Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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Verwandlung.

Zimmer des Doctor Sassafras.

(Casperl tritt ein.)

Casperl. Mein Herr muß einen schweren Patienten zu tractiren haben; denn er ist die ganze Nacht ausblieben. Hätt' ich das voraus gewußt, so hätt' ich mich auch im Wirthshaus ein bißl länger unterhalten und aufgehalten und die Polizeistund nit so gewißenhaft eingehalten. Oho! jetzt wär ich bald aus dem »halten« nimmer 'rauskommen.

Ja, meine Gewissenhaftigkeit ist aber schon musterhaft. Ich bin so gewissenhaft, daß ich nicht einen Tropfen im Krug lassen kann; so pünktlich, daß ich nicht einen Wurstzipfel auf´m Teller liegen laß; so genau, daß ich nicht einen Kreuzer im Sack behalten kann; so dienstfertig, daß ich mit meinem Dienst und mit meiner Arbeit schon fertig bin, eh' ich damit angfangen hab, das heißt: Ich thu' lieber gleich gar nix! Kurz – ich bin das Muster eines menschlichen Exemplar's. Der erste Mensch Adam war Nichts im Vergleich zu mir, seinem Nachkommen! und der muß, doch das Muster aller Menschen gewesen sein, weil er der erste war. Er hat in einen süßen Apfel gebißen; aber ich muß gar oft in einen sauern beißen; seine Evakathl hat ihm die Frucht gereicht; aber meine Evakathl such' ich noch. Wenn ich einmal fünfundzwanzig Jahr treu gedient hab – so sagt mein Herr – nachher laßt er mich auch heirathen. Bis dahin bleib ich ledig! 'S ist freilich a bißl lang hin; allein der Mensch muß Geduld haben! – Aha! da kommt er.

Sassafras (tritt ein)

Casperl. Guten Morgen, guten Morgen! – Ja wo waren wir denn die Nacht über? Hab'n S' wieder Einen hinausbuxirt aus dem irdischen Jammerthal?

Sassafras. Schweig Narr! Laß mich allein!

Casperl. Kein Frühstück? keinen Caffè?

Sassafras. Fort, aus dem Zimmer! Ich habe zu studieren.

Casperl. (für sich) Auweh! steht ein Gewitter am Himmel in aller früh. (zu Sassafras.) Ich geh' schon. (ab.)

(Sassafras eilt auf sein Schreibpult hin, von welchem er ein Blatt Papier nimmt.)

Sassafras. Der Teufel hat dießmal nicht gelogen. Hier ist der Vertrag. Woll'n sehen, wie er lautet. (liest.)

»Ich Doctor Christophorus Sassafras, verschreibe meine Seele dem höllischen Feinde, dem Könige des Reiches der Nacht und des ewigen Jammers« – des ewigen Jammers, das ist wohl Viel! allein diese Ewigkeit kann eine relative sein, keine absolute; also weiter: »dafür empfange ich von besagtem höllischen Feinde die Gewalt, den Tod in Banden zu halten, so lange es mir gefällig ist.« Gut, aber wer bürgt mir, daß ich diese Macht wirklich habe?

(Es donnert, aus der Versenkung erscheint ein Armsessel. Eine Stimme ruft:)

Wer sich auf diesen Stuhl setzt, bleibt so lange gebannt, bis du ihn wieder entlassen willst.

Sassafras. Und der Tod wird sich also fangen lassen?

Stimme. Er wird es.

Sassafras. Wenn nicht, so gilt auch der Vertrag nicht.

Stimme. Unterschreibe!

Sassafras. Auf die Gefahr hin kann ich's. – So, ich ritze mir die Hand mit dem Messer. Ein Tropfen Blut genügt, daß ich meinen Namen schreibe.

(schreibt. Donner. Zugleich fliegt ein Rabe zum Fenster herein und entführt das Blatt.)

Casperl (tritt gleich darauf ein.)

Casperl. Herr Doctor! da draußen steht ein schwarzer Herr und möcht seine Aufwartung machen.

Sassafras. Sein Name?

Casperl. Er hat gsagt, daß er Doctor Knochenmayer heißt. No! der sieht aber aus! wie's leibhaftige Elend!

Sassafras. Der ist mein Mann! laß ihn sogleich herein. (Casperl ab)

Sassafras. Schlag auf Schlag! des Teufels Maschinerie ist gut.

(Tod als Knochenmayer tritt ein.)

Tod. Hier bin ich.

Sassafras. O, ich bin ungemein erfreut über Ihre Pünktlichkeit, Herr Knochenmayer.

Tod. Hast du es überlegt? Halbpart! die Eine Hälfte der Kranken dein, die Andere mein; oder du selbst gehörst mein.

Sassafras (mit Verstellung.) Obschon meiner Praxis und meinem Rufe als Arzt großer Eintrag geschieht, bleibt mir Nichts, als einzuwilligen, da ich selbst so bald nicht deine Beute werden möchte. Wollen wir das Geschäft auch zu Papier bringen?

Tod. Es wäre nicht übel; denn es ist immer besser, so Etwas schwarz auf weiß zu haben.

Sassafras. Ja, schwarz auf weiß! dieß ist ohnedieß deine Wappenfarbe auf Särgen und Todtenfahnen. – Nimm auf diesem Stuhle dort Platz; einstweilen schreibe ich.

Tod. Es thut wirklich meinen alten Knochen wohl, wenn sie bisweilen ein bischen ausruhen können. (setzt sich in den Stuhl.)

Sassafras. So, Freundchen! jetzt bleibe sitzen, bis es mir gefällig sein wird, dich wieder los zu lassen.

Tod. Wie? was soll das heißen? (will aufstehen) Ich kann nicht aus dem Stuhle? Welch ein abgeschmackter Scherz!

Sassafras. Kein Scherz, sondern voller Ernst. Die Menschheit wird nun für einige Zeit von dir befreit sein und Doctor Sassafras wird seine Triumphe feiern; denn er hat den Tod gebunden.

Tod. (versucht wieder aufzustehen, rüttelt gewaltig am Stuhle.) Verflucht! Mich zu binden? Mich zu bannen? Das hat noch Niemand gewagt! Wer gab dir diese Macht, Elender?

Sassafras. Gleichgültig wer! Es ist einmal so: du bist und bleibst mein Gefangener.

Tod. Weh dir, wenn ich wieder in Freiheit bin! Das ewige Gesetz der Natur kann nicht untergehen.

Sassafras. Der Tod ist nicht von Ewigkeit her; denn auch die Sünde ist es nicht und Ein Mal kommt der Tag, an welchem du selbst des Todes sein wirst!

Der Vorhang fällt.


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