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Eine kleine schlechte Stube.
Buchdrucker allein; er steht an die Wand gelehnt mit geschlossenen Augen: Den Fund hab ich getan, nicht du! So ist die Sache. Du hast keinen Teil an der Sache, miserable Kreatur! Ich hab die Rarität entdeckt, ich hab im alten Keller im Schloß, hab ich das eiserne Kistel – alle Wetter! hab ich's nicht aufgebrochen? Willst gleich mein Stemmeisen an Kopf, Nickel verfluchter? Er schaut auf und kommt zu sich. Wieder einmal geschlafen. Ah! – Der Musje Kollmer wird jetzt bald dasein. Muß ihn der Teufel just herführen, wenn ich besoffen bin? Nimm dich zusammen, Buchdrucker, halt die Augen offen, lieber Drucker. – Und der Tropf, der Wispel muß weg, wenn mein Besuch kommt, er geniert mich nur; der Affe würde tun, als gehörte der Profit ihm und die Ehre.
Wispel kommt hastig herein. Durchaus mit Affektation: Bruder, geschwind! Wir wollen aufräumen, wir wollen uns ankleiden. Der Herr wird gleich kommen, er will Bunkt ein Uhr kommen. Jetzt haben wir gerade zwölf.
Buchdrucker: Ja, man muß sich ein wenig einrichten. Ich will mich etwas putzen. Wenn ich mich heut mit lauem Wasser wasche, kann er zufrieden sein; er wird es zu rühmen wissen.
Wispel geschäftig hin und her: Es kömmt darauf an, daß ich in größter Eile meine Toilette rangiere oder embelliere.
Buchdrucker: Wo wirst du dich indessen aufhalten, während mich der Fremde spricht?
Wispel schnell: Ich bleibe, Guter, ich bleibe. Wo ist das Zähnebürstchen, das Zäh – – die Schuhbürste wollt ich sagen. – Aber meine Zähne sind ebenfalls häßlich und teilweise ausgefallen. – Ei, was tut's aber? ich bekomme dadurch eine sehr weiche Aussprache, eine Diktion, die mich besonders bei den Damen sehr empfehlen muß, denn, verstehst du, weil der Buchstabe R in seiner ganzen Roheit gar nicht ohne die Zähne ausgesprochen werden kann, so darf ich von meinen ausgefallenen Zähnen füglich sagen, es seien lauter elidierte Erre. Durch dergleichen Elisionen gewinnt aber eine Sprache unendlich an süßem italienischem Charakter. Aber, mein Gott, dieses Hemd ist gar zu schmutzig – Nun!
Buchdrucker stellt sich dicht neben ihn: Wo willst du denn hingehen, solang der Herr mich abfertigt, mich honoriert?
Wispel: – und meine Kamaschen ebenfalls etwas abgetragen. Wie? Ich bleibe, ich bleibe, Bester.
Buchdrucker: Vielleicht machst du in dieser Zeit einen Gang um die Stadt, Bruder? Geh, führ dich ab!
Wispel: Freilich, wir sollten ihn eher an einem dritten Ort empfangen, du hast recht. Es ist doch gar zu unreinlich in unserm Zimmerchen, in unserm kleinen Appartementchen. Eine unsäuberliche Mansarde präsentiert sich nicht gut – malpropre.
Buchdrucker für sich: Er muß fort – er muß fort. Wie er sich putzt! Ich würde wie ein Schwein aussehen neben ihm; neben seiner geläufigen Zunge müßte ich wie ein einfältiger unwissender Weinzapf dastehn. Ich kann es nicht ertragen, daß er zusehn soll, wie ich meinen Profit einstreiche, er würde gleich auch seine knöcherne Tatze dazwischenstrecken, mein Seel, er wär imstand und bedankte sich mit allerhand Ausdrücken für die Bezahlung. Laut Was hast du denn in dem großen Hafen da?
Wispel: Es is nur ein Schmalznäpfchen, Bruder. Ich habe das Näpfchen unterwegs – ä – ä – entlehnt, um meine Haare ein wenig zu befetten, weil wir keine Pomade haben für unsre beiderseitigen Kapillen. Es is nur – e – nämlich, daß man nicht ohne alle Elegance erscheint vor dem Manne; mein Gott!
Buchdrucker: Das ischt ja aber eine wahre Schweinerei!
Wispel: Nämlich – ä – nein, es is –
Buchdrucker für sich: Aber er wird sich doch gut damit herausstaffieren, er wird für einen Prinzen neben mir gelten. Herr Gott! was sich diese Spitzmaus einreibt! was sich dieser unscheinbare weiße Ferkel auf einmal herausstriegelt!
