mißtöne hervorzubringen; es war ihm ein Leichtes das Schnarren eines Bratenwenders, das Geräusch einer Säge oder den Ton nachzumachen, den das Schweben eines in Ketten hängenden Missethäters hervorbringt. Das Geschrei eines Esels, das Krächzen einer Nachteule, das Gekreisch der Katzen, das Geheul eines Hundes, das Quiken eines Spanferkels und das Krähen eines Hahnes waren ihm geläufige Töne und Nordamerikas Wilden vermochte er ihr Kriegsgeschrei täuschend nachzumachen.

Von allen diesen Talenten machte er jetzt nach und nach zum Entsetzen der Mistriß Trunnion einen so fleißigen Gebrauch, daß selbst der Commodore stutzig wurde und alles im Schlosse in Angst gerieth. Peregrine tummelte sich unterdessen mit einem Hemde über seinen Kleidern in der Dämmerung vor seiner Tante herum, wenn deren Gesicht durch zu fleißige Herzstärkung schwach geworden war, und der Bootsmann lehrte ihn Katzen mit Wallnußschaalen beschuhen, die dann bei ihren nächtlichen Streitereien ein fürchterliches Geklapper im Hause machten. Mistriß Trunnion gerieth über diesen plötzlichen Unfug nicht wenig in Verlegenheit; sie sah diese Dinge für die Vorboten des Todes von einer Hauptperson aus der Familie an; deshalb verdoppelte sie jetzt ihre frommen Uebungen, und die Ströme womit sie ihre Lebensgeister zu erquicken pflegte, dabei verfehlte sie aber auch nicht zu bemerken: Sir Trunnion schiene jetzt auf einmal sehr schwächlich zu werden, und wenn man ihr dies nicht einräumte und im Gegentheil fand, daß er noch nie besser ausgesehen habe, dann pflegte sie dies übel zu nehmen.

Nach diesen vorläufigen Neckereien faßte aber jetzt das Triumvirat den Beschluß, einen förmlichen Angriff auf Mistriß Trunnion zu machen. Peregrine entwandte aus dem Schlafzimmer der Dame ein gewisses Geräth, in dessen Boden Tom eine Menge kleine Löcher bohrte, dann setzte es Pickle wieder an den gehörigen Ort, wo es zum mitternächtigen Gebrauch aufbewahrt wurde. Mistriß Trunnion hatte diesen Abend ganz besonders viel in ihrem kleinen Cabinette zu thun gehabt und die hier gehaltenen Andachtsübungen pflegten stets auf ihren Körper eine treibende Wirkung zu äußern: sie war daher kaum mit ihrem Gemahl im Bette warm geworden, als sie auch schon nach jenem Gefäße langte. Jetzt that Peregrines Schelmenstreich seine Wirkung; der Commodore, der sich eben erst zum Schlafen zurecht gelegt hatte, schien plötzlich von einem warmen Sommerregen getroffen zu werden, und sprang mit dem Ausrufe: »Verdammt! ich bin flott!« aus dem Bette, indem er zugleich seine Gemahlin fragte: »ob es jetzt Mode sey, sich einer Gießkanne des Nachts zu bedienen.«

Eben so überrascht als beleidigt durch dies Benehmen und diese Frage, begann sie ihm eine Predigt über seinen großen Mangel an Schicklichkeitsgefühl zu halten, als sie die Quelle seines Mißvergnügens gewahrte und nun mitten in der ersten Periode verstummte, um nach einer kurzen Pause des Erstaunens, ein lautes Angstgekreisch zu erheben.

Das Bette zu wechseln war äußerst nothwendig; sie stand daher mit großem Unwillen auf und riß an der Klingel, und als nun das Mädchen herbeieilte zeigte ihr die Mistriß den neumodischen Durchschlag und drohte ihr denselben an den Kopf zu werfen. Das Mädchen versicherte ihre Unschuld aber so fest und betheuerte so viel mal, das Geschirr sey als sie es an Ort und Stelle gesetzt, völlig unversehrt gewesen, daß die Dame Niemand anders mehr als Peregrine in Verdacht zu ziehen vermochte, und manche Drohung und manches Scheltwort gegen ihn ausstieß. Inzwischen sah sie sich doch genöthigt, ihr Nachtlager in einem anderen Zimmer aufzuschlagen, Trunnion aber, dem dieser Vorfall eine ansehnliche Menge seiner gewohnten Flüche entlockte, konnte sich nicht enthalten, zuletzt herzlich über das Abentheuer zu lachen, während Peregrine und seine Verbündeten im Geheim nicht wenig frohlockten, einen so feinen Streich glücklich zu Stande gebracht zu haben.

Das gute Gelingen desselben verleitete sie aber jetzt einen anderen zu vollführen, der beinahe sehr tragische Folgen gehabt hätte und zu dem sie durch die wiederholten Besuche, welche Mistriß Trunnion ihrem Cabinette abstattete, veranlaßt wurden. Sie fanden nämlich Gelegenheit in eine der Herzstärkungsflaschen der Dame, eine ansehnliche Portion Jalappe zu schütten, die dann eine so heftige Wirkung hervorbrachte, daß die Mistriß am Rande des Grabes schwebte, aus einer Ohnmacht in die andere fiel, und trotz der Gegenmittel, welche ein schnell herbeigerufener Arzt verordnete, fast erlag.

Nachdem dieser die Symptome untersucht hatte, erklärte er: die Patientin wäre mit Arsenik vergiftet worden, und verschrieb dieserhalb Oeltränke und schmeidigende Einsprützungen um die innere Haut des Magens und der Gedärme vor den schädlichen Wirkungen jenes scharfreizenden Minerals zu verwahren; zugleich ließ er aber auch mit einem unendlich scharfsinnigen Blick, den Wink fallen: es sey gar nicht schwer, das ganze Geheimniß zu errathen und beklagte dabei die Dame, daß sie Angriffen dieser Art wohl noch öfter ausgesetzt seyn dürfte. Der dienstfertige Mann warf hierbei einen hämischen Seitenblick auf den Commodore den er für den Urheber dieser That hielt um eine Frau loszuwerden, zu welcher er, wie Jedermann wußte, keine große Liebe hatte. Dieser boshafte und unverschämte Wink, ermangelte aber nicht auf die Umstehenden einigen Eindruck zu machen, und der Verleumdung ein so weites Feld zu öffnen, daß Trunnion jetzt in der ganzen Gegend für ein Ungeheuer von Unmenschlichkeit ausgeschrien wurde und daß selbst die Kranke, so klug und dem Wohlstande gemäß sie sich auch bei der Sache benahm, doch nicht ganz ohne Verdacht gegen ihren Gemahl blieb, nicht sowohl, daß sie glaubte, als sey es wirklich seine Absicht gewesen, ihr das Leben zu nehmen, als vielmehr die, ihr ihr Lieblingsgetränk durch irgend eine Mischung zu verleiden.

In dieser Vermuthung beschloß sie die Sache nicht weiter zu untersuchen in Zukunft aber mit mehr Vorsicht zu Werke zu gehen: der Commodore schrieb dagegen die ganze Unpäßlichkeit einer natürlichen Ursache zu und dachte nicht weiter daran, als die Gefahr vorüber war. So kamen die Thäter diesmal mit der bloßen Furcht weg, doch war die Strafe kräftig genug gewesen, um sie für die Folge von dergleichen Dingen abzuhalten.


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