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XXVIII.

Peregrine erzürnt sich mit dem Commodore und dem Lieutenant, welcher sich demungeachtet seiner Sache annimmt.

Im höchsten Mißmuth verließ jetzt Jolter den jungen Mann und schrieb noch denselben Abend an Mistriß Trunnion einen Brief voll der bittersten Anmerkungen über das Betragen seines Zöglings, und so wie ihn der Jähzorn nur einzugeben vermochte. In Folge dieser Anklage, erhielt aber Peregrine nach wenigen Tagen ein Schreiben von seiner Tante, in welchem ihm diese haarklein alle die Wohlthaten vorrückte, die er von ihrem Gemahl empfangen hatte, indem sie ihm dabei zu bemerken gab, wie sein übles Betragen und seine Geringschätzung der erhaltenen Warnungen von seinem Hofmeister, den höchsten Tadel verdiene, und wie sie darauf bestehen müsse, daß er augenblicklich allen Umgang mit der Person abbräche, die ihn verführe, falls ihm noch ferner an ihrer und ihres Gemahls Gewogenheit etwas läge.

Unser Held, der sehr verfeinerte Begriffe von Edelmuth hatte, fühlte sich durch diese Aeußerungen der Mistriß Trunnion außerordentlich beleidigt und empfand jetzt den Schmerz den immer ein edles Gemüth fühlt, wenn es sich durch Verbindlichkeiten gegen eine Person niedergedrückt sieht, die es nicht zu achten vermag. Weit entfernt dem Gebote der Mistriß zu gehorchen oder durch Unterwürfigkeit sich vor ihr zu demüthigen, hob ihn sein Mißmuth über jede egoistische Betrachtung hinweg. Im Gegentheil beschloß er fester als je sich an Emilie anzuschließen; der Versuchung, Jolters Dienstfertigkeit durch eine Gegenanklage über dessen Leben und die Gesellschaften, welche er besuchte, zu vergelten, widerstand er jedoch edelmüthig, da er wußte, daß dieser Mann keine weitere Stütze hatte als die Gunst des Commodores. Die herben Vorwürfe seiner Tante vermochte er aber nicht so ruhig zu verschmerzen und beantwortete dieselben durch nachstehenden, an ihren Mann gerichteten, Brief:

»Mein Herr.«

»Obschon ich in Folge meiner Denkart mich nie so tief herabzuwürdigen vermochte den groben Weihrauch zu streuen, den nur ein Unedelmüthiger erwarten und ein Elender darzubringen vermag und den Sie wofern ich Ihren Charakter richtig kenne, auch gewiß nicht angenommen haben würden: so haben dennoch meine Gesinnungen stets Ihrem Edelmuthe und Ihrer Freigebigkeit gegen mich, vollkommene Gerechtigkeit widerfahren lassen und ich habe mich dafür auf das genaueste an die Vorschriften meiner Pflicht gehalten. Dieses mir bewußt, habe ich aber um so tiefer die unfreundliche, um nicht zu sagen, unedelmüthige, Vorrechnung aller von Ihnen erhaltenen Wohlwollenszeichen schmerzlich gefühlt, die mir Ihre Frau Gemahlin machte und da ich voraussetze, daß dieser Brief nicht ohne Ihren Willen und Beifall geschrieben wurde, so muß ich um die Erlaubniß bitten Ihnen versichern zu dürfen, daß ich, weit entfernt durch Drohungen mich einschüchtern zu lassen, sehr fest entschlossen bin lieber das trübste Loos aus den Händen des Geschickes anzunehmen, als mich einem solchen Zwange zu unterwerfen. Wenn man mich mit mehr Rücksicht und Achtung behandelt, werde ich dagegen nicht verfehlen mich immer so zu betragen wie es einem dankbaren Neffen zukommt.«

Trunnion, der so feine Unterschiede im Betragen nicht verstand und üble Folgen von dem Liebeshandel seines Neffen besorgte, war über dessen Trotz und Halsstarrigkeit gewaltig erbittert und schrieb sogleich nachstehende Antwort zurück, die Hatchway überbrachte, der zugleich den Befehl hatte, den Ungehorsamen in die Garnison zurückzubringen:

