Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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Verwandlung.

Amtsstube des Bürgermeisters.

Salzmaier tritt mit Frau Margrethe ein.

Salzmaier. Also wirklich, Madame Casperl?

Margrethe (spricht manheimerisch). Ja werklich, Gstreng Herr Börgermöster. Er hat mer mein Buckel elend verkloppt, der Lumb. Es werd mer zu arg. Ich bitt Se um Gotteswille rangire Se mer'n nur tüchtig.

Salzmaier. O da können's überzeugt sein, Madame Casperl, daß ihr sauberer Herr Gemahl tüchtig hergnommen wird. So en acht Tag bei schmaler Kost Einsperren, das wird ihn schon auf eine gute Zeit lang mürb machen.

Margarethe. Und denke Se sich, Herr Börgermöster: Geschimpft hat er mich ach noch. Aus die Prüchel wollt ich mer nix gemacht habe, denn die bin ich gewehnt, aber daß er mich en alde Schachtel gheiße hat, das is doch infam; net wahr Herr Börgermöster?

Salzmaier. Ei, das versteht sich. Das ist ja gar keine Manier, Sie eine alte Schachtel zu heißen und Sie sind doch noch so gut conservirt für Ihr Alter.

Margarethe. Ja was meene Se denn, daß Se mit meim Alter komme? Verzig Jahr, des is doch noch keen Alter. – Aber Apropos, Herr Börgermöster, wie steht's denn mit der Politik? habe Se nix Neus gehört? denke Se nur: Grad secht mer die Frau Functionärin drüwe, daß in der Zeitung steht, der Garibaldi wär schon längst in Neabel eingerückt und jetzt rückt er immer näher und näher gege uns 'rauf, so daß mer keen Tag net sicher wär, ob er net bei uns auch Spektakel mach.

Salzmaier Ha, ha, ha! da ist nichts zu fürchten, liebe Madame Casperl; bis der zu uns kömmt, hat's gute Wege, und von so einer nahen Gefahr habe ich in der Zeitung noch nichts gelesen.

Margrethe Es muß aber doch e Deuwelsborsch sein, der Garibaldi; denn wo er nor immer erscheint, da lauft Alles davon und er nimmt ja alle Städt und Poste ein, ohne daß e Schlacht geliefert werd. Er ganz alleen, denke Se sich, Herr Börgermöster! Er alleen, höchschstens mit seem Adjütante!

Salzmaier Ha, ha, ha! Liebe Madame Casperl, die Politik ist nicht die Sache der Frauen! Sein Sie ganz ruhig. Wir haben den Garibaldi nicht zu fürchten; aber das ist nicht zu leugnen, daß seine Persönlichkeit von großer Gewalt sein muß; aber käm' er nur einmal zu uns, wir wollten ihm schon den Weg weiter hinaus zeigen, dem Raubgesellen, dem Schinderhannes, dem italienischen bayrischen Hiesel!

Spritzler (tritt ein.) Herr Bürgermeister, der Casperl ist zum Verhör da.

Salzmaier. Gut, er soll hereinkommen. Gehen Sie einstweilen in mein Nebenzimmer, Madame Casperl. (Margarethe ab)

(Spritzler ab. Casperl kömmt herein.)

Casperl (spricht sehr hochdeutsch.) Habe die Oehre, mich beim Herrn Bürgermeister vorzuführen.

Salzmaier. Jetzt ist nicht die Red vom Vorführen, sondern vom Aufführen, Monsieur Casperl. Was haben Sie wieder in vergangner Nacht angfangen.

Casperl O angefangen hab ich nichts; ich hab nur meine Gattin aufgfangen, wie sie voll Zärtlichkeit in moine Armee gefallen ist.

Salzmaier. Keine Spaßetteln, Herr Casperl! Ich weiß Alles.

