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Doktor Sassafras. Casperl, sein Diener. Herr von Steinreich. Marie, dessen Nichte und Mündel. Schreiber, Sekretär bei Steinreich. Der Tod, auch Herr Knochenmayer. Der Teufel. Ein Bauer. Bedienter bei Steinreich. Ein Todtengräber. Erscheinungen. |
Des Doktors Studirstube. (Bücher, medicinischer Apparat ec.)
Doktor Sassafras. Die Last der Arbeit erdrückt mich beinah! Es ist wirklich etwas Erschreckliches, ein Arzt zu sein. Mit dem frühesten stehen schon die Hilfesuchenden vor meiner Thüre; dann heißt's in der ganzen Stadt oder auf dem Lande herumfahren; kaum Hab' ich mich Mittags mit Speis und Trank gestärkt, überlaufen mich die Patienten wieder in meiner Wohnung; dann abermals Visiten; Nachts wenn die andern Menschen ausruhen, bin ich auch nicht sicher, daß ich nicht irgendwohin geholt werde! Geld mache ich mir genug bei diesem Wirken, besonders seit ich die drei Heilmethoden exercire, die Allopathie, die Homöopathie und die Hydropathie (vielleicht nehme ich auch noch die Heilgymnastik dazu). – Ich kurire oder bringe die Leute um, wie sie wollen. Man bewundert meine Prognose, meine Diagnose – kurz man nennt mich einen zweiten Hypokrates oder Paracelsus!
(Casperl tritt ein.)
Casperl. Hochelehrtester Herr Doctor! Da draußen steht schon wieder ein ganzer Rudel Patienten, die ein Rezept haben wollen von Ihnen. Einen haben's gar auf einem Wagerl hergschoben; er hat keine Fuß mehr und möcht, daß Sie ihm was eingeben, damit ihm wieder neue anwachsen; einen Blinden haben's auch hergführt, der möcht ein paar frische Augen. Nächstens kommen die Leut ohne Kopf, damit Sie ihnen Einen aufsetzen.
Sassafras. Für jetzt ist es mir unmöglich, irgend Jemanden zu empfangen. Ich muß zu einem Consilium, welches eben bei dem alten Grafen Hohenfels gehalten wird. Wenn die Leute draußen ein Stündchen warten wollen, mag es sein. Ich denke, daß ich nicht zu lange ausbleibe oder wenn du meinst, so bestelle sie auf morgen her. (ab.)
Casperl (allein). So ist's recht. Geh'n S nur fort, Herr Doctor. Jetzt hab ich Gelegenheit, wieder, einmal meine Praxis auszuüben. Ein dummer Kerl wird sich schon finden, der mich für einen Doctor ansieht, wenn ich ihm was weiß mach. Das ist ja ohnehin bisweilen Doctorenmanier und je mehr man den Leuten vorlügt, für desto gscheiter halten's Ein. (ruft zur Thüre hinaus) Heda! Guter Freund, nur herein!
(Ein Bauer mit ungeheuer dickem Bauch.)
Bauer. Da bin i schon, Rexellenz Herr Doctor.
Casperl (spricht sehr hochdeutsch). Nun was fehlt, juder Freund? Du hast ja einen ungeheuern Bauch. Hast du vielleicht die Wassersucht? oder die Biersucht?
Bauer. Na', weder d' Wassersucht, noch d' Biersucht. Ich hab halt schreckliche Schmerzen im Bauch, und weiß net warum. Aber die vorig Wochen habn wir Kirte ghabt und da hab i holt so nachanander vierundzwanzig Knödl aufm Kraut gessen. Ich glaub, die liegn mir noch im Magen. Wenn Ein Knödl 'naus will, so möcht der Ander a 'naus und so verstellt Einer dem Andern den Weg. Jetzt's könnts Enk denken, Rexcellenz Doctor, was das für a Metten in meim Bauch ist, wenn die 24 Knödl mitenand raufen. I mein, i muß z' Grund gehn!
Casperl. Wie kann aber ein Mensch so dumm sein, vierundzwanzig unvorsichtige Knödel zu verspeisen? Das ist ja eine Schwoineroi?
Bauer. Ja, mir haben's halt gschmeckt und weil der Knödl rund ist, hab i mir denkt, die kugeln leicht wieder aussi. I bin halt a dummer Bauer, der von die glehrten Sachen Nix versteht.
Casperl. Das ist aber ein sehr kriterischer Fall. Das Glück ist, daß du auch Sauerkraut dazu gegessen hast, weil die Säure doch etwas auflösend wirkt; sonst wärest du schon an einer Indischestion gestorben.
Bauer. Was is denn das für eine Krankheit die Indischstion?
Casperl. Das ist eine indische Krankheit. Da hilft nichts als den Bauch aufzuschneiden.
Bauer. Na' schneiden laß i mich net.
Casperl. Dann mußt du sterben.
Bauer. Auweh, auweh! – was kost's aber, wenn der Herr Excellenz Doctor mich kurirt hat.
Casperl. Das kostet 30 fl. gradaus und 5 fl. Trinkgeld.