Der Buchdrucker taucht jetzt die Hand auch in den Topf und streicht sich's auf. Es stehen beide um den Tisch; in der Mitte der Topf.
Wispel: Hör mal, Bruder, es soll gar ein kurioser Mann sein, auf Ehre; ganz eichen, welcher seine Liebhaberei an abenteuerlichen, seltsamen, dunkeln Redensarten und Ideen hat. Ich denke recht in ihn einzugehen, recht mit ihm zu konservieren. Ich freue mich sehr, wahrhaftig.
Buchdrucker: Nein, nein, nein! bitt dich! just das Gegenteil! Je weniger man redt, je stummer und verstockter man ist, desto mehr nimmt man an Achtung bei diesem eigenen, allerdings raren Manne zu.
Wispel: Gottlob, daß mich mein beseligter Vater in der Erziehung nicht vernachlässigte. Ich werde ihm z. B. von dem eigentlichen sinnigen Wesen der unterirdischen Quellen oder Fontänen, von den Kristallen unterhalten.
Buchdrucker für sich: So wahr ich lebe, Kristallknöpfe trägt er wirklich an seinem Rock. Ich werde ihm auch von Korallen und Steinen allerhand sagen.
Wispel im Ankleiden: Seit meiner berühmten Seefahrt hab ich gewiß allen Anspruch auf Distinktion; ich werde mich erbieten, ein praktisches Kollegium über Nautik und höhere Schwimmkunst vorzutragen; ich werde dem guten Kollmer überhaupt dieses und jenes Phantom kommunizieren. Und was das seltene Buch betrifft, so überlaß nur mir, zu handeln. Man muß etwa folgendergestalt auftreten: Mein Herr! Es is'n Band, der, wie er einmal vor uns liegt, ohne Eigendünkel zu reden, in der Tat ein antiquarisches Interesse, eine antiquarische Gestalt annimmt. Wenn Sie zu dem bereits festgesetzten Kaufpreis, nämlich zu den drei Butten Mehl, dem Fäßchen Honig und dem goldenen Kettlein, etwa noch eine Kleinigkeit, eine Hemdkrause, eine Busennadel oder dergleichen – ä – hinzufügen wollten, so möcht es gehen. Nun macht er entweder Basta oder macht nicht Basta; ich werde jedoch auf jeden Fall delikat genug sein, um schnell abzubrechen; es wäre gemein, werd ich sagen, zu wuchern um etwas ganz Triwiales; transilieren wir auf andere Materie. Ich habe oft eigene Gedanken und Ideen, mein Herr, auch weiß ich, daß Sie nicht minder Liebhaber sind. So z. B. fällt mir hier ein, es wäre eichen, wenn sich ä – wart, ich hab es sogleich – Ja, nun eben stößt mir's auf, ich hab es: – nämlich in der Natur, wie sie einmal vor uns liegt, scheint mir alles belebt, rein alles, obgleich in scheinbarer Ruhe schlummernd und fantasierend; so par exemple, wenn sich einmal die Straßensteine zu einem Aufruhr gegen die stolzen Gebäude verschwüren, sich zusammenrotteten, die Häuser stürzten, um selbst Häuser zu bilden? Wie? heißt das nicht eine geniale Fantaisie? Comment?
Buchdrucker: Esel! So? Wenn sich die Finger meiner Hand auch zusammenrottieren und machen eine Faust und schlagen dir deinen Schafskopf entzwei? Comment?
Wispel lächelt: Ä hä hä hä! ja das wäre meine Idee etwas zu weit ausgeführt, Bester. – Aber was treibst du –? Ciel! Deine Haare werden ja so starr wie ein Seil! Dein Haupt ist ja wie eine Blechhaube! Du leertest ja die Hälfte des Topfes aus!
Buchdrucker: Alle Milliarden Hagel Donnerwetter! Warum sagst du's nicht gleich! du hundsföttischer neidischer Blitz! Mißhandelt ihn.
Wispel: Himmel! wie konnt ich es früher äußern, da ich es in diesem Moment erst gewahre? so wahr ich lebe, Bruder – Himmel! du beschmutzest ja mein Fräckchen völlig – schlag auf die Wange, lieber auf die Wange! um deiner Freundschaft willen –
Buchdrucker: Daß dich das höllische Pech! Du Krötenlaich! Du Stinktier! Schwerenot! die Brüh läuft mir den Hals nunter! Ein' Kamm her! Ein' Kamm!
