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Etwas Galgenhumor.
Wir möchten, ehe wir an den Bericht über einen berühmten Scharfrichterproceß schreiten, einer doppelten Ueberzeugung Ausdruck geben: der nämlich, daß es noch nie einen launigeren Scharfrichter gegeben hat, als Herrn Pipperger in Prag, sowie jener, daß die dort ansässigen Czechen immerdar als weltgeschichtliche Beispiele für die Erhabenheit nationaler Begeisterung dienen werden. Eines wie das Andere erklärt sich aus dem Vorfalle, welcher Anlaß zu der Gerichtsverhandlung gegeben hat. Im sogenannten Schwarzen Brauhause zechte nämlich Herr Pipperger an einem Tage, wo er gerade niemanden zu hängen hatte, inmitten der übrigen Gäste und überdachte vermutlich, wie angenehm es wäre, wenn er endlich einmal auch sein Geschäft an den Nagel hängen könnte. Herr Pipperger ist jener wackere Scharfrichter, welcher seinerzeit aus dem friedlichen Wettkampfe, welchen er mit einer anderen Scharfrichterfirma über die Technik des Hängens geführt, als Sieger hervorgegangen, indem er nachwies, welch' namhafte Verbesserungen er bei dieser Todesart angebracht habe, und wie dieselbe, von seiner Hand herbeigeführt, zweifelsohne der schwedischen Heilgymnastik am nächsten komme. Der Ruf Pippergers ist seitdem ein so gefestigter, daß ihm vor einiger Zeit der die Execution leitende Beamte einen etwas ängstlichen Delinquenten mit dem an den letzteren gerichteten, freundlichen Zuspruche übergab: »Leben Sie wohl, es thut nicht weh!« Wenn dennoch die Bevölkerung im Umgange mit diesem Künstler einige Zurückhaltung an den Tag legt, so erklärte sich Herr Pipperger dieselbe bisher lediglich aus dem im Volke so tief eingewurzelten Vorurtheile, es sei besser, den Dingen ihren natürlichen Lauf zu lassen und nicht hemmend in die Respiration eines Mitbürgers einzugreifen. An dem erwähnten Tage aber, im »Schwarzen Brauhause« sollte er darüber belehrt werden, daß der Grund der herrschenden Abneigung ganz wo anders zu suchen sei.
Es befanden sich an einem Nebentische mehrere czechische Patrioten in einem ernsten politischen Gespräche begriffen über die harte Bedrückung ihres Vaterlandes durch das deutsche Element. Sie gaben wohl zu, daß es in jüngster Zeit durch einige Verordnungen etwas besser geworden sei, allein noch immer werde eines der edelsten Menschenrechte mit Füßen getreten, indem jahraus, jahrein so viele Söhne der Nation von einem deutschen Henker aufgeknüpft würden, ohne sich gegen diesen verderblichen Einfluß des Germanenthums wehren zu können. Es sei an eine dauernde Besserung der Zustände nicht zu denken, so lange solchergestalt ein Deutscher es öffentlich wagen dürfe, einen Czechen von oben herab zu behandeln, aufzuziehen und ihm schließlich den Mund zu stopfen. Wie bitter müßten nicht die letzten Augenblicke jener unglücklichen Czechen gewesen sein, welche dem Scharfrichter in aller Eile noch sagen wollten, er möge einmal eine Woche bei sich selbst anfangen, und die aus seiner Antwort entnehmen mußten, daß er, das czechische Idiom nicht verstehend, der Meinung sei, er habe eine Aeußerung tiefster Reue und Zerknirschung vernommen? Es wäre unwürdig, eine solche Bevormundung noch länger zu ertragen und man möge deshalb eine mit Unterschriften versehene Petition an die Statthalterei richten, des Inhalts: »Wir brauchen keinen deutschen Henkersknecht, wir müssen einen czechischen Scharfrichter haben!«
Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß in der Fassung dieser Petition eine kleine Schmeichelei für die Deutschen liegt, insbesondere im Hinblick auf die eben ausgesprochene Tendenz der Bittsteller. »Wir brauchen keinen deutschen Henker« – das kann nur so viel heißen als: Wir sind gewiß, daß in Hinkunft kein Deutschböhme mehr irgend etwas mit dem Galgen zu thun haben wird. »Wir müssen einen czechischen Scharfrichter haben« – das ist ein so dringlich gestelltes Verlangen, giebt sich so sehr als ein Postulat der unabänderlichen Nothwendigkeit und bekundet ein so sicheres Kalkül zukünftiger Ereignisse, daß es in der That ein bedeutender Fehler der Regierung wäre, diese Forderung nicht zu bewilligen, zumal die deutsche Partei gewiß nichts gegen den liberalen Grundsatz einwenden wird, daß Jeder nach seiner Facon gehenkt werden soll.