Casperl Wenn Sie Alles wissen, dann gebietet mir die Beschoidenheit nichts mehr zu sagen, weil Sie schon Alles wissen, was ich Ihnen zu sagen Gelegenheit zu ergreifen pflichtschuldigst aufgefordert werden hätte können sollen oder haben, insoferne die Pflicht des Staatsbürgers seiner vorgesetzten Behörde die geeignete verantwortliche Aufklärung und Schuldigkeit keineswegs so und so oder auch nicht demunerachtet gewißermassen, einerseits oder andererartens, hinten oder vorn –

Salzmaier Hören Sie auf mit Ihrem Unsinn! Man kann doch wirklich kein gscheides Wort mit Ihnen reden.

Casperl (fein und wichtigthuend.) Wer nicht geschoid ist, kann auch nichts Geschoides reden. Nun ist hier die Frage: Wollen Sie mit mir reden, oder soll ich mit Ihnen reden? Also, wer ist eigentlich derjenige Welche?

Salzmaier Kurz, um zur Sache zu kommen. Die Beschwerde des Schneidermeisters Bock ist constatirt, daß Sie sich heute wieder des Vergehens der nächtlichen Ruhestörung schuldig gemacht haben.

Casperl. Erlauben Sie, Herr Bürgermeister, daß ich mich über diesen subtilen Punkt rechtfurtige und explucire?

Salzmaier. Das wird eine saubere Rechtfertigung sein. Also?

Casperl. Erstens – ist das schon eine Schand, daß ein Mensch Bock heißt und besonders ein Schneider.

Zweitens – hat sich ein Bock niemals zu beschweren, weil ein Bock ein unvernünftiges Thier ist.

Drittens – was dieser Bock contrastirt hat, ist eine Verläumdung, weil die Bocksfamilie im ersten Stock logirt und ich im zweiten; also können die Unten nicht wissen was oben gschicht und

Viertens – sind alle Kühe in der Nacht schwarz, also kann von einer nächtlichen Betrachtung oder Ruhestörung keine Rede sein und

Fünftens – also bin ich unschuldig und der Schneiderbock ist ein elender Kerl, der einen kinderlosen Familienvater in's Unglück stürzen will.

Salzmaier. Sind Sie fertig?

Casperl (großartig) Ja – ich bin fertig! Mein Gewissen schweigt, mein Herz schlägt, mein Busen wogt – ich bin ein Mann, der soin Schicksal mit Ruhe erwartet – wenn's nit z'lang warten laßt.

Salzmaier Nun – dieses Ihr Schicksal wird sein, daß ich Sie nach Paragraph 180 unseres neuen Polizeistrafgesetzbuchcs, welches noch nicht publicirt ist, auf 8 Tage bei Wasser und Brod einsperren lasse.

Casperl Wie? noch nicht publicirt und nach dem Telegraphen eingsperrt; das ist eine schreiende Ungrechtigkeit. Ich appelliriririr an das Schnappellationsgericht!

Salzmaier Sie haben sich zu fügen.

(Lärm draußen)

Was gibts da draußen?

(Madame Margrethe stürzt herein)

Margrethe Der Garibaldi, der Garibaldi! Da hab mer'sch! Hab ich's net gsogt? Jetzt simmer verlore!

Salzmaier. S' ist nicht möglich! Da müßt ich ja doch etwas davon gewußt haben.

(Man hört trommeln)

Margrethe. Höre Se? Da werd schon getrummelt! Er kommt, er kommt und 5000 Wälsche vor dem Thor.

Spritzler. (stürzt herein, ein Papier in der Hand) Auweh, auweh, Herr Bürgermeister! der Garibaldi kommt und frißt uns Alle!

Salzmaier. Wie wär's denn möglich? es ist unglaublich!

Spritzler. Da lesen's selber den Quartierzettel.

