Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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III. Aufzug

Kirchhof. (Wie im zweiten Aufzug.)

(Todtengräber sitzt auf einem Grab.)

Todtengräber. Jetzt möcht' ich wissen, zu was ich noch auf der Welt bin? Seit vier Wochen stirbt kein Mensch mehr in der ganzen Gegend. Es ist schier zum verhungern für mich, seit Alles zum Doctor Sassafras lauft, der Alles kurirt. Nicht einmal die alten Leute sterben; auch ihnen gibt er Mittel, die sie – sollt' man glauben – wieder jung machen. Ich werde mir aber auch von ihm ein Recept verschreiben lassen gegen Hunger und Noth. Wenn er die zwei Krankheiten des Menschengeschlechtes kuriren kann, dann Hab' ich allen Respect vor seiner Kunst! – Wie? sollt er etwa gar damals, als er sich hier nach dem bösen Feind erkundigt hat, mit ihm einen Pact geschlossen haben? Ei, Firlefanz! das geht nicht. An solche Geschichten glaub ich nicht. Die Zeiten vom Doctor Faust, die sind längst vorbei; die Leute sind gar gescheidt worden und der Teufel hat sie ohnedieß in seinen Klauen. Ei, wer verirrt sich denn da wieder einmal hieher?

Schreiber (tritt verzweifelt auf, ohne den Todtengräber zu erblicken) Weh mir! wo find' ich Trost, wo find' ich Ruhe? Nur im Grabe. Was bleibt mir Anderes als der Tod? Mein einziges Lebensglück wurde mir entrißen; meine Marie soll ich nie besitzen! Die Verzweiflung zerrüttet mein Inneres! Ich will meinem Leben ein Ende machen.

(zieht eine Pistole hervor.)

Todtengräber. (für sich) Oho! das wär doch zu arg. So etwas kann selbst der Todtengräber nicht zulassen.

(tritt vor und greift nach der Pistole.)

Halt, guter Freund!

Schreiber. Wer wagt's, meinen freien Willen zu hindern?

Todtengräber. Ich bin so frei. Ich Hab das Recht nach eurem Todtenschein zu fragen; denn ich bin der Todtengräber.

Schreiber. Lies in meinem Herzen, da steht er geschrieben.

Todtengräber. Die Schrift zu lesen hab' ich in der Schule nicht gelernt; aber wo anders steht geschrieben: »Du sollst nicht tödten.«

Schreiber. Mein Leben ist mein Eigenthum; ich kann darüber verfügen.

Todtengräber. Nein, mein Herr! Ihr habt euer Leben weder gekauft noch eingetauscht. Es gehört dem lieben Herrgott, der's euch anvertraut hat als ein heilig Amt.

Schreiber. 's ist zum Lachen! der Todtengräber hält mir eine Predigt zu seinem eigenen Nachtheil.

Todtengräber. Der Todtengräber hat ein bisl gesunde Vernunft und glaubt an unsern Herrgott!

Schreiber. Der hat mich verlassen!

Todtengräber. Ei? und wißt Ihr das so gewiß?

Schreiber. Mein einziges Glück hat er mir geraubt! hinausgestoßen bin ich aus dem Leben.

Todtengraber. Das müßt ihr mir näher expliciren. Unser Herrgott stößt keinen Menschen aus dem Leben hinaus so mir nichts dir nichts! – Kommt – nehmt Vernunft an! Glaubt dem Todtengräber, der nur mit dem Tode zu thun hat. Aus den starren Gesichtern der Menschen, die ich da eingrabe, habe ich schon viel gelesen und hab gar Manches gelernt, wenn ich auch ein schlichter alter Mann bin, der nicht studirt hat. Kommt mit mir, ich bitt euch!

Schreiber. Ich bin verlassen, ich bin unglücklich! Du wolltest mich retten?

Todtengräber. Wenn Einer in's Wasser gefallen, kann er sich an einem schwachen Brettlein halten.

Schreiber. Wahrhaftig! du hast mir meine Besinnung wieder gegeben! Es ist wahr: der Mensch soll nie verzweifeln.

Todtengräber. Aha! kömmt die Vernunft wieder? Ihr hattet sie zu Haus gelassen. Geht mit mir in meine armselige Hütte. Wartet ein bischen ab, was der liebe Herrgott mit euch vor hat.

Schreiber. Ich will dir folgen. (beide ab.)

Der Teufel. (erscheint aus der Tiefe) Verfluchter Pact mit dem Doctor! Die Lust seine Seele zu gewinnen, hat mich übertölpelt und ich habe nicht bedacht, daß wenn der Tod gebunden, er mir keine Seelen mehr liefern kann. Vermaledeiter Contract! Ich muß ihn brechen– lieber laß ich den Doctor laufen. Er gehört doch mir; denn sein Hochmuth und seine Geldgier führen ihn der Hölle zu, ohne daß er daran denkt. Zwar ein bißchen später; aber was thuts? Uebrigens kann ich ja dem Tod für seine Befreiung die Bedingniß setzen, daß er mir den Herrn Doctor bald zuführt und ihm bei Gelegenheit den Kragen umdreht. Auch der Bursch da, der gerade mit dem Todtengräber verhandelt, hätte sich ohneweiters erschossen und wäre mir schnurgerade in den Rachen gelaufen, säß der Tod nicht ohnmächtig in dem verdammten Lehnsessel, den ich erfunden habe. Bei den höllischen Flammen! So geht's nimmermehr. Ich laß den Tod wieder los. (versinkt.)


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