Bauer. Das ist doch a bißl gar z'viel.
Casperl. Wenn Er nicht will, so behalte er sein Geld im Sack und seine Knödel im Bauch.
Bauer. O mein, o mein! I halt's net aus vor Schmerzen! – Meintwegen schneidt's halt zu, wenn's net z' weh thut.
Casperl. S' ist gleich vorbei. Ich muß nur mein Instrument holen. (ab)
Bauer. (allein). Was muß denn das für a Strument sein? eppa gar a Trumpeten zum Blasen! – Mir ist's recht! Jetzt bin i amol gfaßt und ergib mich in mein Schicksal.
(Casperl kommt mit einem großen Messer herein.)
Casperl. So, seh Er sich auf diesen Stuhle – und ruhig gehalten.
Bauer. Das ist ja a schrecklichs Messer? I halt's nit aus!
Casperl. So? meint Er, daß für 24 Knödl ein kleines Federmesser! genug war? Also, ruhig!
(Casperl schneidet ihm den Bauch aus. Der Bauer schreit ungeheuer und zappelt mit den Füßen.)
Casperl. 's schon vorbei! Da schau Er einmal!
Die Knödel springen aus dem Bauch und tanzen auf dem Boden herum.
Jetzt schnell das Pflaster drauf.
Bauer. (aufseufzend). Ah, ah! Jetzt ist mir ganz leicht!
Casperl. Die Knödl kannst wieder mitnehmen für ein anderes Mal.
Bauer. Na, na, dank schön! Die könnten mir schlecht bekommen. Da habt's die 30 fl. und 5 fl. Trinkgeld.
Casperl. Gut, nur her damit, und jetzt marsch hinaus.
Bauer. I bedank mi halt schön.
Casperl. Drei Tag nichts essen; trinken so viel Er will.
Bauer. Das laß i mir gfalln! Ghorsamer Diener Rexcellenz Doctor. (ab.)
Casperl (allein). Das hab' ich wirklich nit schlecht gemacht. Ja, Couraschi ist die Hauptsach für ein' Doktor. Es ist noch die Frag', ob das meinem Herrn eingfall'n wär, der hätt' vermuthlich dem Bauer ein kleines Abführungsmittel geben; aber so ist das Ding viel schneller gangen und wenn der Kerl stirbt, so ist er wenigstens net an die Knödl gstorben, sondern blos an der Kur. Das gschieht bei die Doctores auch nit selten, daß sie dem Patienten die Krankheit vertreiben, aber daß er nachher an die Mittel draufgeht, die s' ihm geben haben.
Sassafras (tritt ein). Das Consilium ist vorbei. Mein Rath hat wieder den Ausschlag gegeben; Mein Mittel wird helfen, (zu Casperl) Ist unterdessen nichts vorgefallen, Caspar?
Casperl. Nein gar nix, gnädiger Herr!
Sassafras. Ich werde nicht lange zu Hause bleiben können, weil ich zu Herrn von Steinreich gerufen wurde. Er soll an einem unheilbaren Uebel leiden. – Was, unheilbar? Das wollen wir erst sehen, wenn ich komme! Caspar, wenn mich etwa irgend Jemand sprechen wollte, so kannst du wir es gleich melden.
Casperl. Wie Sie befehlen. (ab.)
Sassafras. (allein). Von Stufe zu Stufe steige ich! Ich werde bald einen europäischen Ruf haben. Was sind all diese Stümper von Doctoren im Vergleiche zu mir? Wer hat einen Blick in die Tiefe der menschlichen Natur, wie ich? – Keiner! – Wer weiß das Uebel gleich richtig zu fassen, wie ich? Keiner von Allen! – Wer von ihnen kann seine Kraft messen mit jenen geheimen Gewalten, welche das Leben der Menschheit befeinden? – Ich bin es'. – Doch es ist Zeit, zu Herrn von Steinreich zu gehen. (ab.)
Der Tod (erscheint aus der Versenkung).
Tod.
Herr Doctor Sassafras! auch ich bin da!
Vergiß nicht ganz, daß ich dir immer nah'.
Denn bald wird mir zu arg dein kühnes Treiben,
Dein Ordiniren und Rezepteschreiben.
Bei meinen alten Knochen! 's ist zu viel!
Mit mir zu wagen solch' ein keckes Spiel.
Ich hab' ein altes Recht auf Jung und Alt,
Auf Groß und Klein und hol' was mir gefallt.
Du willst mir Einspruch thun, ha, ha! zum Lachen
Ist's'. Alles muß ja doch in meinen Rachen
Und Alles mäh' ich mit der Sense nieder,
Und Alles wird zu Staub und Asche wieder.
Nun aber, weil bisher ich war so gütig,
Wird mir das Doctorlein gar übermüthig.
Jetzt will aus einem andern Ton ich geigen
Und wer der Herr ist dem Herrn Doctor zeigen.
Zuvor werd selbst ich Sassafras besuchen
Und gütlichen Vergleich mit ihm versuchen.
Geht er nicht auf den Vorschlag willig ein,
So muß er selbst bald meine Beute sein.