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Trunnion entdeckt die Durchsteckereien der Verschwornen. Er nimmt für Peregrine einen Hofmeister an und sendet ihn auf die Schule nach Winchester.
Es war dies übrigens nicht die letzte Verdrießlichkeit die dem Commodore durch die rastlosen Bemühungen und die unerschöpfliche Erfindsamkeit seiner Peiniger bereitet wurde. Sie plagten ihn durch eine unendliche Menge muthwilliger Streiche so arg, daß er sich zuletzt in allem Ernste einzubilden begann, die ganze Hölle hätte sich gegen ihn verschworen.
Dies machte ihn denn nicht wenig ernsthaft und nachdenkend, allein jemehr er bei diesen Betrachtungen alle Umstände der ihm seit Kurzem widerfahrenen Kränkungen erwog, je weniger konnte er sich des Verdachtes enthalten, das Mehrste davon müsse blos erfunden worden seyn um ihn zu ärgern, und da ihn des Lieutenants Stimmung und Peregrinens Talente in dieser Hinsicht bekannt waren, so beschloß er beide von nun an etwas genauer zu beobachten. Das unbedachte Verfahren der Verbündeten, die durch den bisherigen guten Erfolg dreist gemacht worden waren, kam ihm hierbei gewaltig zu Hülfe; in Kurzem entdeckte er, daß Peregrine wieder in einem neuen Complott gegen ihn verwickelt war und preßte ihm durch eine kleine Züchtigung und eine Menge fürchterlicher Drohungen ein Geständniß aller der bisher begangenen losen Streiche ab.
Diese Entdeckung war übrigens für den Commodore ein wahrer Donnerschlag und seine Entrüstung gegen den Lieutenant einen Augenblick so groß, daß er ernstlich mit sich zu Rathe ging, ob er durch Degen oder Pistolen Genugthuung von ihm fordern oder ihn aus der Garnison fortschaffen und aller Freundschaft mit ihm auf immer entsagen sollte. Er hatte sich jedoch so an Hatchways Umgang gewöhnt, daß er ohne ihn nicht mehr leben konnte und da er endlich bei kühlerem Nachdenken einsah, alle diese Stückchen, über die er selbst würde gelacht haben, wenn sie einem Anderen wären gespielt worden, seyen ihm von dem Lieutenant nicht sowohl aus Bosheit als aus Schelmerei gespielt worden, so beschloß er seinen Verdruß zu verschlucken, ja sogar dem Bootsmann zu verzeihen, den er anfangs geneigt gewesen war, für den strafbarsten aller Rebellen zu halten. Dieser Entschluß wurde noch durch einen andern begleitet, den er seiner Ruhe wegen für durchaus nothwendig hielt und bei welchem sein Interesse sich mit dem seines Neffen vereinigte.
Der jetzt zwölfjährige Peregrine hatte durch Jennings Unterricht, solche Fortschritte gemacht, daß er sich oft in gelehrte Erörterungen mit dem Pfarrer des Kirchspiels einlassen konnte und diesen, wie man glaubte, zuweilen sogar durch seine Einwürfe in die Enge trieb; eine Sache die jedoch den guten Mann nicht abhielt, dem Talente seines jungen Gegners volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und Trunnion öfters zu versichern, es wäre schade, wenn die Anlagen des jungen Menschen nicht gehörig ausgebildet würden, weswegen es unumgänglich nöthig sey, demselben sobald als möglich auf eine gute Schule zu senden um seine Studien fortsetzen zu können.
