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VIII.

Der Commodore wird durch einen Zufall verschlagen und seine Hochzeit dadurch aufgeschoben.

Die Nachricht von dieser außerordentlichen Verbindung verbreitete sich blitzschnell durch die ganze umliegende Gegend und eine zahllose Menschenmasse umringte an dem zur Trauung festgesetzten Tage, die Kirche. Auf Anrathen seines Freundes Hatchway, hatte der Commodore beschlossen eine Probe seiner Galanterie zu geben und an der Spitze seiner Dienerschaft zu Pferde zu erscheinen. Für ihn und den Lieutenant waren ein paar schöne Jagdklepper angeschafft worden; seine Diener trugen an diesem feierlichen Tage die weißen Hemden und schwarzen Kappen, welche einst den Matrosen des Commodore gehört hatten.

So zog man von dem Castelle aus der Kirche zu und ein Bote hatte die Braut dabei zugleich benachrichtigt, daß sich jetzt die Gesellschaft zu Pferde gesetzt habe, worauf Mistriß Grizzle mit ihrer Schwägerin und ihrem Bruder ebenfalls in den Wagen stieg.

Unterdessen hatte das mit Begierde sich in die Kirche drängende Volk mehrere Stühle zerbrochen und einige Personen fast erdrückt; nur mit Mühe gelang es der Braut und ihrer Gesellschaft, bis zu dem Altare zu kommen; allein vergebens warteten sie und der Prediger hier länger als eine halbe Stunde. Der Bräutigam ließ sich nicht hören und nicht sehen. Diese Saumseligkeit begann die Braut zu beunruhigen und sie schickte endlich einen Bedienten ab, dem Zögernden zu sagen: er möchte seine Ankunft beschleunigen. Mehr als eine Meile war dieser Mensch bereits geritten, als er zu seinem Erstaunen den ganzen Trupp erblickte, der in einer langen Reihe quer über den Weg wegzog. An der Spitze befanden sich der Bräutigam und Hatchway. Ersterer sah sich jetzt durch einen Zaun verhindert, seinen Weg weiter fortzusetzen; er zog daher eine Pistole hervor, feuerte sie in die Luft und warf sein Pferd auf die andere Seite herum, so daß er nun mit seiner früheren Direktionslinie einen stumpfen Winkel bildete. Sein Geschwader folgte diesem Beispiel und wie ein Zug wilder Gänse, blieb immer einer hinter dem Andern.

Der Diener, dem diese sonderbare Art zu reisen nicht wenig seltsam vorkam, meldete jetzt dem Commodore, da seine Herrschaft nebst der ganzen Gesellschaft schon längst in der Kirche auf ihn warteten und ihn bitten ließe, zu eilen. »Bruder,« erwiederte Trunnion ganz ruhig, »seht Ihr denn nicht, daß wir uns sputen soviel wir nur können? Segelt nur zurück, und sagt denen die Euch auslaufen ließen: der Wind hätte sich, seit wir die Anker gelichtet, gedreht und wir könnten nur einen sehr kurzen Strich fort laviren, da der Canal gar zu enge ist. Sie müssen uns Zeit gönnen, denn wir haben nur sechs Punkte vom Winde.«

»Aber du mein Gott!« erwiederte der Mensch, »warum reiten denn Ew. Gnaden so im Zickzack? Geben Sie doch dem Pferde die Sporen, dann wird es gleich vorwärts gehen und keine halbe Stunde dauern, daß Sie an der Kirche sind.« – »Was?« antwortete der Commodore, »gerade gegen den Wind? Bruder, wo habt Ihr Eure Schiffskunst gelernt? Hawser Trunnion weiß selbst am besten, wie er seinen Lauf halten oder seine Rechnung machen soll und wie tief Eure Fregatte im Wasser geht, Bruder, das müßt Ihr wissen.«

