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XXIII.

Peregrine wird vom Commodore zurückgerufen. Der Haß seiner Mutter dauert so wie die Schwäche seines Vaters, fort.

Nach dieser kurzen Betrachtung wollen wir uns wieder zu Peregrine wenden der jetzt von seinem Onkel den Befehl erhielt, sich im Castell einzufinden, wo er auch sehr bald mit Jolter und Pipes erschien und mit Freude und Vergnügen empfangen wurde. Die Veränderung welche sich während der Zeit seiner Abwesenheit mit ihm zugetragen hatte, war seinem Aeussern sehr vortheilhaft gewesen: aus dem hübschen Knaben war ein reizender Jüngling geworden; sein Wuchs hatte sich gesetzt, seine Züge sich gestaltet, kurz, seine ganze Erscheinung war so kräftig und anmuthig zugleich, daß man ihn für ein Musterbild männlicher Schönheit nehmen konnte.

Eine solche Außenseite mußte nothwendig die Menschen zu seinem Vortheil stimmen und so günstige Nachrichten der alte Commodore auch von seiner Persönlichkeit bisher von ihm erhalten hatte, so fand er dennoch seine Erwartungen weit übertroffen und gab dies durch manchen lebhaften Ausdruck zu erkennen. Peregrines artiges Betragen machte auf Mistriß Trunnion einen nicht minder günstigen Eindruck; sie empfing ihn mit ungewöhnlichen Zeichen des Wohlwollens; alle Nachbarn überhäuften ihn mit Liebkosungen, aber, indem so Jedermann sich bestrebte seine Vollkommenheiten zu bewundern, konnte man sich zugleich auch nicht erwehren die bethörte Mutter zu bedauern, die sich selbst des Vergnügens beraubte das jede andere Mutter in dem Anblick eines solchen Sohnes gefunden haben würde.

Mehrere wohlgesinnte Leute gaben sich die nutzlose Mühe das unnatürliche Vorurtheil dieser Frau zu bekämpfen; vergebens! statt das Uebel zu heilen vermehrten sie es nur noch mehr: durch nichts in der Welt konnte Mistriß Pickle dahingebracht werden ihrem Sohne auch nur das geringste Merkmal mütterlicher Liebe zu gewähren; im Gegentheil artete ihr Widerwille nach und nach zu einem solchen Hasse aus, daß sie sogar alle Mittel anwendete, ihrem Sohne die Gewogenheit des Commodores zu entziehen. Sie sprengte zu dem Ende die nachtheiligsten Gerüchte gegen Peregrine aus, und belästigte ihren Gatten alle Tage mit selbst fabricirten Beispielen von seines Sohnes Undankbarkeit gegen seinen Onkel, der, wie sie wußte, dies des Abends jedesmal richtig wieder erfuhr.

In der That verfehlte der alte Pickle auch nicht dem Commodore im Clubb treulich wieder zu erzählen, wie sein hoffnungsvoller Liebling ihn da und dort lächerlich gemacht oder seiner Mutter eines angehangen habe; kurz, er verschwieg nichts von dem was die erfindungsreiche Bosheit seiner Frau ausgebrütet hatte. Zum Glück für Peregrine war Trunnion aber nicht der Mann um ein großes Vertrauen in Gamaliels Glaubwürdigkeit zu setzen; er kannte den Canal aus welchem diese Nachrichten flossen zu gut, und überdem hatte der junge Mann an Hatchway einen Freund, der ihn gegen jede mäßige Klage vertheidigte und immer Gründe genug fand, die Behauptungen seiner Feinde zu widerlegen.

Wenn aber auch Trunnion wirklich den Einflüsterungen von Peregrinens Gegnern hätte Gehör geben und gegen die Reden des Lieutenants taub bleiben wollen, so würde unser Held dennoch ein Bollwerk gehabt haben, das stark genug war ihn gegen alle Angriffe zu schützen: es war dies seine Tante selbst, bei der man ein Zunehmen ihrer Gewogenheit gegen ihn in demselben Maaße wahrnehmen wollte, als die Abneigung seiner Mutter stieg, so daß es sehr wahrscheinlich wurde, daß Eines das Andere bedingte, um so mehr da die beiden Damen zwar öffentlich gegen einander die Pflichten der Höflichkeit und Nachbarschaft streng beobachteten, sich im Herzen aber auf das grimmigste haßten.

