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Zwinger auf Schloß Falkenburg.
Frau Ottilie und Agnes nehmen unter einer Linde ihren Morgenimbiß.
Ottilie. Schmeckt's Agnes?
Agnes. Die Milch ist herrlich gut! und 's Brod neugebacken und resch, daß es zwischen den Zähnen kracht.
Ottilie. Sei froh, Kind, daß du solch guten Morgenimbiß hast. Wir dürfen Gott darum danken. Wie viele Tausende haben gar Nichts oder, kaum ein Stück verschimmelt Brod den ganzen Tag über. Weißt's ja selbst, wie der gute Vater den armen Söldnern und Siechen Nahrung gibt, damit, sie nit vor Elend zu Grund geh'n.
Agnes. Ach, liebe Mutter, ich weiß es und mein Herz ist gewiß immer dankbar, daß wir in gutem Stande leben und daß ich so lieben Vater und Mutter habe, die mir's wohl gehen lassen.
Ottilie. Auch leben wir auf fester, sichrer Burg und hat der Vater seine zwölf reisigen Knappen ohne die vierzig Söldner im Thal, so daß wir ruhig sein können und mag uns kein schlimmer Gesell was anhaben.
Agnes. Ja, denk' Dir Mutter: hat mir der alte Veit erzählt, daß ein Zug von Kaufleuten, die aus Nürnberg kamen, erst vorgestern von des schwarzen Dietrich Rotte im Hohlweg am Hochwald drüben überfallen und geplündert worden.
Ottilie. Und der Vater hat sich auch vorgenommen, in diesen Tagen mit seinen Reisigen wieder einmal die Heerstraße zu säubern.
Agnes. Wenn ihm nur Nichts zu Leid geschieht! Ich habe immer Angst und Noth, wenn der Vater auszieht. Weißt Du noch, Mutter, wie sie ihn einmal verwundet auf den Tod krank heimbrachten?
Ottilie. Wer möchte so was vergessen? Aber es ist Ritterpflicht das Recht zu schützen; was wollte das wehrlose Volk anfangen, nähmen sich die edlen Burgherren mit Schwert und Lanze nicht drum an? Das wissen aber auch die bösen Gesellen und der wackere Falkenburger ist ihnen ein Dorn im Aug; denn wenn der mit seinem Häuflein umreitet, dann ist's nichts mit dem Rauben und Brandschatzen.
Agnes (in die Höhe schauend). Ei sieh, Mutter, da kreist über uns in den Lüften ein gewaltiger Geyer.
Ottilie. Auch so ein Raubgesell!
Agnes. Jetzt stößt er dort herab auf die große Buche. O weh, ein Täubchen fliegt auf, dem will er an.
Ottilie. (blickt auf.) Nichts da! Der Räuber ist getroffen. Hörst du nicht einer Armbrust hellen Klang?
Agnes. Sieh, Mutter, er sinkt!
Ein von einem Pfeil durchbohrter großer Geyer fällt herab; zugleich fliegt eine weiße Taube in Agnes Schoos.
Ritter Theobald (eintretend.) Hab ich dich, Würger? Jetzt verblut' dich. Wirst kein Täublein mehr verfolgen.
Ottilie. Gut getroffen! Dein Schuß fehlt niemals.
Theobald. Gott geb's, daß es immer so bleibe. Grüß Gott, Weib und Kind.
Agnes. Herzensvater! sieh da, das Täublein hat sich zu mir geflüchtet.
Theobald. Recht so! behalt's und pfleg's gut.
Ottilie. Warst heute schon früh auf, lieber Theobald.
Theobald. Bin mit ein paar Knechten vor Tages Anbruch aufgesessen, um ein bißl zu stöbern. S' ist wieder nit sauber im Gau. Die Geschichte mit den Nürnberger Kaufleuten wißt ihr ja. Im Hochwald mag's Gesindel liegen. Wir müssen ihnen zu Leib steigen. Im Peterskloster haben sie auch schon schlimme Einkehr gehalten. Als gestern die frommen Mönche beim Abendbrod sassen, ist der schwarze Dietrich mit seinen Hallunken eingebrochen, verriegelten die Thore und hielten in Küch' und Keller fröhliche Mahlzeit. Nachts zog er wieder ab und nahm vom Abte 100 Goldgulden Brandschatzung mit. Was wollten die armen Mönchlein anfangen?
Agnes. Das ist wohl arg. Wie es nur so schlechte Menschen geben mag!