Da der Bote sah, daß er mit Menschen zu thun hatte, die sich nicht von ihrer Meinung abbringen ließen, so eilte er nach der Kirche zurück, und berichtete was er gesehen und gehört. Die Braut, bei welcher sich bereits einige Angst einzustellen begann, fühlte sich hierdurch nicht wenig beruhigt und übte ihre Geduld noch eine reichliche halbe Stunde; als jedoch auch diese verfloß und der Bräutigam immer noch nicht kommen wollte, da verlor sie zuletzt alle Fassung und nahm umsonst zu ihrem Riechfläschgen ihre Zuflucht, um ihre Besorgniß und Verwirrung vor den Anwesenden zu verbergen, die über diesen Vorfall mannigfache Muthmaßungen aufstellten. Einige meinten: der Bräutigam müsse sich in dem Ort der Zusammenkunft geirrt haben, was um so leichter hätte geschehen können, da er noch nie in die Kirche gekommen sey; Andere vermutheten: es möchte ihm wohl ein Unfall begegnet seyn; ein dritter Theil, und unter diesem befand sich auch die Braut, konnte sich des Argwohns nicht erwehren, der alte Seemann möchte sich wohl wieder anders besonnen haben; allein so sinnreich auch alle diese Muthmaßungen seyn mochten, so traf dennoch keine den rechten Punkt, sondern die wahre Ursache des Außenbleibens des Commodores und dessen Gefolges, bestand darin, daß, als das Geschwader endlich durch viele Wendungen an dem seitwärts von der Kirche liegenden Hause des Pfarrers beinahe vorbeilavirt war, zum Unglück das Anschlagen einer Koppel Hunde den Jagdpferden in die Ohren fiel, welche der Commodore und der Lieutenant ritten. Kaum hörten die raschen Thiere diesen Ton, so rissen sie, von Jagdbegier ergriffen, plötzlich aus; mit unglaublicher Schnelligkeit flogen sie querfeldein über Zäune und Gräben und alles was ihnen vorlag, weg, ohne die mindeste Rücksicht auf ihre unglücklichen Reiter zu nehmen.

Der Lieutenant, dessen Pferd dem des Commodore vorausjagte, war nicht vermessen genug, sich mit seinem hölzernen Beine im Sattel halten zu wollen; er ergriff die Gelegenheit sich klüglich in ein Kleefeld hinabzulassen, über welches sein Thier wegsetzte. Hier lag er ganz bequem, als sein Capitain wie ein Rasender daher gesprengt kam. »Wie stehts? He!« rief er ihm zu. – Mit einem Blick voll unbeschreiblicher Angst, sah ihn der Commodore an und stotterte im Vorübersprengen: »O hol' Euch der Teufel! Ihr liegt da vor Anker; ich wollte ich hätte auch solchen Grund!« Wegen seiner untauglichen Ferse wollte er jedoch den Versuch nicht wagen, der Hatchway so gut gelungen war und beschloß, so lange bis der Himmel ihm Rettung senden würde, sich fest auf sein Pferd zu klammern. Er ließ demnach die Reitpeitsche fallen und hielt sich an den Sattelknopf, wobei er alle seine Muskeln so anstrengte, daß er die fürchterlichsten Gebärden machte.

In dieser Stellung trug ihn sein Roß noch ein weites Stück Weg fort, bis ihm der Anblick eines Gatterthores wieder einigen Muth einflößte, denn hier glaubte er, müsse sich nothwendig der Lauf des Thieres enden; aber leider sah er sich getäuscht: statt sich durch dieses Hinderniß aufhalten zu lassen, setzte das Pferd mit bewundernswürdiger Schnelle über das Gatter weg und Trunnions Erstaunen und Bestürzung erreichte nun den höchsten Grad. Er verlor bei diesem Satze Hut und Perücke und glaubte jetzt ernstlich dem Teufel auf dem Rücken zu sitzen; deswegen empfahl er seine Seele Gott; Sinn und Gesicht schwanden ihm; er ließ den Zügel fallen und hielt sich nur noch instinktmäßig an der Mähne fest.

In diesem Zustande langte er unter der Jagdgesellschaft an, die nicht wenig über diese Erscheinung erstaunte. Kein Wunder, wenn man des Commodores Figur bedenkt, die zu allen Zeiten höchst auffallend war, und jetzt wahrhaft etwas Grauenhaftes hatte.

