Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wirtsstube in der Stadt Orplid. Kollmer aus Elne und einige Bürger sitzen an den Tischen umher, trinkend und schwatzend.
Ein Weber: Hört, Kollmer! Ihr habt ja neulich wieder nach den beiden Lumpenhunden gefragt, von denen ich Euch sagte, daß sie gern die alte Chronik an Euch los wären, die kein Mensch lesen kann. Wenn Ihr noch Lust habt, so mögt Ihr dazutun, sie wollen's aufs Schloß dem gelehrten Herrn bringen, dem Harry; der ist Euch wie besessen auf dergleichen Schnurrpfeifereien aus.
Kollmer: Seid außer Sorgen, ich hab den Schatz schon in Händen und wir sind bereits halb handelseinig. Diesen Abend wird es vollends abgemacht.
Glasbrenner: Wenn ich Euch raten darf, laßt Euch nicht zu tief mit den saubern Kameraden ein; Ihr habt sie sonst immer aufm Hals.
Müller: Mir denkt's kaum, daß ich sie einmal sah.
Weber: O sie liegen ganze Nachmittage im lieben Sonnenschein aufm Markt, haben Maulaffen feil, schlagen Fliegen und Bremsen tot und erdenken allerlei Pfiffe, wie sie mit Stehlen und Betrügen ihr täglich Brot gewinnen. Es sind die einzigen Taugenichtse, die wir auf der Insel haben; Schmach genug, daß man sie nur duldet. Wenn's nicht den Anschein hätte, als ob die Götter selbst sie aus irgendeiner spaßhaften Grille ordentlich durch ein Wunder an unsern Strand geworfen, so sollte man sie lange ersäuft haben. Nehmt nur einmal: Unsere Kolonie besteht schon sechzig Jahre hier, ohne daß außer den Störchen und Wachteln auch nur ein lebend Wesen aus einem fremden Weltteil sich übers Meer hieher verirrt hätte. Die ganze übrige Menschheit ist, sozusagen, eine Fabel für unsereinen; wenn wir's von unsern Vätern her nicht wüßten, wir glaubten kaum, daß es sonst noch Kreaturen gäbe, die uns gleichen. Da muß nun von ungefähr einem tollen Nordwind einfallen, die paar Tröpfe, den Unrat fremder Völker, an diese Küsten zu schmeißen. Ist's nicht unerhört?
Schmied: Wohl, wohl! Ich weiß noch als wär's von gestern, wie eines Morgens ein Johlen und Zusammenrennen war, es seien Landsleute da aus Deutschland. All das Fragen und Verwundern hätt kaum ärger sein können, wenn einer warm vom Mond gefallen wär. Die armen Teufel standen keuchend und schwitzend vor der gaffenden Menge, sie hielten uns für Menschenfresser, die zufällig auch deutsch redeten. Mit Not brachte man aus ihnen heraus, wie sie mit einer Ausrüstung von Dingsda, von – wie heißt das große Land? nun, von Amerika aus, beinah zugrund gegangen, wie sie, auf Booten weiter und weiter getrieben, endlich von den andern verloren, sich noch zuletzt auf einigen Planken hieher gerettet sahen.
Glasbrenner: Hätt doch ein Walfisch sie gefressen! Der eine ist ohnehin ein Hering, der winddürre lange Flederwisch, der sich immer für einen gewesenen Informator ausgibt, oder wie er sagt, Professor. – Der Henker behalt alle die ausländischen Wörter, welche die Kerls mitbrachten. Ein Barbier mag er gewesen sein. Sein Gesicht ist wie Seife und er blinzelt immer aus triefigen Augen.
Schmied: Ja, und er trägt jahraus jahrein ein knappes Fräcklein aus Nanking, wie er's nennt, und grasgrüne Beinkleider, die ihm nicht bis an die Knöchel reichen, aber er tut euch doch so zierlich und schnicklich, wie von Zucker und bläst sich jedes Stäubchen vom Ärmel weg.
Weber: Ich hab ihn nie gesehen, wo er nicht ängstliche, halbfreundliche Gesichter gemacht hätte, wie wenn er bei jedem Atemzug besorgte, daß ihm sein Freund, der Buchdrucker, eins hinters Ohr schlüge. Ich war Zeuge, als ihm dieser von hinten eine Tabakspfeife mit dem Saft auf seine Häupten ausleerte, um einen Anlaß zu Händeln zu haben.
Glasbrenner: Richtig, der mit dem roten schwammigen Aussehen, das ist erst der rechte; so keinen Säufer sah ich in meinem Leben. Sein Verstand ist ganz verschlammt, er redt langsam und gebrochen, auf zehn Schritte riecht er nach Branntwein.
Weber: So haltet nur die Nase zu, denn dort seh ich beide edle Männer an der Tür.
Kollmer: Sie werden mich suchen wegen des Kaufs. Auf Wiedersehn, ihr Herren! Ab.
Schmied: Was will denn der Kollmer mit dem unnützen Zeug, dem Buch, oder was es ist?
Weber: Er sagt, er lege vielleicht eine Sammlung an von dergleichen alten Stücken.
Schmied: Ein sonderbarer Kauz. Es heißt auch, er gehe mit Gespenstern um.
Weber: Man redt nicht gern davon. Was geht's mich an!