Theobald. Das ist der Sauerteig auf Erden; 's muß auch böse Geyer geben. Hast's eben gesehen, lieb Agnes. Licht und Schatten durchdringt Alles auf der Welt; Schlimmes und Gutes muß sein; und war nicht auch Einer unter des Herrn Jüngern selbst, der dem Bösen angehört hat? Drum ist's Pflicht der Guten, daß sie wachen und schützen. – Die Sonne ist schon hoch. Schafft mir einen Becher Wein; ich hab noch nichts im Leibe; will ihn aber drinnen trinken.
Ottilie. Gleich, lieber Theobald. Komm bald hinein.
Agnes. Und du, liebes Täublein, komm in deine neue Herberge. Du sollst's gewiß gut bei mir haben. Ich will dich füttern und pflegen wie ein Kindlein, und kein böser Raubvogel soll dich von nun an verfolgen. (Ottilie und Agnes ab in's Schloß.)
Theobald (allein). Hol der Henker das Galgengesindel da drunten! Wie oft hab' ich dem Dieter schon nachgejagt! Wie manche Nacht bin ich auf dem Bauch gelegen im nassen Gras sammt den Knechten! 'S ist als ob der Teufel mit ihm wäre, – immer vergebens! Aber sein Stündlein wird auch ein Mal schlagen und ich will nit ruhen, bis ich den Gauch gefangen, lebendig oder todt.
(Hornstoß des Thurmwarts).
Holla, mein Wart bläst. Kömmt etwan ein guter Freund eingeritten.
Hannes (tritt ein). Edler Herr, die Wittib von der Hohenburg mit ihrem Töchterlein möchten Euch heimsuchen und die Edelfrau.
Theobald. Sollen mir willkommen sein zu jeder Stunde. (Hans ab) Arme Frau ! haust nun allein auf ihrer Burg mit ihrer Emma. Vielleicht bedarf sie meiner; denn so eine Wittib braucht oft Beistand und weiß nit Rath zu finden.
(Frau Rosalinde und Emma treten ein. Theobald eilt ihr entgegen.)
Theobald. Edle Frau, seid mir gegrüßt. Ich freue mich Euch und das Fräulein auf meiner Burg zu beherbergen.
Rosalinde. Ich wußt' es zuvor, daß ich bei einem so wackeren Ritter geneigte Aufnahme fände.
Theobald. Euer schwarz Gewand ist wohl noch das Abbild des inneren Zustandes, in den Euch das bittere Ableben des theuern Ritters Adalrich versetzt hat.
Rosalinde. Wohl ist es so, Ritter Theobald. Es sind nun zwar sechs Monden verflossen, daß ich meinen Ehgemahl verloren, weil Gott ihn abgerufen; aber meine Traurigkeit hat sich schier gemehrt als gemindert, und als eine betrübte und verlassene Wittib komm ich zu Euch, um Euch um Rath und Hilfe anzuflehen.
Theobald. War mir doch Euer verblichener Gemahl immer und allezeit ein treuer Genoß und hab' ich in Gemeinschaft mit ihm manchen Strauß bestanden, wie sollt ich nit um so mehr seiner verlassenen Frau Wittib in Nöthen beistehen wollen? Wollt über mich verfügen, edle Frau.
Rosalinde. Wenn Ihr gestattet, so mag mein Töchteilein in das Kemenat zu Euern Frauen gehen und ich will Euch dann mein Anliegen vortragen.
Theobald. Wie's Euch belieben mag. Fräulein Emma tretet nur den Gang entlang das Trepplein hinauf; dort findet ihr mein Weib und Kind.
Emma So Ihr's gestattet, Herr, will ich den Frauen zur Last fallen. (ab)
Rosalinde. Nun erlaubt, daß ich Euch mein Anheben vortrage: Bald nach meines Adalrich schmerzhaftem Tode – ihr wißt, daß er an einer bösen Wunde gestorben – drängte unser Nachbar Ritter Ulrich auf der Wart in mich, ich solle ihm, wie ihm nach alter Urkund gebühre, Feld und Wald abtreten, über deß Besitz er mit meinem Gemahl in Streit gelegen. Nun wüßt' ich aber aus meines seligen Herren Mund, daß Ulrich von der Wart kein Anrecht habe und daß dessen Anwartschaft eitel Trug und Lug sei.
