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Wirthsstube im grünen Ochsen.
Zapfl. Schon 10 Uhr, und noch kein Gast da? Net a mal der Casperl. Ja der muß halt sein' Rausch von gestern ausschlafen. Der ist mein beste Kundschaft. Aber nacher kommt gleich der Spritzler. Die saufen was z'samm! – So jetzt hab' ich grad noch Zeit zum Anzapfen und zum Wasserschütten. Das ist noch a Glück, daß die Bräuer so a passabl's Bier machen; da leid't 's noch was für unser Ein. Auf ein Emmer so a 12 Maßl Wasser ist grad recht. Das ist meine Gäst gsund, denn sie kriegn kein Kopfweh, und mir thut's auch gut. Ich muß doch mein erlaubten Profit haben!
Casperl (draußen, singt)
Zapfl Aha, jetzt kommt er schon!
Casperl (tritt ein)
Zapfl Bon jour Mossieur Casperl. Warum so spät?
Casperl (wichtiq thuend.) Ja, Freund meiner durstigen Seele! die heutige Sonne ist umnebelt und düster aufgegangen.
Zapfl Ja, von deim gestrigen Nebel, nit wahr?
Casperl. O nein, o nein, edler Zapfel und Zapfler. Ein furchtbares Geschick hat beim ersten Sonnenstrahl meine Stirne umwölkt.
Zapfl. Sapperment, was muß das sein, daß d' so hochdeutsch redst?
Casperl. Vor Allem eine Maß zur Stärkung meines erschütterten Gemüths!
Zapfl. Gleich bring ich ein Frischangstochenes!
Casperl (tragisch) O ja, steche an! Entwickle deine Berufsthätigkeit mit jener edlen Manneskraft, welche deiner würdig ist, damit der ermattete Lebenswanderer sich laben könne an der Quelle.
(Zapfl bringt Bier)
Casperl. In die Tiefe dieses thurmartigen Gebäudes – Maßkrug genannt – will ich mich versenken! (in gewöhnlichem Tone) Schlapperment, aber heut hab ich schon an Durst, Zapfl! Ich glaub, weil ich gestern z'weng trunken hab. Kurz und gut und gut und kurz, laß dir sagen. Zapfl, ich muß nacher zum Bürgermeister nüber vermuthlich wegen meiner gestrigen Aufregung. Ich hab nehmlich in meiner germanischen Begeisterung wie ich z'Haus kommen bin mit meiner Grethl etwas zu vernehmlich discurirt. Sie sprach wieder oder widersprach, was ich durchaus nicht dulde, besonders wenn ich in einer exultirten Stimmung bin, und da gab Ein Wort das andere; ich ward heftig, sie ward giftig, ich warntetete, ich drohtetete! – endlich kam es zu Thätlichkeiten! Ich ließ meine männliche Autoritätschaft walten, Schlag auf Schlag; sie fiel unter meinen Streichen. Diese häusliche Scene blieb aber nicht Privatangelegenheit; denn in Folge des Lärm's wurde die unter mir schlummernde Bocksfamilie veranlaßt, mit meinem Verhalten unzufrieden zu sein, und der Staatsbürger von Nadel und Faden, diese elende Schneiderseele hat mich heut in aller früh schon beim Bürgermeister verklagt, in Folge welcher Renunziation ich amtlich klistirt wurde und mich in einer halben Stunde bei unserm städtischen Tyrannen Salzmaier einzufinden habe. Jetzt hast die ganze Gschicht, Zapfl!
Zapfl. Also zitirt bist worden? Aber daß 'd gar kein Ruh gibst! alleweil Spetakel und alleweil Spetakel! nacher kann die Straf nit ausbleiben. Werd doch Einmal gscheid!