Mistriß Pickle hatte der Glanz der neuen Equipage ihrer Schwägerin unendlich verdrossen und sie gab sich seit dieser Zeit die größte Mühe wo sie nur hinkam, die Gesellschaft mit beißenden Spöttereien über die Schwachheiten der armen Frau zu belustigen; Mistriß Trunnion ermangelte dagegen nicht bei jeder Gelegenheit Repressalien zu üben und sich über das unnatürliche Betragen ihrer Schwägerin gegen deren leibliches Kind zu äußern. Dieses Streites wegen ward Peregrine daher von der einen Seite eben so gelobt als von der andern getadelt, und sicher wäre es das beste Mittel gewesen ihn um alle Gunst in des Commodore Hause zu bringen, wenn man sich im väterlichen Hause gestellt hätte als wolle man sich seiner annehmen. Mag übrigens diese Mutmaßung gegründet seyn oder nicht, so viel ist gewiß, der Versuch wurde nicht gemacht, und Peregrine lief daher keine Gefahr in Ungnade zu fallen.

Ueber die Fortschritte, welche sein Schützling gemacht hatte, war Trunnion, der sich mit Recht das ganze Verdienst von dessen Erziehung zuschrieb, so vergnügt, als wäre Peregrine sein eigner Sohn, ja seine Neigung zu dem jungen Menschen stieg zuweilen zu einer solchen Höhe, daß er sich wirklich manchmal einbildete er sey in der That sein Kind. So gut aber auch Peregrine bei seinen Verwandten im Castell stand, so empfand er doch nicht weniger das Unrecht, welches ihm seine Mutter erzeigte und obgleich seine natürliche Heiterkeit ihn abhielt sich dieserhalb mit trüben Gedanken zu ängstigen, so mußte er doch einsehen, daß er sich in einer sehr mißlichen Lage befinden würde wenn ihm ein Zufall den Commodore plötzlich rauben sollte. Diese Betrachtung bewog ihn denn seinen Onkel eines Abends in den Clubb zu begleiten um sich hier seinem Vater vorzustellen der nicht das Mindeste von dieser Ueberraschung ahnete. Wirklich wurde auch Gamaliel durch nichts in seinem Leben so außer Fassung gesetzt als hierdurch. Seine Schwäche erlaubte es ihm nicht etwas zu thun was seine Ruhe im Mindesten hätte stören oder ihn um sein Abendvergnügen bringen können, und die Furcht vor seiner Frau war so groß, daß er es nicht wagte, den besseren Eingebungen seines Herzens zu folgen. Er hielt sich dieserhalb wie schon gemeldet, völlig neutral und schwankte jetzt als ihm Peregrine vorgestellt ward, willenlos zwischen diesen verschiedenen Beweggründen hin und her. Still und stumm, gleich als hätte er dessen Anrede nicht verstanden oder nicht verstehen wollen, blieb er sitzen und als ihn nun Peregrine auf das rührendste bat: ihm doch zu sagen wodurch er sich eigentlich sein Mißfallen zugezogen habe, da antwortete er in einem mürrischen und verlegenen Tone: »Je, Kind, was wollt Ihr denn das ich thun soll? Eure Mutter kann Euch nicht leiden.« – »Wenn auch meine Mutter so ungütig oder unnatürlich ist, mir ohne Grund ihren Anblick und ihre Gewogenheit zu entziehen,« erwiederte Peregrine mit Thränen des Unwillens in den Augen, »so hoffe ich doch werden Sie nicht so ungerecht seyn eben so gegen mich zu handeln?«

