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Eine Citation vor Gericht nebst einem Anhange von mehreren anderen nützlichen Citaten zum Gebrauche der Vertheidigung.
Schikaneder's Struwelpeterverse zur Zauberflöte sind, Dank den unsterblichen Tönen, in welche sie Mozart eingehüllt hat, ziemlich tief ins Volk gedrungen, so daß man in den allerentlegensten und alles poetischen Hauchs entbehrenden Räumlichkeiten die Inschrift antrifft: »In diesen heiligen Hallen kennt man die Rache nicht« – eine Behauptung, die, nebenbei bemerkt, bisher ganz beweislos dasteht und wider die sich mancherlei triftige Gegengründe anführen ließen. Auch giebt es heutzutage noch beherzte Leute, welche es unternehmen, in größeren Gesellschaften die Frage aufzuwerfen, wie die böhmische Uebersetzung der Stelle: »Dies Bildnis ist bezaubernd schön« laute, aus welchem Anlasse schon wiederholt sonst achtbare Persönlichkeiten gelyncht worden sind. Zum ersten Male jedoch begegneten wir der Muse Schikaneder's im Gerichtssaale, an einem Orte, wo dies einigermaßen überraschend wirken mußte, weil man gewohnt ist, dort Papinian, Ulpian, Cicero oder moderne Rechtslehrer, keineswegs aber Bruchstücke aus Operntexten zitirt zu hören. Der Fall, welcher den Vertheidiger veranlaßte, Sarastro als Zeugen zu führen, war folgender:
Ein halb verrückter, buckliger Schustergeselle Namens Konrad Muchal verliebte sich in die hübsche Arbeiterin Theresia Pekarek, welche in derselben Schuhfabrik bedienstet war, wie er. Nachdem er lange im Stillen für sie geschwärmt hatte, fühlte er sich eines Tages durch einige freundliche Blicke ermuthigt, an das Mädchen nachstehenden tollen Brief zu richten:
»Theure Therese!
Ihres für mich entzückenden Benehmens von heute fühle ich mich bewußt, ein wenn auch kurzes Schreiben an Sie zu richten. Theures Wesen, ich bin zu sinnesverwirrt, als daß ich ein vollständiges Schreiben heute abzufassen im Stande wäre, meine Gefühle wiederzugeben, wäre ja ohnehin unmöglich. Ich will mich daher kurz und bündig fassen, um Sie, Allerwertheste, um ein Stelldichein zu bitten, ohne daß Sie sich des geringsten Argwohns, was Ehre anbelangt, zu sinnen brauchen und zu kommen zu lassen. Ich bin ein Ehrenmann, Sie wissen, daß mich eine Kleinigkeit zu unerbittlichem Trotz bringen kann. Verehrteste, ich erwarte Sie heute Abend nach Feierabend bei der Schottenfelder Kirche. Sie haben mein Schicksal in der Hand, Sie können darüber verfügen. Kommen Sie meinem Wunsche nicht nach, so wisse, daß ich mich morgen vor Deinen (Ihren) Augen erschieße. Ich halte Wort, ich hab' es noch nie gebrochen. Dieses Billet bitte ich nicht zu vernichten, sondern mir zu retourniren. In der beseligenden Hoffnung diesem aufrichtigen Wunsche Ihrerseits nachkommend, zeichnet sich
achtungsvoll Ihr
Anbetender.«
Frl. Therese fand sich trotz der beruhigenden Versicherung »was Ehre anbelangt« nicht bei der Schottenfelder Kirche ein, worüber ihr Anbeter förmlich in Raserei verfiel. Er kaufte einen Revolver und machte zu Freundinnen der Angebeteten die Aeußerung, er werde dieselbe todtschießen wie einen Hund, weil sie sich zu dem geringen Opfer, ihn zu lieben, nicht verstanden habe. In Kenntnis dieser Drohungen, konnte die hübsche Arbeiterin einige Tage später doch nicht ausweichen, als ihr Muchal Mittags seine Begleitung antrug, und der verliebte Unhold ging ihr nun neun Stunden lang nicht von der Seite, immerfort ihre Angst vor dem Revolver benützend, um sie mit der Schilderung seiner Gefühle zu langweilen und abzuhalten von der Inanspruchnahme fremden Schutzes. Von Hunger gequält, trat sie endlich in ein Speisehaus, ließ sich eine Suppe geben und wollte dieselbe sogleich bezahlen.
