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Vom Scharfrichter

Herr Willenbacher ist ein Virtuose. Er hat eine gute Henkershand zu seinem Geschäfte; das macht die Uebung. Unter allen Scharfrichtern des Reiches genießt er das meiste Vertrauen und daher den größten Zuspruch. Wenn irgend ein armer Sünder in einer entfernten Provinz gut und dauerhaft gehenkt sein will, muß Herr Willenbacher verschrieben werden. Man hat ja gesehen, was geschieht, wenn die Ersparungen im Staatshaushalte auch auf diesen Zweig der Justizpflege ausgedehnt werden. Man begnügte sich einmal in der nahen Stadt Raab mit einem Stümper, in dessen Händen der Delinquent einfach einschlief. Eben als sich dieser leichtfertige Scharfrichter schmeichelte, den Jüngling bestens aufgehenkt zu haben, erwachte dieser und sagte, man solle sich mit ihm keine dummen Späße erlauben. So blieb er noch längere Zeit am Leben, bis es dem Himmel gefiel, ihn eines natürlichen Todes sterben zu lassen. Ein solches Malheur ist Herrn Willenbacher noch nicht passirt. Niemals schwebten seine Clienten in Lebensgefahr, in der Gefahr nämlich, am Leben zu bleiben, sondern sie gingen allesammt sanft hinüber, zu ihrem eigenen Besten und zum Ruhme Herrn Willenbachers. Allein, muß sich nicht jedem Menschenfreunde die bange Frage aufdrängen: Wo wird einstens ein Ersatz zu finden sein für diesen Paganini des Strickes? Offenbar hat Herr Willenbacher auch bereits diesen Gedanken in Erwägung gezogen, denn er erschien eines Tages bei einem Functionär des Landesgerichtes, welch' letzteres seine vorgesetzte Behörde ist. Der Scharfrichter ist nämlich Beamter und bezieht einen Gehalt von 460 Gulden nebst Gehilfenbeitrag und Functionszulage. Wir glauben sogar, daß er berechtigt wäre, Uniform zu tragen; aber er macht keinen Gebrauch von diesem Rechte, da er sich bisher auch im einfachen Civilkleide von Seite seiner Clienten des gebührenden Respectes für sicher halten durfte. Erlaubte sich je Einer, auf ihn herabzusehen, so war es bereits zu spät, um sich dieser Position zu rühmen. Herr Willenbacher, von welchem bekannt ist, daß ihm die sentimentale Seite seines Berufes zeitlebens fremd geblieben, unterhielt sich mit dem Functionär zunächst über die schlechten Zeiten, in welchen das Henken so in den Hintergrund getreten; er fuhr dann in seiner leutseligen, fesselnden Weise fort:

– Sehn's da hab ich eine Einladung für den 30. August nach Warasdin. Ich soll mich mit einem Herrn Namens Stefan Sametz, Vatermörder, befassen. Das wär' recht schön, aber es ist eine schrecklich weite Reise dorthin und weg'n eines einzigen Vatermörders zahlt sich's eigentlich nicht aus. Wissen vielleicht Herr Rath, ob in der Gegend nicht noch etwas zu thun wär? ... Nein? Sehr schad. Vielleicht könnt's mein Gehilf richten, der Seyfried, der möcht's wohl auch treffen, er war schon achtmal dabei und kennt jeden Griff. Aber geprüft ist er halt nicht. Na, vielleicht könnt' ich ihn Prüfung ableg'n lassen bei dem Vatermörder in Warasdin. Für da hinunter is bald einer gut. Aber, wie gesagt, er versteht's ganz gut in der Theorie, nur die Uebung fehlt ihm halt noch. Sie glauben, daß ich selber gehn muß? Na, wenn's nicht anders ist! Es ist halt weg'n Einem nicht der Müh' werth, aber ich hab' wo gelesen, daß da unten das Standrecht publicirt ist. Da kann man nicht wissen, was noch für Anträge kommen, wenn ich einmal unten bin. Ich werd mir zehn Stricke mitnehmen für alle Fälle, damit komm' ich dann schon aus ...«

Und in der That, der Schüler bewährte sich vollkommen unter Herrn Willenbachers umsichtiger Leitung. Als Herr Willenbacher nach einigen Tagen von seiner Geschäftsreise aus Warasdin zurückkehrte, pries er Seyfrieds Anstelligkeit, ließ aber auch dem Delinquenten alle Gerechtigkeit widerfahren, indem er demselben eine Reihe von Eigenschaften nachrühmte, welche ihm bei dem Gehenktwerden ungemein zu Statten kamen. Herr Willenbacher ließ bei dieser Gelegenheit durchblicken, daß eine gewisse Beleibtheit erforderlich sei, wenn das Werk den Meister loben solle. Ganz offen bekannte er seine Abneigung gegen magere Delinquenten, weil diese zu sehr am Leben hängen, welches nicht die richtige Methode sei. Er könnte Beispiele dafür anführen ... kurz, sein Gespräch war sehr instructiv und es ging aus demselben die erfreuliche Thatsache hervor, daß der Schemel des Scharfrichters von Wien, wenn Herrn Willenbacher einst etwas Menschliches zustoßen sollte, nicht lange verwaist sein werde.

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