»Habt's gar nicht nöthig Eure glatten Worte bei mir vom Stapel laufen zu lassen. Ihr thut damit Euer Pulver und Blei ganz vergebens verplatzen und was Eure Tante euch gesagt hat, das ist die Wahrheit, seht Ihr's; denn seht Ihr, frei über Bord wegreden, ist immer das Beste. Ihr jagt jetzt einer bemalten Galeere nach; sie wird Euch in die Untiefen des Verderbens führen, wofern Ihr nicht klüger werdet und bessere Rechnung haltet. Ich habe lassen Jack Hatchway auslaufen, er soll sehen wie's Land liegt und Euch vor Gefahr warnen. Wollt Ihr Euer Schiff wenden und Euch in diesen Hafen steuern lassen, so sollt Ihr einen guten Ankergrund und freundlichen Willkomm finden; wo nicht, so könnt Ihr keinen weitern Beistand erwarten von Euren, wie Ihr Euch betragen werdet thun

Hawser Trunnion

Dieses Schreiben bestürzte und verdroß Peregrine ganz außerordentlich; es war völlig gegen seine Erwartung ausgefallen; auch stand er nicht an dem Lieutenant sogleich in einem entschlossenen Tone zu erklären: er könne zurückkehren, sobald es ihm beliebe, denn was ihn beträfe, so sey er gesonnen, hier zu bleiben.

Mit allen Gründen die sein Scharfsinn und seine Freundschaft aufzufinden vermochten, bestritt Hatchway diesen Entschluß und suchte ihn nachgiebig gegen den Commodore zu machen, der, wie er behauptete, jetzt von seinem Podagra höchst ärgerlich und verdrießlich gemacht würde und daher leicht in seinem Unwillen einen Schritt zu Peregrinens Nachtheil thun könne. Unter manchen andern Vermuthungen, die seinen Freund vielleicht abhielten besserem Rathe zu folgen, äußerte er dann auch die: der junge Mann habe vielleicht bei Emilie zu früh geentert und wolle sie nun nicht vor Wind und Wellen treiben lassen; sollte dies aber seyn, so wolle er selbst für das Gefäß und die Ladung sorgen und Acht haben, daß die letztere wohl abgeliefert würde, denn er hätte Respect vor dem jungen Weibsbilde und da sein Compaß selbst auf den Ehestand gerichtet sey und sie wahrscheinlich durch die Ladung nicht viel verloren haben würde, so wolle er mit ihr durchs Leben zu segeln suchen.

Alle diese Erinnerungen und Vorschläge blieben jedoch fruchtlos. Peregrine dankte lächelnd für das letztere freundschaftliche Erbieten und wiederholte seinen Entschluß, auf seinem ersten Vorsatze zu beharren. Da Hatchway jetzt aber sah wie halsstarrig sein junger Freund war, so glaubte er nun einen andern Ton anstimmen zu müssen und erklärte demnach rund heraus: er könne und würde ohne ihn nicht absegeln und Peregrine möchte daher nur unverzüglich Anstalten treffen die Anker zu lichten. Diese Eröffnung wurde von dem jungen Manne nur mit einem verächtlichen Lächeln erwiedert, und da er sich zugleich anschickte das Zimmer zu verlassen, so sprang der Lieutenant jetzt auf und stellte sich an die Thüre mit der drohenden Versicherung: er solle nicht darauf rechnen mit seinem Tollkopf so durchzukommen. Diese Vermessenheit, ihn mit Gewalt zurückhalten zu wollen, brachte den Andern jetzt auf; schnell schlug er dem hölzernen Fuße des Lieutenants ein Bein unter und legte Hatchway so augenblicklich auf den Rücken, dann aber ging er still und langsam dem Parke zu, um hier ungestört den traurigen Vorstellungen nachzuhängen, die jetzt seinen Geist beschäftigten.

