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Morgen.
Mummelsee. König steht auf einem Felsen überm See.
König
»Ein Mensch lebt seiner Jahre Zahl, Ulmon allein wird sehen Den Sommer kommen und gehen Zehnhundertmal. Einst eine schwarze Weide blüht, Auf Weylas Mondenstrahl |
So kam es und so wird es kommen. Rasch
Vollendet sich der Götter Wille nun.
Noch einmal tiefaufatmend in der Luft,
Die mich so lang genährt, ruf ich mein Letztes
Der Erde zu, der Sonne und euch Wassern,
Die ihr dies Land umgebet und erfüllt.
Doch du, verschwiegner See, empfängst den Leib,
Und wie du grundlos, unterirdisch, dich
Dem weiten Meer verbindest, so wirst du
Mich flutend führen ins Unendliche,
Mein Geist wird bei den Göttern sein; ich darf
Mit Weyla teilen bald das ros'ge Licht.
Gehab dich wohl, du wunderbare Insel!
Von diesem Tage lieb ich dich; so laß
Mich kindlich deinen Boden küssen; zwar
Kenn ich dich wenig als mein Vaterland,
So stumpf, so blind gemacht durch lange Jahre
Kenn ich nicht meine Wiege mehr; gleichviel,
Du warst zum wenigsten Stiefmutter mir,
Ich bin dein treustes Kind – Leb wohl, Orplid!
Wie wird mir frei und leicht! wie gleitet mir
Die alte Last der Jahre von dem Rücken!
O Zeit, blutsaugendes Gespenst!
Hast du mich endlich satt? so ekelsatt
Wie ich dich habe? Ist es möglich? ist
Das Ende nun vorhanden? Freudeschauer
Zuckt durch die Brust! Und soll ich's fassen das?
Und schwindelt nicht das Auge meines Geistes
Noch stets hinunter in den jähen Trichter
Der Zeit? – Zeit, was heißt dieses Wort?
Ein hohles Wort, das ich um nichts gehaßt;
Unschuldig ist die Zeit; sie tat mir nichts.
Sie wirft die Larve ab und steht auf einmal
Als Ewigkeit vor mir, dem Staunenden.
Wie neugeboren sieht der müde Wanderer
Am Ziele sich.
Er blickt noch rückwärts auf die leidenvoll
Durchlaufne Bahn; er sieht die hohen Berge
Fern hinter sich, voll Wehmut läßt er sie,
Die stummen Zeugen seines bittern Gangs:
Und so hat meine Seele jetzo Schmerz
Und Heiterkeit zugleich. Ha! fühl ich mir
Nicht plötzlich Kräfte gnug, aufs neu den Kreis
Des schwülen Daseins zu durchrennen – Wie?
Was sagt ich da? Nein! Nein! o gütge Götter,
Hört nimmer, was ich nur im Wahnsinn sprach!
Laßt sterben mich! O sterben, sterben! Nehmt,
Reißt mich dahin! Du Gott der Nacht, kommst du?
Was rauscht der See? was locken mich die Wellen –
Was für ein Bild? Ulmon, erkennst du dich?
Fahr hin! Du bist ein Gott!...
Bei den letzten Worten stieg Silpelitt in der Mitte des Sees mit einem großen Spiegel hervor, den sie ihm entgegenhielt. Wie der König sich im Bildnis als Knaben und dann als gekrönten Fürsten erblickt, stürzt er unmächtig vom Felsen und versinkt im See.