Diesem Ausspruch ermangelte Mistriß Trunnion nicht beizustimmen, denn außer der Unterwürfigkeit die sie gegen des Pfarrers Meinung hegte, hatte sie auch noch ihre eigenen Gründe das Haus von Peregrine befreit zu sehen, dessen wilde Streiche ihr ebenfalls anfingen zur Last zu werden, und diese Beweggründe sowohl als die damit vereinten Bitten des jungen Menschen selbst, der vor Begierde brannte, die Welt etwas mehr kennen zu lernen, bewogen nun den Commodore seinen Neffen unter der Aufsicht eines Hofmeisters nach Winchester zu senden. Dieser Hofmeister hieß Jakob Jolter, und war ein ehemaliger Schulkammerad des Pfarrers, der seinen Freund als einen Mann von großen Kenntnissen und Verdiensten der Mistriß Trunnion empfohlen hatte. »Und außerdem,« setzte der Pfarrer noch hinzu, »ist er von einer exemplarischen Frömmigkeit und sehr eifrig für die Ehre der Kirche besorgt, von der er ein Glied ist, indem er bereits seit mehreren Jahren ordinirt wurde, obschon er jetzt keine priesterlichen Geschäfte verwaltet.«
In der That war Jolters Eifer so ausnehmend groß, daß er bei manchen Gelegenheiten über die Schranken der Klugheit hinausging. Er war ein Bischöflichgesinnter und daher ein Mißvergnügter; dies Mißvergnügen hatte sich aber nach und nach bei ihm zu den unüberwindlichsten Vorurtheilen gesteigert in deren Folge er sich zuweilen, indem er die Nation mit dem Ministerium verwechselte, zu höchst irrigen um nicht zu sagen völlig ungereimten Sätzen verleiten ließ. Im übrigen war er ein Mann von guten Gesinnungen und wohl bewandert in der Mathematik und Schultheologie, welche letztere Wissenschaft übrigens nicht sehr dazu geeignet war, die natürliche Herbigkeit seines Charakters zu mildern.
Nachdem diesem Manne die Aufsicht über Peregrines Erziehung war übertragen worden, setzte man alles zu dessen Abreise in Stand. Tom Pipes wurde seinem Wunsche gemäß, in eine Livree gesteckt und zum Bedienten des jungen Squire ernannt. Ehe die Reise vor sich ging, hatte der Commodore die Artigkeit, dem alten Pickle seinen Plan mitzutheilen, der von diesem zwar sehr gebilligt wurde, ohne daß jedoch der Vater den Muth gehabt hätte seinen Sohn noch einmal vor der Abreise zu sehen: so sehr hatten ihn die Ermahnungen seiner Frau eingeschüchtert, deren Widerwille gegen ihren Erstgebornen, auf eine unbegreifliche Weise täglich größer wurde. Dieser seltsame und unnatürliche Eigenwille von Seiten seiner Mutter, wurde wie es schien, durch eine Betrachtung genährt, die, wie man hätte glauben sollen, eigentlich gerade das Gegentheil hätte hervorbringen müssen. Der zweite Sohn der Dame, Gam mit Namen, der jetzt in's vierte Jahr ging, war fast von der Wiege an mit der so genannten englischen Krankheit behaftet gewesen und sein Aeußeres genau so wenig versprechend als das von Peregrine angenehm: je mehr aber seine Ungestalt zunahm, je größer wurde die Zärtlichkeit der Mutter für ihn, während ihr Haß gegen ihren Aeltesten in demselben Maaße zunahm; ein Haß der bald so weit ging, daß sie diesem Sohne nicht einmal die allgemeinsten Vorrechte der Kinder genießen ließ und ihm selbst nicht erlaubte, sich dem Hause seines Vaters zu nahen. Nannte man in ihrer Gegenwart seinen Namen, so wurde sie verdrießlich, lobte man ihn, so bekam sie ordentlich Uebelkeiten; kurz sie bezeigte sich in allen Stücken wie die erbittertste Stiefmutter und ob sie schon den lächerlichen Gedanken, als sey er ein untergeschobenes Kind, nicht länger zu hegen vermochte, so verabscheute sie ihn dennoch eben so, als wenn dies wirklich der Fall gewesen wäre. Fragte man sie aber nach der Ursache dieser seltsamen Abneigung, so wurde sie stets übellaunig und antwortete nur in einem mürrischen Tone: sie hätte ihre guten Gründe hierzu, die sie nicht verbunden sey, Jedem zu offenbaren: mit einem Worte, ihre Partheilichkeit gegen Peregrine ging so weit, daß sie allen Umgang sowohl mit ihrer Schwägerin als dem Commodore abbrach, blos aus der Ursache weil diese dem Gehaßten Schutz und Unterstützung gewährten.