Noch war er aber nicht weit gekommen, als er etwas hinter sich stampfen und schnaufen hörte und als er sich umsah den Lieutenant erblickte, in dessen Gesicht Zorn und Unwillen glühten. Der erbitterte Seemann, dem die erlittene Beschimpfung unerträglich dünkte und der in diesem Augenblick die frühere Freundschaft für Peregrine rein vergessen hatte, nahte sich ihm in großem Eifer und sprach: »Bruder, Ihr seyd ein patzig Bürschgen. Wär't Ihr zur See so würde ich Euer Hintercastell dem David preisgeben für Euren Ungehorsam; nun sind wir aber auf dem Lande und da müssen wir uns mit Pistolen herum knallen. Seht, hier ist ein Paar; wählt welche Ihr wollt.«

Peregrine, der sich unter der Zeit wieder etwas gesammelt hatte, begann es zu bereuen den ehrlichen Jack beleidigt zu haben und bat jetzt denselben um Verzeihung; allein der Andere nahm dies falsch auf und weigerte sich eine andere Genugthuung anzunehmen, als die so einem Officier gebühre. Er fragte dieserhalb den jungen Mann mit einem spöttischen Blick: ob ihm etwas für seine Haut bange würde? Diese Beschuldigung entflammte den Jüngling; mit einem wüthenden Blick erwiederte er: er habe nur zu viel Nachsicht mit seiner Schwäche gehabt, und bat ihn, ein Stückchen weiter mit ihm in den Park zu kommen, wo er ihm Gelegenheit geben würde seinen Irrthum einzusehen.

In diesem Augenblick holte Pipes die Beiden ein. Er hatte den Lieutenant fallen hören und hierauf gesehen, daß er seine Pistolen zu sich steckte: hieraus hatte er aber den Schluß gezogen, es müsse zwischen Beiden etwas gegeben haben und war ihnen nun sogleich gefolgt um seinen Herrn zu beschützen. Diese Absicht merkte Peregrine sogleich wie er ihn ankommen sah, und um sie zu vereiteln, nahm er eine heitere Miene an und befahl ihm, indem er vorgab sein Taschentuch im Gasthause liegen gelassen zu haben, ihm dasselbe zu holen und es ihm in den Park nachzubringen wo er sie wiederfinden würde. Nachdem dieser Befehl jedoch zweimal wiederholt und Pipes hierauf nur mit Kopfschütteln geantwortet hatte, Peregrine aber durch einige Flüche und Drohungen nun in ihn setzte sich zu entfernen, da gab der ehrliche Bootsmann endlich zu verstehen: er wisse recht gut was sie vorhätten und würde deswegen bleiben. »Was Euch anlangt Lieutenant Hatchway,« setzte er hinzu »so bin ich Euer Schiffskumpan gewesen und weiß, daß Ihr ein Seemann seyd und damit Basta. Und von meinem Herrn hier weiß ich, daß er soviel werth ist als irgend einer der zwischen Bug und Spiegel ging. Habt Ihr ihm daher was zu sagen, seht, so bin ich Euer Mann wie man zu sagen pflegt. Hier ist mein Prügel; Eure Platzer da achte ich soviel also einen alten Tau.«

Diese Rede, die längste, welche man bisher von ihm gehört hatte, beschloß er mit einem Schwunge seines Prügels und bestärkte sie mit so hartnäckigen Weigerungen sich zu entfernen, daß Beide die Unmöglichkeit einsahen ihre Sache mit den Waffen in der Hand ausmachen zu können. Man lief daher eine Zeitlang im tiefen Schweigen im Park umher: während dieser Zeit legte sich aber Hatchways Unwille; er streckte Picklen seine Hand zum Zeichen der Versöhnung hin und dieser ergriff und schüttelte sie herzlich. Nach diesem Friedensschluß begann man aber jetzt eine gemeinschaftliche Berathung über die Mittel zu halten, wodurch am besten allen obwaltenden Verlegenheiten abgeholfen werden könnte. Wäre Peregrinens Denkungsart, sowie die der meisten jungen Leute gewesen, dann würde es nicht viel Mühe gekostet haben seine Einwürfe zu besiegen, aber so war er so hartnäckig, daß er es völlig gegen seine Ehre hielt, den erhaltenen Brief leicht aufzunehmen. Statt sich Trunnions Verlangen zu unterwerfen, begehrte er vielmehr Genugthuung von ihm und wollte unter keiner andern Bedingung von einem Vergleiche hören.

»Wär' ich sein Sohn«, sprach er, »so würde ich seine Vorwürfe ruhig hinnehmen und ihn um Verzeihung bitten; da ich aber nur auf dem Fuß einer Waise bei ihm stehe und ganz von seiner Güte abhänge, so muß ich sorgfältig darauf halten, daß ich nicht mit Geringschätzung behandelt werde. Jetzt wende ich mich an meinen Vater, den sowohl die Bande der Natur als die Gesetze des Landes verpflichten, mir beizustehen; sollte er sich aber dennoch weigern, so wird es mir so lange der König noch Leute zu seinen Diensten braucht, nicht an Mitteln fehlen mir fortzuhelfen«.