Das erwähnte Gespräch zwischen den czechischen Herren war so laut geführt worden, daß der Scharfrichter jedes Wort vernahm. Offenbar befürchtend, daß die Petition Erfolg haben werde, soll er nun jenen Herren gegenüber die Hoffnung ausgesprochen haben, daß es ihm in diesem Jahre noch beschieden sein werde, recht viele Czechen aufzuhängen. Und da sich die Herren über diese unfreundliche Aussicht sehr erbosten und heftige Reden gegen ihn führten, so ließ sich der Scharfrichter sogar herbei, eine der Persönlichkeiten bekannt zu geben, welche er mit voller Zuversicht bald am Galgen behandeln zu können erwarte. Es war dies einer der Sprecher, Herr Manko. Ja, setzte Herr Pipperger aufgeräumt und arbeitslustig hinzu, er möchte diesen Herrn Manko am liebsten auf der Stelle irgendwo aufhängen. Herr Manko beantwortete diesen unbedachten Wunsch mit einer grimmigen Ohrfeige, nach deren Empfang sich Herr Pipperger veranlaßt sah, Herrn Manko zur vorläufigen Genugthuung ein Bierglas an den Kopf zu werfen. Herr Manko nannte den Scharfrichter hierauf einen »deutschen Gauner«, und es geschah weiters, daß ein anwesender Eisenbahnbeamter Herrn Pipperger an der Gurgel packte, worüber der Letztere ganz besonders ärgerlich wurde, da er am besten wußte, wie gefährlich man einem Menschen an dieser Stelle werden könne. Schließlich entstand ein allgemeiner Tumult, es erschien Wache und der Scharfrichter wurde seiner eigenen Sicherheit halber hinweggeführt.
Er überreichte unverzüglich gegen seine Angreifer die Ehrenbeleidigungsklage. Bei der Verhandlung ließ Herr Pipperger durchblicken, daß er in der That, wenn man ihm die Wahl ließe, lieber czechische Delinquenten abthun würde als deutsche; denn er sagte: »Ich muß Den henken, den man mir befiehlt – ja wenn ich das alleinige Recht dazu hätte, dann ...« Herr Pipperger verschluckte hier, wie es scheint, das Programm, welches er in Betreff seiner diesjährigen Thätigkeit im Schwarzen Brauhause kundgegeben.
Nach langem Zureden und nachdem von den Geklagten das Bedauern über den ganzen Vorfall im Schwarzen Brauhause ausgesprochen worden war, zog Herr Pipperger die Anklage zurück, worauf die Freisprechung der Beschuldigten erfolgte.
Man mußte übrigens besorgen, daß Herr Pipperger auch in Ungarn eine nationale Bewegung hervorrufen werde. Er wurde nämlich nach Essegg berufen, um dort zwei Raubmörder abzuthun. Eine solche Uebergehung der ungarischen Scharfrichter werden auch die dortigen Exaltados auf die Dauer nicht ertragen, sondern ebenfalls fürchterlich über Germanisation zetern.
Das kommt davon, wenn man ein in den weitesten Kreisen beliebter Scharfrichter ist.
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