Casperl. Ich mach mich aus'n Staub. (läuft hinaus)

Salzmaier. (liest)

»Quartier, mit Verpflegung bei Bürgermeister Salzmaier für Herrn General Garibaldi.«

»Das General-Armee-Commando.«

Schrecklich, schrecklich! und trommelt hat's auch schon, das sind die Vorposten! fürchterlich! Was fang ich an? Rufts mir den Magistrat zusammen! Sitzung halten! Beschluß fassen!

Spritzler. Ja was wollen's denn noch für einen Bschluß fassen, wenn der Wolf schon im Schafstall ist.

Margrethe. Ich lauf zu meim Casperle! der muß mich bschütze, wenn mich etwa der Mossieur Garibaldi entführe will! (ruft) Casperl! Casperl! (läuft hinaus. Draußen schreit sie furchtbar) er kommt, er kommt!

Casperl als Garibaldi tritt heftig ein. (Er hat eine große rothe Feder auf dem Hut, eine rothe breite Schärpe und einen ungeheuern Säbel.) Salzmaier und Spritzler fallen auf die Kniee.

Casperl. Diavolo, diavolo! Schlappermentico!

Salzmaier Excellenz, Gnade, Gnade! Ich will Alles thun, was Euer Excellenz befehlen.

Casperl. Mordelementico! Tambosi! Sabbadini!

Salzmaier. O haben's Erbarmen mit uns! Die Stadt liegt zu Ihren Füßen.

Casperl. Italiano, Italiano – teutscho!

Salzmaier. Spritzler, helf Er mir doch! Er hat ja einmal italienisch glernt.

Spritzler. A bißl kann ich noch was. Ich muß halt den Dolmetscher machen.

Casperl. Dolpatscho, dolpatscho! Si, si, si, signore. Mantschiare, Mantschiare, Sauffere! Andiamo! presto!

Spritzler. Herr Bürgermeister! er möcht was zum Essen und zum Trinken.

Salzmaier. O mein Gott! was er grad will, wenn ich's im Haus hab! Frag Er ihn nur, Spritzler.

Spritzler (zu Casperl gewendet.) Eccelenza! Cosa voulez vous?

Casperl. Si, si, si; Salami, Maccaroni, Nierenbratl und Sauercrautico, Maraschino, Rossini, Devecchi, Santini, Mazzini!

Spritzler. A Salamiwurst und Maccaroninudel möcht er.

Salzmaier. Das ist gscheid! das Hab ich ohnedieß in meinem Laden. Gleich solln Euer Excellenz bedient sein. Und was zu trinken?

Casperl. Biro, Biri, molto Biro, Vino Burgundio! Caffé und Tschocolato! Potz Pallavicini und Ricciardelli!

Spritzler. Richten, S' nur ein paar Maß Bier und ein paar Flaschen Wein unten her. Ich will'n der weil schon beruhigen.

Salzmaier. Gleich, gleich. Ich bin froh, daß ich 'naus komm. (ab)

Spritzler. Brav. Casperl, du hast deine Sach gut gemacht.

Casperl. Jetzt kommt die Hauptsach! 'S Essen und's Trinken.

(Margrethe schaut zur Thür herein.)

Margreth. Herr Spritzler, um's Gotteswille, mein Casperle ist net zu Haus. Er werd'n doch net schon umgebracht habe, der Wüthrich.

Spritzler. Ei bewahr! Kommen's nur ein wenig herein. Der Herr von Garibaldi hat die Frauenzimmer recht gern. (zu Casperl) Du, das gibt ein Mordspaß!

Margrethe. Ich trau mer net! Ach, ich bin so verzagt. Aber e schöner Mann is er doch der Herr Garibaldi. (tritt schüchtern ein.)

Margrethe. Jetzt sagt er gar Mamsell zu mir. Das ist en artiger Mann. Der glaubt ich sri noch gar nit verheirath'. Ei das laß ich mer gfalle.

Casperl. Signora mamsella scharmanterl! Komm Sie er su mir.

Margrethe. Der kann ja e bische deutsch auch. Ei wie lieb!