– »Mein Fräulein,« sagte der Ritter und blähte sich wie ein Frosch, »ich kann nicht dulden, daß Sie bezahlen, ich weiß, was sich unter Liebenden schickt« und damit rief er den Kellner herbei und bezahlte die Suppe, von welcher das Mädchen bei solcher Bewandtnis keinen Tropfen mehr genießen wollte. Endlich gelang es ihr, durch eine List in das Haus ihres Onkels zu entkommen, dem sie ihre Lage schilderte, und über dessen Einschreiten der beim Hausthor lauernde Geselle verhaftet wurde. Sein Benehmen brachte ihn unter die Anklage der Erpressung.
Er verantwortete sich in ungemein bombastischer Weise.
– »Gestatten Sie mir,« sagte er, »die geschätzte Zusicherung, daß ich, nur um Wahrheit in die Situation zu bringen, einen kostbaren Nachmittag an der Seite eines Mädchens zugebracht habe, welches immer hemmend in das Schwungrad meiner Seele gegriffen hatte.«
– »Dazu brauchten Sie doch keinen Revolver,« bemerkte der Vorsitzende.
– »Der Revolver war auch nicht »schüssig«, noch sollte er zu was anderem dienen, als mich selbst in seinen Fluten zu ertränken,« antwortete der verrückte Bursche.
Die hübsche Arbeiterin trat äußerst zaghaft in die Nähe des Angeklagten, als sie ihre Aussage abgab.
– »O, er hat mich auch g'schimpft,« seufzte sie.
– »Was denn?« fragte theilnahmsvoll ein Votant. Sie könne es gar nicht sagen, erwiderte die Zeugin und gab erst nach langem Zureden und äußerst verlegen den fürchterlichen Schimpf bekannt, der ihr zugefügt worden. »Ich bin ein grenzenloses Ding, hat er g'sagt.« Das wäre gerade so arg nicht, meinte der Vorsitzende, die allgemeine Heiterkeit unterbrechend, allein das Mädchen ließ es sich nicht nehmen, daß eine beispiellose Unbill in diesen Worten liege.
Der Vertheidiger plaidirte auf nichtschuldig, indem er sagte, daß Gefühle keine Duldung, Leistung oder Unterlassung seien, die jemand erzwingen könne, wie schon aus einer Stelle in Mozart's »Zauberflöte« hervorgehe, wo es heißt: »Zur Liebe kann ich Dich nicht zwingen.« Wir müssen hiezu bemerken, daß Sarastro, nicht ahnend, daß er einst eine sachverständige Zeugenschaft werde leisten müssen, richtig singt: »Zur Liebe will ich Dich nicht zwingen,« woraus hervorgehen würde, daß es Pamina nur seinem wohlwollenden Wesen zu danken hatte, wenn kein Zwang auf sie ausgeübt wurde.
Der Gerichtshof verurtheilte den Angeklagten zu drei Monaten Kerkers und der Vorsitzende machte, gegen den Vertheidiger gewendet, nach der juridischen Begründung des Urtheils folgende scharfsinnige Bemerkung: »Es ist allerdings richtig, daß der vom Herrn Vertheidiger zitirte Satz: ›Zur Liebe kann ich Dich nicht zwingen,‹ in Mozart's ›Zauberflöte‹ vorkommt, doch hat der Herr Vertheidiger vergessen, den Nachsatz beizufügen und dieser lautet: ›Doch geb' ich Dir die Freiheit nicht!‹« ...
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Hier ein Anhang von einigen Citaten zu Vertheidigungszwecken, welche in Frydmann's Handbuch der Vertheidigung leider nicht die gehörige Beachtung gefunden haben:
§ 523. Sträfliche Trunkenheit.
Schon Luther sagt:
»Bist Du voll, so leg' Dich nieder,
Nach dem Essen saufe wieder,
So vertreibt ein' Sau die ander',
Spricht der König Alexander.«
§ 343. Kurpfuscherei.
Hätte sich nicht auch Goethe dieser Übertretung schuldig gemacht durch das Recept gegen Sommersprossen im Faust:
»Nehmt Froschlaich, Krötenzungen cohobirt,
Im vollsten Mondlicht sorglich destillirt,
Und wenn er abnimmt reinlich aufgestrichen.
Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen.«
Vagabondage
wird geradezu angepriesen durch das Horaz'sche: » Beatus ille qui procul negotiis.«
Vergehen gegen das literarische Eigenthum
sind gegenstandslos durch die Reflexion Goethes: »Alles Gescheidte ist schon einmal gedacht worden; man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken,« oder wie Terenz dies ausdrückt: » Nullum est jam dictum quod non dictum sit prius.«
Raufhändel
finden ihre befriedigendste Erklärung in der Stelle aus Rückert's Geharnischten Sonetten: »Wer Kraft im Arm hat, geh' sie zu beweisen.«
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