Zu Ehren seiner Hochzeit hatte er seinen besten Rock, ein fein tuchenes blaues Kleid angelegt, welches ein Schneider aus Ramsgate verfertigt und das mit fünf Dutzend feinen, langen und schmalen messingenen Knöpfen besetzt war; seine Beinkleider waren von demselben Stoff und an den Knien mit breiten Büscheln Zwirnband befestigt; die Weste war von rothem Plüsch mit grünem Felbel ausgeschlagen und goldenen Knopflöchern versehen; die Stiefeln glichen an Form und Farbe genau einem Paar ledernen Feuereimern; um seine Schultern hing ein büffelledernes Gehenk und an demselben ein großer Hirschfänger mit einem Gefäß wie ein Schlachtschwerdt. Ein paar Pistolen staken in Holftern von Bärenfell zu beiden Seiten am Sattel. Durch den Verlust seiner Knotenperücke und seines Tressenhutes – ein paar sehenswürdige Merkwürdigkeiten in ihrer Art – wurde sein Anblick noch auffallender, denn seine kahle Platte und seine langen, laternenartigen Backen, erhöhten jetzt noch das phantastische seiner Erscheinung.

Gewiß würde ein solches Schauspiel die ganze Jagdgesellschaft aufmerksam gemacht haben, wenn auch sein Pferd es für gut gefunden hätte einen anderen Weg einzuschlagen; aber dies Thier war ein viel zu guter Jagdklepper, um den Hirsch nicht mit heißer Begierde zu verfolgen. Ohne eine Minute zu ruhen, setzte es demselben unaufhörlich nach und war bald allen anderen Pferden zuvor. Ein Hohlweg lag zwischen ihm und den Hunden; mit einem Sprunge setzte es über denselben weg, zu großer Verwunderung eines Fuhrmannes, der mit Schrecken dieses Phantom über sich wegfliegen sah. Dies war jedoch noch nicht alles: als der Hirsch in einen vorliegenden breiten Strom sich stürzte, lenkte die ganze Jagdgesellschaft einer in der Nähe befindlichen Brücke zu; das Pferd des Commodore verachtete aber eine solche Bequemlichkeit; ohne aufzuhalten stürzte es sich in den Fluß und war im Augenblick am entgegengesetzten Ufer.

Dies plötzliche Eintauchen in ein Element, wo er zu Hause war, rief Trunnions entschwundene Lebensgeister zurück; er gab beim Landen am entgegengesetzten Ufer, die ersten Zeichen von Empfindung wieder von sich und brüllte laut um Hülfe, die ihm aber nicht werden konnte, da sein Pferd den einmal erhaltenen Vortheil nicht wieder aufgab und immer den Andern vorausblieb.

Nach einer langen Jagd von mehreren Stunden, und nachdem man wenigstens ein Dutzend Meilen zurückgelegt hatte, befand sich der Gaul bei dem Sturze des Wildes zuerst, nebst dem Pferde des Lieutenants, gegenwärtig, das von demselben Geiste getrieben, treulich nebenher gejagt war.

Jetzt beschwor der unglückliche Bräutigam die Jäger, ihm doch von dem Pferde herunterzuhelfen, was diese auch thaten und ihn wohlbehalten ins Gras niedersetzten, wo er nun die ihn umringende Jagdgesellschaft mit so wilden und starren Blicken ansah, als wenn er ein Geschöpf aus einer anderen Welt gewesen wäre.

Ehe die Hunde mit den ersten Stücken ihres Fanges fertig waren, hatte er sich jedoch schon einigermaßen wieder erholt, und als nun Einer aus der Gesellschaft ein Fläschgen hervorzog und dasselbe an den Mund setzte , da glaubte Trunnion eine solche Herzstärkung müsse ihm auch dienlich seyn und verlangte davon. Man gab ihm und schnell fühlte er sich vollkommen wieder belebt.

Er und die beiden Pferde hatten unterdessen die ganze Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich gezogen, und während Einige den zierlichen Bau und das ungewöhnliche Feuer der beiden Thiere bewunderten, betrachteten sich Andere den seltsamen Aufzug des Reiters, den sie vorher nur im Vorüberfliegen gesehen hatten. Endlich nahte sich ihm Einer und fragte ihn sehr höflich: wie er zu dem Aufzug gekommen sey und wie und wo er seinen Gefährten verloren hätte?