Dieser Wink beunruhigte Hatchway; er bat seinen Freund keinen Schritt weiter zu thun bis er mehr von ihm hören würde, und reiste dann noch denselben Abend nach dem Castell zurück, wo er dem Commodore Bericht von dem schlechten Ausgange seiner Unterhandlungen abstattete und ihm erzählte, wie übel Peregrine seinen Brief aufgenommen habe und welchen Entschluß er gefaßt hätte. Dann fügte er noch hinzu: er möchte eilen seinen Pathen zu versöhnen, da er ihn sonst schwerlich jemals wiedersehen würde.

Diese Nachricht bestürzte den alten Herrn sehr; er hatte von dem jungen Manne den demüthigsten Gehorsam und die größte Reue erwartet, und fand jetzt das reine Gegentheil, ja er sollte sich sogar zu der Rolle eines Bereuenden verstehen oder dem Umgange mit seinem Liebling für immer entsagen. Dieser Uebermuth riß ihn anfänglich zu dem unbändigsten Zorn hin; er stieß seine gewohnten Flüche mit einer solchen Schnelligkeit aus, daß er sich kaum Zeit zum Athemholen nahm und beinahe vor Grimm erstickt wäre, dann aber verfluchte er Peregrinens Undankbarkeit und schwor hoch und theuer, der Patron müsse gekielhohlt werden: als er aber endlich die Sache kaltblütig zu überlegen und Hatchways Zureden, den er immer als ein Orakel ansah, ein geneigtes Ohr zu verleihen begann, da legte sich sein Unwille und er beschloß, Peregrine wieder zu Gnaden aufzunehmen.

Diese Versöhnlichkeit wurde übrigens größtentheils mit durch des Lieutenants Erzählung von dem wackeren Benehmen des jungen Mannen beim Balle sowohl als bei seinem Zusammentreffen mit ihm im Parke, herbeigeführt, doch war der verwünschte Liebeshandel immer noch ein Schreckbild, welches Trunnion ängstigte, der den Grundsatz für unbestreitbar hielt, daß ein Weib stets die Quelle allen Unglücks für einen Mann sey; einen Weisheitsspruch den er seit seiner Verheirathung freilich nur noch im Stillen gegen diejenigen von seinen Freunden äußerte, auf deren Verschwiegenheit er rechnen konnte.

Da ihm nun Jack in dem Punkte wegen Emilie nicht zu rathen vermochte, so beschloß er jetzt seine Gemahlin um ihre Meinung zu befragen, die nicht weniger als er erstaunte, als sie vernahm, ihr Brief habe eine durchaus verfehlte Wirkung hervorgebracht. Sie maß jetzt die Halsstarrigkeit des Jünglings der unzeitigen Nachsicht des alten Herrn bei und nahm ihre Zuflucht zu dem Pfarrer, der seinerseits den Vortheil seines Freundes Jolter im Auge habend, den Rath ertheilte: den jungen Herrn auf Reisen zu schicken, wo er dann wahrscheinlich seine Liebesgrillen vergessen würde. Dieser vernünftige Vorschlag wurde auch sofort allgemein gebilligt, und Trunnion ging in sein Zimmer und brachte hier nach verschiedenen mühsamen Versuchen, nachstehendes Briefchen zusammen, womit Hatchway noch denselben Tag wieder nach Windsor abging:

»Mein guter Junge.«

»Hab' ich Euch in meinem letzten Briefe was zu leide gethan, seht Ihr, so thut mirs herzlich leid. Ich dachte es wär' das beste Mittel Euch aufzubringen. Künftig sollt Ihr das Kabeltau etwas länger haben. Könnt Ihr etwas Zeit entbehren, so soll mir's lieb seyn, wenn Ihr einen Abstecher machen thut um Eure Tante zu sehn und mich, der sich nennt

Euer Pathe und Diener
Hawser Trunnion

P. S.

»Fehlt's Euch an Geld, so könnt Ihr auf mich nur anweisen thun, seht Ihr.«


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