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Trunnion wird dennoch in das Ehestandsjoch geängstigt.
Dieser plötzliche Aufbruch, verbunden mit der vorherigen Erklärung, griffen die Dame so an, daß sie vor Kummer und Aerger krank wurde; nachdem sie aber drei Tage im Bette gelegen hatte, ließ sie ihren Bruder rufen, und sagte diesem, sie fühle, daß sich ihr Ende nahe, und bäte ihn daher, einen Notar holen zu lassen, um ihren letzten Willen aufzusetzen. Sehr verwundert über dies Begehren, begann Sir Pickle den Tröster zu spielen und ihr zu versichern, ihre Unpäßlichkeit habe nichts zu bedeuten, doch wolle er nach einem Arzte schicken, der sie blos überzeugen sollte, daß gar keine Gefahr vorhanden wäre und mithin die Gegenwart eines Rechtsgelehrten durchaus nicht nothwendig sey. Ueberhaupt war der Bruder der Meinung, die Entwerfung eines Testaments sey völlig überflüssig, indem er ja von Gott und Rechtswegen der alleinige Erbe ihres sämmtlichen Besitzthums wäre; doch sie bestand mit solcher Hartnäckigkeit auf ihrem Verlangen, daß man sich genöthigt sah nachzugeben. Der Notar kam und sie machte nun ein Testament, in welchem sie dem Commodore Trunnion tausend Pfund aussetzte, um sich dafür einen Trauring zu kaufen, den er, wie sie hinzusetzte, ihr zum Andenken und als ein Zeichen ihrer Freundschaft und Zuneigung hoffentlich tragen würde. Ob nun schon dieser Beweis ihres zärtlichen Herzens ihren Bruder nicht sonderlich erbaute, so ermangelte er doch nicht, noch denselben Abend Hatchway alles zu hinterbringen und ihm zugleich zu sagen, daß auch er im Testamente bedacht sey.
Jetzt wartete der Lieutenant nur auf eine bequeme Gelegenheit, diese Nachrichten an Mann zu bringen, und kaum bemerkte er, daß sich das Gesicht des Commodore wieder etwas in minder grimmige Falten zu legen begann, so eilte er ihm zu melden, daß Pickle's Schwester auf den Tod läge, und ihm tausend Pfund in ihrem letzten Willen ausgesetzt hätte. Trunnion wurde hierüber sehr verlegen, und Hatchway glaubte nun den günstigen Augenblick benutzen zu müssen, und rieth ihm, das arme Mädchen, die aus Liebe für ihn den Tod litt, zu besuchen. Diese Ermahnung hatte jedoch nicht die gewünschte Wirkung, und kaum erfuhr der Commodore die Ursache der Krankheit, so stellte sich seine grimmige Laune wieder ein. Er brach in einen Strom von Verwünschungen und Flüchen aus, und eilte in seine Hängematten zurück, wo er vier und zwanzig Stunden lang ohne Aufhören seine Flüche und Schwüre mit dumpfem Brummen wiederholte. Für den Lieutenant war dies ein wahres Fest; und um sich noch mehr Vergnügen zu verschaffen und zugleich den Plan, zu dem er einmal die Hand geboten hatte, befördern zu helfen, ersann er eine List, die auch den besten Erfolg hatte. Er beredete nämlich den ihm ganz ergebenen Pipes, um Mitternacht auf die Feueresse zu steigen, die zu dem Kamin in des Commodore Schlafzimmer führte, und ein Bündel übelriechender Kohlen an einem Strick hinabzulassen, dann aber durch das Sprachrohr hinunter zu schreien: » Trunnion! Trunnion! laß Dich splizen, oder werde verdammt! Splizen heißt bei den Seeleuten die zwei Enden eines Taues so zusammenzuflechten, daß ein Ganzes daraus wird.«
Diese Ermahnung, die durch das Dunkel und die Stille der Nacht sowohl als durch das Echo in der Feueresse noch furchtbarer wurde, ward von dem Commodore nicht sobald vernommen, als er seinen Blick dahin wandte, woher die feierliche Anrede zu kommen schien, und in demselben Augenblicke wurde er auch etwas Dunkelglühendes gewahr, das aber alsbald wieder verschwand. Sein Schreien über diese Erscheinung, die von seiner Furcht in einen übernatürlichen Boten in einem glänzenden Gewande verwandelt ward, wurde aber noch größer, als er plötzlich einen donnerähnlichen Knall vernahm, der durch einen Pistolenschuß entstand, den Pipes, seiner Anweisung gemäß, den Kamin hinabgefeuert hatte, worauf er dann ganz langsam wieder von der Esse herabstieg, ohne Gefahr zu laufen, von seinem Herrn entdeckt zu werden, der beinahe eine Stunde lang vor Schreck und Bestürzung wie betäubt da lag.