Theobald. Das weiß ich auch, und kann's beschwören; denn ich war bei des Reichs Gericht als Zeuge gegenwärtig, da die Angelegenheit rechtens zu Gunsten Eures Ehherrn geschlichtet ward.
Rosalinde. Um so besser, daß Ihr's wißt. Ritter Ulrich aber leugnet die Schlichtung; leider ist das Pergament, das Adalrich in Handen hatte, durch einen treulosen Diener vernichtet worden. Ulrich beginnt den alten Streit, setzt mir mit Drohung zu und will nun alsbald von benannten Ländereien mit Gewalt Besitz nehmen. Sollte dieß aber gescheh'n, so wäre ich eine arme Frau; denn ringsum Hohenburg wäre mein Eigen verloren und nichts blieb mir als die Burg mit dem kleinen Obstzwinger.
Theobald. Gott sei dafür, daß Euch solch Unrecht geschähe!
Rosalinde. Nun hab' ich Euch flehentlich bitten wollen, daß Ihr Euch meiner gnädig annehmt; denn ich kann mich nit schützen. Ihr wißt, mein Gesind ist klein und nach des Ritters Tod hab ich die reisigen Knechte alle entlassen müssen.
Theobald. Seid ohne Sorgen, edle Frau! Solch Frevel muß gezüchtigt werden. Ulrich von der Wart treibt allwegs so schlechte Händel; 's ist an der Zeit, daß ihm sein trügerisch und gottlos Handwerk gelegt werde. Dafür steh' ich ein.
Rosalinde. Euch muß ich es überlassen, wie Ihr mich und mein Töchterlein in unserm guten Rechte schützen wollt. Aber leid wär's mir, so ich Euch selbst dadurch in Ungemach oder nur leidig Verfahren brächte.
Theobald. Da kann nur das Schwert helfen; denn die Waage der Gerechtigkeit ist für Ritter Ulrich nicht von Gewicht; und für solchen Fall hat Frau Justitia mit der Waage auch das Schwert in Händen. Verlaßt Euch auf mich. Ich reite mit meinem Troß vor Ulrichs Burg und so er nit gute Miene macht, werf ich ihm die Brandfackel in sein räuberisch Nest; und hab ich es sammt Mann und Maus vertilgt, so wird mir's des Kaisers Majestät zu Dank wissen.
Rosalinde. Weh mir, wenn ich schuld an solch grausem Handel bin.
Theobald. Das Recht ist Euer; die Folgen fallen dem zur Schmach und Schande, der ein gutes Recht verletzt und dadurch den Landfrieden gebrochen hat. – Ei, sieh da, unsere Frauen! – Sprecht nicht weiter von unserm Geschäft. Was zu thun ist, das wird geschehen und seid fortan ohne Bangen.
(Ottilie, Agnes und Emma treten ein; letztere die Taube auf dem Arm tragend).
Ottilie. Gott zum Gruß, Frau Hohenburgerin!
Rosalinde. Dank' Euch, wenn Ihr meinen Besuch freundlich duldet.
Ottilie. Ihr bleibt doch bei uns über Mittag. Ich bitt' Euch, wollt erst vor Abend wieder heimkehren; in vier Stunden macht Ihr den Weg.
Theobald. Und ich geb' Euch sechs Knechte zum Geleit; da seid Ihr des Weges sicher.
Rosalinde. Allzugütig seid Ihr für uns; aber solch freundlicher Ladung möcht ich nit zuwider handeln.
Ottilie. Unsre Mägdlein haben schon gute Freundschaft geschlossen. Was sich so gut zusammenfand, das wollen wir nicht wieder schnell trennen.
Emma. Ja, denk liebe Mutter: Agnes hat mir zum Liebespfand dieß schöne weiße Täublein geschenkt, das ihr heut erst, von einem Geyer verfolgt, zugeflogen.
Rosalinde. Wie lieb seid Ihr, Agnes, (zu Emma) Und was hast Du dem Fräulein entgegengeboten.
Agnes. Ein schönes Goldringlein mit rothem Stein darauf.
Theobald. So sei die Freundschaft geschlossen. Ihr seid aber selber zwei Täublein. Gott schütz Euch allerwegen. – Nun wär's aber Zeit, auf die Dürnitz zu gehen. Kommt, laßt uns Mittag halten. Ein Gläslein süßen Trunkes, den ich aus dem gelobten Lande mitgebracht, wird Frau Rosalinde nit verschmähen.
Alle ab während der Vorhang fällt.