Wispel trocknet ihn mit einem Tuch: So. So. Es ist ja alles wieder gut und hübsch – Ich habe dich nie so glänzend gesehen, auf Ehre. So. Jetzt sind wir ja fix und fertig. Geht vor ein kleines Spiegelchen und hüpft freudig empor. Ach alle Engel! Ich sehe aus wie gemalt. Singt
Das Bräutlein schön zu grüßen Stürz ich vor ihre Füßen – |
Sieh her, du hättest eben freilich auch solche kleine Löckchen zwirbeln sollen – Schau – ich hab hier mehrere Dutzende auf der Stirn; allein du siehst, wie gesagt, nicht so übel aus, gar nicht so übel aus – Horch! Es klopft doch nicht?
Buchdrucker: Laß es klopfen!
Wispel: Schön gesagt! das erinnert treffend an Don Giovanni, wo der Geist auftreten muß – Eine treffliche Oper.
Buchdrucker gibt ihm eine Ohrfeige: Da hast du einen Schiowanni und eine Ooper. Und jetzt gehst du auf der Stell, weil mich jemand sprechen will, weil ich einen Wert von drei Louisdor einnehmen will – Geh spazieren! Man hört anklopfen.
Wispel: Er kömmt! – Bruder – Was stößt mir auf – wir sind noch nicht balbiert!
Buchdrucker: Laß dich vom Henker einseifen, Chinese!
Wispel: Soll ich durch den Spalt wispern und sagen: er soll in einer halben Stunde wiederkommen; wir seien zwar schon rasiert, aber wir hätten – ä noch einen Brief zu schreiben?
Buchdrucker: Dummer Hund! – Herein!
Ein Mädchen des Wirts tritt herein: Drunten hat ein Knecht von Elne einige Sachen gebracht, und einen Gruß von Herrn Kollmer.
Wispel: Mein! Will denn der Herr nicht selbst kommen?
Mädchen: Scheint nicht.
Wispel: Ich bin des Todes! Mich so um nichts und wieder nichts präpariert – mich bei zwei Stunden – o himmelschreiend! Denke nur, gutes Kind, ich hatte ihm die wichtigsten Eröffnungen zu machen!
Mädchen: Mein Vater, der Wirt, läßt die Herren ersuchen, Sie möchten bei dieser Gelegenheit auch an die halbjährige Rechnung denken.
Wispel: Ja Mädchen, ich wollte Herrn Kollmern sogar den Plan zur Grundlegung einer gelehrten Gesellschaft mitteilen. So was wie die Académie française.
Mädchen: Der Vater läßt fragen, ob er Ihre Schuldigkeit nicht lieber gleich von den bei uns niedergelegten Sachen abziehen soll, die der Knecht gebracht hat.
Wispel: So manche Erfindungen der gebildeten Europa dachte ich auch auf unserer armen Insel einzuführen! z. B. die Buchdruckerkunst, welch ein herrlicher Wirkungskreis gleich für dich, mein Bruder! – sodann die Fabrikation des Schießpulvers – das Münzwesen – ein Nationaltheater – ein hôtel d'amour – ich wollte der Schöpfer eines neuen Paris werden.
Mädchen: Was sag ich denn meinem Vater als Antwort?
Wispel: Und dieser Monsieur Kollmer wäre offenbar der einzige Mann, den ich mir assoziieren könnte.
Mädchen: Ade, ihr Herren!
Buchdrucker: Bleibe sie ein wenig bei uns, lieber Schatz. Vertreibe sie uns ein wenig die Zeit!
Wispel: Ja, lassen Sie uns einiger Zärtlichkeit frönen!
Mädchen macht sich schnell davon.
Buchdrucker nach einem Stillschweigen: Jetzt muß eine ganz besondere Maßregel ergriffen werden, und ergib dich nur gutmütig drein.
Wispel: Was soll dieser Strick, Bruder?
Buchdrucker: Bei meiner armen Seele, und so wahr ich selig werden will, ich drehe dir den Kragen um, wenn du nicht alles stillschweigend mit dir anfangen läßt, was ich mit diesem Strick vorhabe.
Wispel: Grand Dieu! o Himmel! nur schone mein bißchen Leben, nur juguliere mich nicht! bedenke, was ein Brudermord besagt!
Buchdrucker: Schweig, sag ich! Er bindet ihm beide Füße an einen Pfosten und knebelt ihn fest So. Ich will nur nicht haben, daß du beim Auspacken meines Profits die Nase überall voraus habest, Racker! Addio indessen.
Ab. Wispel wimmert und seufzt, dann fängt er in der Langeweile an, mit dem Saft seines Mundes künstliche Blasen nach Art der Seifenblasen zu bilden. Der Buchdrucker sieht ihm eine Zeitlang durchs Schlüsselloch zu. Endlich schläft Wispel ein.