»Seht Ihr Bruder,« versetzte der Commodore, »Ihr müßt mich nicht für eine so ganz kuriose Prise halten, da Ihr mich so wunderlich ausstaffirt seht und ich dazu einen Theil meiner Takelage verloren habe. Aber das Ding geht so zu: Heut morgen um zehn Uhr lichtete ich bei gutem Wetter und günstigem Süd-Süd-Ost die Anker, um zur nächsten Kirche auf die Ehestandsfahrt zu steuern. Aber seht Ihr, kaum hatten wir eine Viertelstunde zurückgelegt, da sprang der Wind um und blies uns gerade in die Zähne, und da mußten wir denn den ganzen Weg laviren. Aber wir waren dennoch schon so weit, daß wir den Hafen im Gesicht hatten, als diese H––brut von Pferden, die ich für eingefleischte Teufel halte und erst vor zwei Tagen gekauft habe, herumfuhren, sich nahe an den Wind hielten, das Steuer nicht mehr achteten und mit mir und dem Lieutenant wie der Blitz forttrieben. Er kam bald auf guten Grund vor Anker, aber ich mußte über Klippen und Sandbänke wegsegeln, und da habe ich bei den gewaltigen Stößen meine Perücke und meinen Tressenhut eingebüßt. Aber nun bin ich, Gott sey Dank! im stillen Fahrwasser und will nicht Hawser Trunnion heißen, wenn ich mich jemals wieder auf so eine verdammte Mähre setzen thue.«

Die Erklärung, womit diese sonderbare Erzählung geschlossen wurde, ward sogleich von einem aus der Gesellschaft benutzt, um die Bemerkung zu machen: die Pferde hätten große Fehler, und dann die Frage aufzuwerfen: wie der Commodore denke zurückzukommen? »I nun, ich miethe mir einen Schlitten oder einen Wagen oder so ein Ding wie einen Esel, denn ich will verflucht seyn, wenn ich jemals wieder auf ein Pferd steige,« sprach Trunnion – »Aber was wollen Sie mit den Pferden machen?« fuhr der Andere fort. »Feuer scheinen die Thiere zu haben, doch sind es rohe Füllen, und können alle mögliche Krankheiten bekommen. Das Eine scheint mir sogar buglahm zu seyn.« – »Ich wollte die Bestien hätten den Hals gebrochen,« entgegnete der Commodore, »obschon sie mir vierzig schöne Füchse kosten.« – »Was? vierzig Guineen!« rief der Andere; »o mein Gott! wie werden doch die Menschen betrogen! Diese Thiere sind ja so plump und ungeschickt, daß man sie kaum an den Pflug spannen kann. Sehen Sie nur wie eingefallen die Flanken sind, wie wenig scharf der Widerrüst ist! und das eine hat den Grind schon gehabt; betrachten Sie wie die Haare an der Ferse weggebrannt sind.«

Kurz dieser ehrliche Pferdekenner entdeckte jetzt an den beiden Thieren alle die Mängel, die man an dieser Art von Geschöpfen nur finden kann und bot endlich für Beide, mit der Bemerkung, zehn Guineen, daß er sie im Acker brauchen wollte, und Trunnion, der nach den erlittenen Unfällen nur zu bereit war alles anzuhören, was man Nachtheiliges von ihnen sagen konnte, glaubte dies gern und schloß, indem er eine ganze Ladung Flüche gegen denjenigen ausstieß, der sie ihm verkauft hatte, den Handel mit dem Squire, welcher bald darauf auf dem Pferderennen zu Canterbury den Preis mit diesen beiden Thieren gewann.

Nachdem dies zur Zufriedenheit beider Partheien und zur großen Belustigung der Gesellschaft, die sich höchlich über die Geschicklichkeit ihres Freundes freute, abgemacht war, setzte man den Commodore auf einen geduldigen Gaul, den ein Diener bis zum nächsten Dorfe leiten mußte, wo man ein Mittagsessen bestellt hatte und wo Trunnion Mittel und Wege fand, sich einen Hut und eine Perücke zu verschaffen; was aber die Verzögerung seiner Vermählung anbetraf, so trug er diesen Unfall mit philosophischem Gleichmuth und da die starke Bewegung seinen Appetit geschärft hatte, so setzte er sich jetzt mit seinen neuen Bekannten zu Tische und hielt eine tüchtige Mahlzeit, bei der er jeden Bissen mit einem Trunk Ale anfeuchtete, das ihm sehr behagte.


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