Endlich, nachdem er sich erholt hatte, klingelte er nach seinen Leuten, aber Niemand kam, so oft er dies auch wiederholte und nun kehrte seine Furcht verdoppelt zurück. Ein Todesschweiß überlief ihn, seine Knie schlugen an einander, seine Haare sträubten sich empor und die Ueberbleibsel seiner Zähne wurden durch das convulsivische Beben seiner Kinnladen ganz zerschmettert. In dieser Todesangst raffte er voller Verzweiflung die letzten Kräfte zusammen, sprengte seine Thüre auf, und stürzte in Hatchway's Gemach, das sich zum Glück in demselben Stockwerke befand. Aber hier sahe er den Lieutenant in einer verstellten Ohnmacht liegen, aus welcher sich dieser nur langsam zu erholen schien, und endlich ausrief: »Gott steh' uns Allen bei!«
Der entsetzte Commodore fragte, was ihm begegnet wäre? und Hatchway versicherte nun: er habe ebenfalls die furchtbare Stimme und den Donnerschlag gehört, die Trunnion so erschüttert hätten.
Einen völlig gleichen Bericht stattete Pipes ab, der diese Nacht die Wache hatte, und der Commodore begann nun mit allen den Vergrößerungen, die ihm seine aufgeregte Einbildung eingab, die Erscheinung, welche er gehabt hatte, zu erzählen. Man hielt jetzt Rath, und Hatchway beliebte sehr ernsthaft die Bemerkung zu machen: Hier zeige sich Gottes Finger so offenbar, daß es sündlich und thöricht wäre, nicht auf das Gebot zu hören, zumal da die vorgeschlagene Parthie in jedem Betracht vortheilhafter sey, als sie ein Mann von Trunnion's Jahren und schwächlichem Körper vernünftigerweise erwarten könne; dann setzte er noch hinzu: er sey nicht gesonnen Leib und Seele in Gefahr zu setzen und nur einen Tag noch länger mit einem Menschen unter einem Dache zu leben, der Gottes klar ausgesprochenen Willen verachte; ein Entschluß, dem Tom Pipes vollkommen beistimmte.
Sovielen Angriffen vermochte die Beharrlichkeit des Commodore nicht länger zu widerstehen; schweigend überlegte er alle Beweggründe für und wider, und nachdem er sich gleichsam in dem Labyrinthe seiner Gedanken verirrt hatte, wischte er sich den Schweiß vom Gesichte, und gab mit einem kläglichen Seufzer folgendermaßen den Vorstellungen seiner Gefährten nach: »Na, wenn's denn seyn muß, da müssen wir nur entern, aber Tod und Verdammniß! es ist um die Pest zu kriegen, wenn ein Bursche von meinen Jahren, seht Ihr's, genöthigt wird, den Rest seines Lebens windwärts gegen den Strom seiner Neigungen zu segeln.«
So wie dieser wichtige Punkt abgemacht war, eilte Hatchway den folgenden Tag zu der verzweifelnden Schönen, die sich für die erfreuliche Nachricht höchst erkenntlich bewies, und trotz ihrer Krankheit sich nicht enthalten konnte über die List zu lächeln, durch welche man ihrem Verehrer die Einwilligung abgepreßt hatte. Tom Pipes erhielt von ihr für die Rolle, die er bei der Sache gespielt, ein Geschenk von zehn Guineen.