Trunnions Liebe und Edelmuth vergütete indeß was diese unnatürliche Mutter verschuldete: er nahm Peregrine an Kindes Statt an, rüstete ihn jetzt wie einen eignen Sohn aus, brachte ihn und seinen Hofmeister selbst an den Ort ihrer neuen Bestimmung und richtete Beide daselbst auf einen recht hübschen Fuß ein. Auch Mistriß Trunnion benahm sich bei der Abreise ihres Neffen sehr gut. Unter einer großen Menge frommer Ermahnungen und guter Lehren sich gegen seinen Hofmeister folgsam und ehrerbietig zu betragen, beschenkte sie ihn mit einem Ring den er zu ihrem Andenken tragen und mit einer goldenen Schaumünze, die er als Zeichen ihrer Gewogenheit aufbewahren sollte. Hatchway begleitete die Reisenden ebenfalls und seine Anhänglichkeit an Peregrine war so groß, daß als der Commodore wieder in die Garnison zurückkehren wollte, der Lieutenant geradezu erklärte: er würde nicht mit umkehren, sondern sey gesonnen zu bleiben, wo Perry sey.
Diese Erklärung bestürzte den Commodore um so mehr, da ihm Hatchway längst so nothwendig geworden war, daß er nicht mehr glaubte ohne ihn bestehen zu können. Voll Schmerz blickte er den alten Gefährten jetzt an und sprach in einem kläglichen Tone zu ihm: » Jack, Du willst mich auch noch zuletzt verlassen? Bist mit mir durch so manchen rauhen Wind und manches Unwetter gesegelt! Verdammt! ich dachte Du hättest ein besseres Herz. Habe Dich immer für meinen Fockmast angesehen und den Pipes für meinen Besanmast. Nun ist der weg und wenn Du mich auch verläßt, dann liegt meine ganze Takelage nieder und der erste Windstoß senkt mich in Grund. Hol' Euch der Teufel! Könnt Ihr nicht frei von der Leber weg reden, wenn ich Euch etwas zu Leide gethan habe? Will's ja gern wieder gutmachen thun!«
Der Lieutenant schämte sich seine wahre Herzensmeinung zu bekennen und antwortete nach einigem Zögern: »Verflucht! so meine ich's nicht.... Weiß Gott! Ihr habt mir immer officiermäßig begegnet, das muß ich sagen..... Auch dem Teufel muß man sein Recht lassen, wie das Sprichwort sagt.... Aber seht, die Sache ist eigentlich die: ich bin Willens, selbst noch in die Schule zu gehen und Lateinisch zu lernen, denn wie man zu sagen pflegt, es ist besser spät bekehrt als gar nicht, und man soll hier fürs Geld mehr bekommen als anderswo.«
Vergebens bemühte sich Trunnion ihm vorzustellen wie lächerlich es sey, in seinem Alter noch in die Schule zu gehen und wie ihn die jungen Leute zum Besten haben und alle Welt ihren Spott mit ihm treiben würde; Hatchway blieb bei seinem Entschlusse und der Commodore sah sich nun genöthigt, zur Vermittlung des Pipes und Peregrine seine Zuflucht zu nehmen, worauf denn diese auch allen ihren Einfluß anwendeten und den Lieutenant endlich vermochten, nach der Garnison zurückzukehren; doch mußte ihm Trunnion zuvor versprechen, daß es ihm freistehen sollte Peregrine alle Monate einmal zu besuchen. Nachdem dies abgemacht war, nahmen die beiden alten Knaben von Peregrine, dessen Hofmeister und dessen sogenannten Bedienten Abschied, und kehrten den nächsten Tag in ihre Heimath zurück, wo sie auch noch denselben Abend wohlbehalten ankamen. Der Lieutenant war übrigens so voll Kummer seinen jungen Freund verlassen zu müssen, daß er zum erstenmale in seinem Leben zu »neblich« aussah und auf der Rückreise nach einer langen Pause, die der Commodore zu unterbrechen sich nicht einfallen ließ, plötzlich ausrief: »Ich will verdammt sein, wenn mir's der Hund nicht angethan hat!« – Wirklich hatte auch die Gemüthsart von ihm und Peregrine viele höchst übereinstimmende Züge, die sich in der Folge nicht ermangelten zu offenbaren, so verschieden auch die Erziehung, die Verhältnisse und die Verbindungen von Beiden waren.