Eduard Mörike
Maler Nolten
Eduard Mörike

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Neunte Szene

Nacht. Mondschein.
Waldiges Tal. Mummelsee. Im Hintergrunde den Berg herab gegen den See schwebt ein Leichenzug von beweglichen Nebelgestalten. Vorne auf einem Hügel der König , starr nach dem Zuge blickend. Auf der andern Seite, unten, den König nicht bemerkend, zwei Feenkinder.

Die Feenkinder im Zwiegespräch:
Vom Berge, was kommt dort um Mitternacht spät
Mit Fackeln so prächtig herunter?
Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht?
Mir klingen die Lieder so munter.
                        Ach nein!
So sage, was mag es wohl sein?
 
Das was du da siehest ist Totengeleit,
Und was du da hörest sind Klagen;
Gewiß einem Könige gilt es zu Leid,
Doch Geister nur sind's, die ihn tragen.
                        Ach wohl!
Sie singen so traurig und hohl.
 
Sie schweben hernieder ins Mummelseetal,
Sie haben den See schon betreten,
Sie rühren und netzen den Fuß nicht einmal,
Sie schwirren in leisen Gebeten.
                        O schau!
Am Sarge die glänzende Frau!
 
Nun öffnet der See das grünspiegelnde Tor,
Gib acht, nun tauchen sie nieder!
Es schwankt eine lebende Treppe hervor
Und – drunten schon summen die Lieder.
                        Hörst du?
Sie singen ihn unten zur Ruh.
 
Die Wasser, wie lieblich sie brennen und glühn!
Sie spielen in grünendem Feuer,
Es geisten die Nebel am Ufer dahin,
Zum Meere verzieht sich der Weiher.
                        Nur still,
Ob dort sich nichts rühren will? –
 
Es zuckt in der Mitte! O Himmel, ach hilf!
Ich glaube, sie nahen, sie kommen!
Es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf;
Nur hurtig, die Flucht nur genommen!
                        Davon!
Sie wittern, sie haschen mich schon!

Die Kinder entfliehen. Der Zug streicht wieder den Berg hinan. Während er verschwindet, ruft der König mit ausgestreckten Armen nach.

König: Halt! Haltet! Steht! Hier ist der König Ulmon!
Ihr habt den leeren Sarg versenkt, o kommt!
Ich, der ihn füllen sollte, bin noch hier.
Almissa, Königin! hier ist dein Gatte!
Hörst du nicht meine Stimme? kennst sie nimmer?
Nein, kennst sie nimmer. Weh, o weh mir, weh!
Könnt ich zur Leiche werden, sie vergönnten
Mir auch so kühles Grab. Leb ich denn noch?
Wach ich denn stets?
Mir deucht, ich lag in dem kristallnen Sarge,
Mein Weib, die göttliche Gestalt, sie beugte
Sich über mich mit Lächeln; wohl erkannt ich
Sie wieder und ihr liebes Angesicht.
Fluch! wenn sie einen anderen begraben,
Wenn einem Fremden sie so freundlich tat!
Wie? so starb Lieb und Treue vor mir hin?
Freilich, zu lange säumt ich hier im Leben –
O Weyla, hilf! laß schnell den Tod mich haben!
Auf kurze Weile nur führ mich hinab
Ins Reich der Abgeschiednen, daß ich eilig
Mein Weib befragen mag, ob sie mir Treue
Bewahrt, bis daß ich komme.
    Und wenn dem nicht so wäre, wenn ich ganz
Vergessen wäre bei den sel'gen Toten?
O Weyla hilf! Laß dieses Ärgste mich
Nicht schauen, dies nur nicht! Denn eher fleh ich,
Wenn deine Gottheit keinen Ausweg weiß,
Laß lieber hier mich an der irdschen Sonne,
Die traurgen Tage durch die Ewigkeit
Fortspinnend, leben, fern gebannt von jenen,
Die meine königliche Seele so
Gekränkt. O schändlich, schändlich! unbegreiflich!
Almissa, du mein Kind? Sollt ich das glauben?

Man hört eine besänftigende Musik. Pause.

    Das Nachtgesichte, das ich vorhin sah,
Ich wag es nun zu deuten – Ja, mir sagt's
Der tiefe Geist.
Die Götter zeigten wohlgesinnt und gütig
Im Schattenbilde mir das baldge Ende
All meiner Not. Es war das holde Vorspiel
Des Todes, der mir zubereitet ist.
Vor Freude stürmt mein Herz!
Und schwärmt schon an des Sees Ufern hin
Wo endlich mir die dunkle Blume duftet.
Oh, eilet, Götter, jetzt mit mir! Laßt bald
Mich euren Kuß empfangen! sei es nun
Im Wetterstrahl, der schlängelnd mich verzehre,
Sei es im Windhauch, der die stillen Gräser
Vorüberwandelnd neigt und weht die Seele
Ulmons dahin. Ab.


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