Casperl. Gscheid? Ja was is denn gscheid? Trinken oder nicht trinken? Trinkt der Mensch nix – so verdurst't er; und das ist doch nit gscheid! und trinkt der Mensch, so hat er die Pflicht seinen Durst zu löschen; denn das gebietet die Selbsterhaltungsschuldigkeit und das ist gscheid. Also soll besonders ein Wirth oder Bierzapfler, wie du bist, von einer solchen Gscheidheit nit reden, sonst ist er selber ein dummer Kerl.
Zapfl. Jetzt hast du wieder recht. Also sei gscheid und trink so viels d' magst.
Casperl. Das Trinken ist ein natürliches Bedürfniß, ein Naturtrieb, den der Mensch nicht unterdrücken soll. Hätt' der Adam zur rechten Zeit sein' Durst glöscht, so hätt' er gwiß nit in den sauern Apfel bißen; denn wenn ich dein schlechts Bier trunken hab, so fallt's mir gwiß nit ein, daß ich noch an Apfel iß.
Zapfl. Du sprichst wie ein Buch. (schaut zum Fenster hinaus.) Ah, da kommt der Spritzler. Sein rothe Nasen glänzt schon von weiten daher.
Casperl. Bravo! aber jitzt Wirth entferne dich. Wir haben mitenand was abzmachen, was vor der Hand der ganzen Menschheit noch ein Geheimniß bleiben soll. Also hinaus, Wirthsseele! begib dich einstweilen in die Kuchel und besorg mir ein dutzend Bratwürst.
Spritzler (tritt ein.) Gschwind eine Maß, Zapfl! dann entferne dich und laß uns zwei allein.
Zapfl (bringt Bier.) So da habn's Eine, Herr Spritzler. Ich geh schon. (ab.)
Spritzler. Casperl! dir droht Gefahr!
Casperl. Ha! Verrätherei oder was –
Spritzler. Eingsperrt sollst werd'n. Allein wir wollen dem Verhängniß zuvor kommen.
Casperl. Wenn besagte Einsperrung mit Wasser und Brod verbunden ist – dann auweh! Sollte aber besagte Einsperrung die gute Kost nicht ausschließen, so bin ich dabei.
Spritzler. Du hast das Aergste zu befürchten; denn der Herr Bürgermeister ist ungeheuer aufgebracht über dich. Also bleibt kein Rettungsmittel als Klugheit.
Casperl. Was fangen wir an, Freund Spritzler?
Spritzler. Ich hab mir schon was ausgedacht.
Casperl. 'Raus damit!
Spritzler. Ich hab gestern in der Zeitung glesen, daß der Garibaldi schon gegen Tirol rausrückt. Des weißt, daß der Bürgermeister den Garibaldi wie 'n Teufel fürcht; ich werd' eine telegraphische Depesche erfinden, daß er schon an der Grenz steht mit 50000 Italiener und du mußt als Garibaldi einrucken.
Casperl. Schlapperment, das ist nit übel! Ich komm als Barigaldi mit 50000 Italiener! Und nachher quartir ich mich beim Bürgermeister selber ein und laß mir auftischen, was mir schmeckt, und du darfst mit mir essen und trinken.
Spitzler. Nur klug und vorsichtig. Geh jetzt 'nüber in's Verhör und thu nur recht lamentabel; ich komm nacher schon zur rechten Zeit dazwischen mit meiner Depeschen.
Casperl. Brav, so machen wir's! Schlipperment, das gibt en Hauptgaudi. Das ganze Stadtl muß allarmirt werden, wenn ich mit meinem Sabel komm.
Spritzler. Aber italienisch mußt reden, sonst kennen's dich ja an der Sprach.
Casperl. Das versteht sich. Gib Acht, was ich daher welschen werd. Ich hab so en alts italienisch' Sprachbüchl; in dem will ich a bißl studiren.
Spritzler. Gut! also fort zum Bürgermeister.
Casperl. Zuvor noch eine Umarmung! Laß dich an meinen Freundesbusom drücken. Ewig dein – o – o – o! (Beide ab.)