Ehe Sir Gamaliel noch Zeit hatte diesen Vorwurf, auf welchen er nicht gefaßt war, zu beantworten, legte sich jetzt der Commodore in das Mittel und verstärkte die Vorstellungen seines Pflegesohnes dadurch, daß er äußerte: es sey erbärmlich wenn ein Mann sich hinter die Schürze eines Weibes zu verstecken suche. »Ich meines Theils,« fuhr er fort, indem er dabei die Stimme erhob und einen gebieterischen Blick annahm: »ich meines Theils würde ehe ich litte, daß irgend ein Weibsbild in der ganzen Christenheit mich herumzusteuern suchte, einen solchen Orkan vor ihren Ohren erregen daß....«

Hatchway, der seinen Kopf lauschend zur Thüre hereinsteckte, unterbrach ihn hier. »Da kommt Ihre Gemahlin!« rief er, »sie will uns besuchen.« Schnell veränderten sich Trunnions Züge; Furcht und Betroffenheit malten sich in demselben und der Posaunenton seiner Stimme verwandelte sich in leises Flüstern. » Jack, Ihr irrt Euch,« sprach er und wischte sich in großer Verwirrung den Schweiß von der Stirne; nachdem ihn aber der Lieutenant auf diese Art für seine Großsprecherei bestraft hatte, erklärte er mit einer Schalksmiene: Das Knarren der äußeren Thüre müsse ihn getäuscht haben und er hätte diesen Ton aus Versehen für Mistriß Trunnions Stimme gehalten; dann aber wünschte er, daß er in seinen Ermahnungen gegen Sir Pickle fortfahren möchte.

Leugnen kann man nicht, daß Trunnions Uebermuth ein wenig übel angebracht war, denn er stand in der That nicht weniger unter dem Pantoffel seiner Frau als der Mann dessen Betragen er schalt, doch bestand ein Unterschied zwischen Beiden der aus ihrem Charakter entsprang: Trunnion war unterwürfig wie ein Bär, der trotzig und murrend seine Kette schleppt, Gamaliel hingegen trug sein Joch wie ein geduldiges Lastthier. Es war daher auch kein Wunder, daß dieser Letztere am Ende den Gründen und Zureden seiner Freunde nicht länger zu widerstehen vermochte und ihren Ermahnungen nachgebend, zuletzt seines Sohnes Hand ergriff und demselben für die Folge seine väterliche Liebe und seinen Schutz versprach.

Leider war dieser löbliche Entschluß nicht von langer Dauer. Mistriß Pickle, die immer einen Zweifel in seine Standhaftigkeit setzte und der sein Umgang mit dem Commodore längst unangenehm war, unterließ nie sich jede Nacht nach den Gesprächen zu erkundigen die im Clubb vorgefallen waren und nach diesen Nachrichten ihre Ermahnungen einzurichten. Gamaliel war daher heute kaum wohlbehalten in's Bette, den gewöhnlichen Ort zu den Vorlesungen der Frauen gelangt, als sie ihn auszufragen begann, wo sie denn sogleich etwas widerspenstiges und zweideutiges in seinen Antworten fand. Durch diese Entdeckung nur noch mehr angefeuert, bediente sie sich aber nun ihrer Macht und Erfahrenheit mit solchem Erfolge, daß sie bald alles auf das genaueste wußte. Jetzt las sie ihm wegen seiner Einfalt und Unbesonnenheit tüchtig den Text und brachte ihn dann soweit, daß er versprechen mußte den folgenden Tag alles Zugesagte zu widerrufen und dem ruchlosen Gegenstande ihres Hasses auf immer zu entsagen. Dies geschah denn auch in einem Briefe, den sie ihrem Manne dictirte und der also lautete:

»Sir.«

»Man hat gestern Abend meine Gutmüthigkeit mißbraucht und mich dazu verleitet, dem jungen Taugenichts dessen Vater zu seyn ich das Unglück habe, meinen Schutz und wer weiß was noch alles, zu versprechen. Ich bitte Sie daher zu bemerken, daß ich alle diese Versprechungen hiermit feierlich zurücknehme und keinen mehr als meinen Freund betrachten werde, welcher dieser Sache wegen ferner in mich dringt.

Ihr etc.«


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