Den Nachmittag willigte der Commodore ein, daß man ihn nach dem Zimmer der Mistriß führte; er glich hierbei einem Missethäter, den man zum Richtplatz schleift. Die Dame empfing ihn mit einem schmachtenden Wesen und in einem zierlichen Negligée; ihre Schwägerin, die aus begreiflichen Gründen sehr für den guten Erfolg des Unternehmens besorgt war, befand sich bei ihr; allein obschon der Lieutenant dem Commodore alle mögliche Anweisung gegeben hatte, wie er sich jetzt benehmen sollte, so schnitt dieser dennoch entsetzliche Gesichter, eh' es ihm nur gelang, die Worte: »Wie befinden Sie sich?« hervorzuwürgen. Sein Beistand spornte ihn jetzt weiter zum Reden, und flüsterte ihm unaufhörlich etwas zu, er aber antwortete immer überlaut: »Daß Ihr verdammt würdet! ich will nicht.« Endlich stand er doch auf, hinkte nach dem Ruhebette, auf welchem Mistriß Grizzle in banger Erwartung hingelehnt lag, und ergriff ihre Hand, um sie zu küssen; doch legte er diesen Beweis seiner Galanterie mit einem so störrischen, unwilligen und unhöflichen Wesen ab, daß die Dame alle ihre Entschlossenheit nöthig hatte, um nicht zurückzufahren; er selbst fühlte sich aber über das, was er gethan, so betreten, daß er sich sogleich an das entgegengesetzte Ende des Zimmers zurückzog und sich hier still und stumm, vor Schaam und Unwillen glühend, niederließ.
Als eine Frau, die zu leben weiß, zog sich Mistriß Pickle jetzt unter einem guten Vorwande zurück, und auch Hatchway verstand diesen Wink, und verließ, unter dem Vorgeben, seine Dose holen zu wollen, das Zimmer, damit die beiden Liebenden Raum gewönnen, sich gegen einander auszusprechen.
In einer mißlicheren Lage hatte sich der Commodore noch nie befunden; er saß in einer wahren Todtenangst da, gleich als erwarte er jeden Augenblick die Auflösung seiner Natur, und seine Pein wurde wo möglich durch die um Hülfe flehenden Seufzer seiner Braut noch vermehrt. Ungeduldig blickte er überall im Zimmer umher, gleich als hoffe er irgendwo Erleichterung zu finden; zuletzt konnte er es aber nicht länger aushalten, und rief: »Verflucht wär' der Kerl mit seiner Dose! ich glaube, der Halunke ist abgesegelt, und läßt mich hier auf dem Grund sitzen!«
Mistriß Grizzle, die Trunnion's Aeußerungen seines Verdrusses nicht länger unbemerkt lassen konnte, begann nun ihr trauriges Geschick zu bejammern und sich darüber zu beklagen, daß sie ihm so zuwider sey, daß er nicht einmal einige Minuten in ihrer Gesellschaft zubringen könne, wobei sie ihm denn zugleich in zärtlichen Ausdrücken seine Grausamkeit und Gleichgültigkeit vorwarf.
»Was zum Kukuk will denn das Weibsbild?« rief er jetzt, »mag der Chorrock kommen und seinen Senf machen! ich bin ja völlig parat mich an den Ehestandsblock schmieden zu lassen: das seht Ihr ja! Verflucht wäre der Schnack!«
Mit diesen Worten hinkte er fort, und ließ seine Gebieterin gar nicht unzufrieden mit seiner Treuherzigkeit zurück; denselben Abend nahm man aber den Heirathsvertrag noch vor und schloß ihn unter Vermittlung des Lieutenants und Sir Pickle's völlig ab; doch durfte kein Notarius dabei gegenwärtig seyn, denn Trunnion hatte es zu einer unumstößlichen Bedingung gemacht, daß keine Gerichtsperson ins Spiel gezogen würde.
Jetzt schwellte Freude das Herz der Mistriß Grizzle; ihre Gesundheit, die, nebenbei bemerkt, nicht sonderlich gelitten hatte, stellte sich, wie durch Zauberei, wieder her, und sie wandte nun die kurze Zeit ihrer Ehelosigkeit dazu an, Schmuck und Kleidungsstücke auszusuchen, um den Eintritt in den neuen Stand desto feierlicher und glänzender zu machen.