Spritzler. Ja mit die Frauenzimmer spricht er alleweil deutsch. Das Frauenzimmerdeutsch versteht er.

Casperl. Sehr schön Mamsell, gib Sie mir Bussolo.

Margrethe. Ach neen! jetzt will er gar e Küßche von mir! Aber ich schäm mich; wenn das der Casperl wüßt!

Spritzler. Nur Courage, Madam Casperl. Bedenke Sie, daß es bei Ihnen liegt, den Wüthrich zu besänftigen und vielleicht die Stadt dadurch vor seiner Grausamkeit zu retten.

Margrethe. Ja, als Opfer für's Vaterland darf ich's wohl riskire.

Casperl. Riskiro, riskiro! Ik ab sehr gern, die schön Mamsell, wie Sie. DavoloSchlappermentico!

Margrethe. Ach, Herr von Garibaldi, Sie sin wirklich all« zugütig. Mein Casperle hat mir noch kein einzig 's Mol gsagt, daß ich schön bin.

Casperl. Casperlo, Casperlo? Was Casperlo? Ik bin jetzt der Casperlo von die Mamsella!

Salzmaier (kömmt herein.) Alles ist bereit, wenn Seiner Excellenz jetzt zum Essen hinunter kommen wollen.

Casperl (vergißt sich). Nix Bußl, alte Schartekn! Juhe!

Spritzler. Esel, was treibst denn?

Casperl. Ja so! Schlipperment! – Mamsella bella, ik muß jetzt su die Eß und Trink. Andiamo, andiamo!

(geht ab, die Uebrigen ebenfalls.)

Schneider Bock (tritt ein). Das ist doch ein Hauptspitzbub, der Casperl! und der dumm' Bürgermeister glaubt wirklich, daß er der Garibaldi ist. Dem Spaß bald ein End machen. Aha! da kommt der Bürgermeister.

Salzmaier (tritt ein.) Aber, Herr Schneidermeister? Gelt'n S'? das malheur! – Und einen Appetit hat der Kerl! Furchtbar, wie der ißt und trinkt. Jetzt hat er sich kaum niedergsetzt, so war gleich eine Maß Bier drunten, das hätt' ich gar nit geglaubt, daß die Italiener so ein' Zug haben.

Bock. Ja, Italiener! Merken S' denn gar nichts, Herr Bürgermeister? Das wär mir der rechte Garibaldi, das. Der Casperl ist's, der Lump. Schau'n S'n nur recht an; aber vor lauter Angst und Schrecken haben S' gar keine Augen mehr ghabt.

Salzmaier. Wie, was? der Casperl? nicht der Garibaldi? Da wär' ich ja furchtbar blamirt!

Margrethe (kömmt eiligst.) Das is ja zum Teufel hole, Herr Börgermöster! Von eme Garibaldi ist kein Red, Das is ja mein Casperle. Ich hab'n gleich erkannt, am Esse und Trinke, denn so wie mein Casperle kanns Keener! – Gebe Se Acht! Jetzt kommt er gleich wieder herauf.

Casperl (kömmt betrunken). Schlipperdibir! Schlappirdibur! Juhe! –Platz da, der Barigaldi! (schlägt um sich).

Salzmaier. Elender Betrüger, du bist erkannt!

Casperl. Nix da! ich bin der Barigaldi! nix da!

Salzmaier. Helfen S' mir doch, Schneidermeister! helfen's mir, daß wir den Kerl bändigen!

Casperl. Ich bin der Barigaldi! Schlipperment! Platz da! Wein her, Bier her! Ich laß mich nicht einsperren vom Burgermeister; ich bin der Barigaldi; ich friß euch Alle mit Haut und Haar auf! Potz tausend Element! Assalini! Tamburini! Baccinetti! Massakrini! Rossini! Paccini! Minutti! – Donnerwetter, ich schlag Alles zsamm! –

Allgemeine Balgerei.

Der Vorhang fällt.

Ende.


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