Eduard Mörike
Maler Nolten
Eduard Mörike

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Fünfte Szene

Die Vorigen und die Kinder mit Silpelitt.

Thereile: Was habt ihr denn? was ist geschehn? sprich, Malwy! Talpe, oder du!

Malwy: Ach Schwester!

Thereile: Nun! Der Atem steht euch still. Wo habt ihr Silpelitt?

Silpelitt hervortretend: Hie bin ich.

Malwy: Als wir Silpelitt suchten, konnten wir sie gar nicht finden. Wir rannten wohl neun Elfenmeilen, darfst glauben, und stöberten in dem Schilf herum, wo sie zu sitzen pflegt, wenn sie sich verlaufen hat. Auf einmal an dem Fels, wo das Gras aus den mauligen Löchern wächst, steht Talpe still und sagt: »Hört ihr nicht Silpelitts Stimme, sie redet mit jemand und lacht.« Da löschten wir die Laternlein aus und liefen zu. Ach du mein! Thereile, da ist ein großer, grausam starker Mann gewesen, dem saß Silpelitt auf dem Stiefel und ließ sich schaukeln. Er lachte auch dazu, aber mit einem so tückischen Gesicht –

Talpe: Schwester, ich weiß wohl, das ist der Riese, er heißt der sichere Mann.

Thereile: Über das verwegene, ungeratene Kind! Warte nur, du böses, duckmäuseriges Ding! Weißt du nicht, daß dieses Ungeheuer die Kinder alle umbringt?

Talpe: Bewahre, er spielt nur mit ihnen, er knetet sie unter seiner Sohle auf dem Boden herum und lacht und grunzt so artig dabei und schmunzelt so gütig.

Thereile zum König: Mir tötete er einst den schönsten Elfen durch diese heillose Beschäftigung. Er ist ein wahrer Sumpf an Langerweile.

Talpe zu einem andern Kind: Gelt? ich und du wir haben ihn einmal belauscht, wie er bis über die Brust im Brulla-Sumpf gestanden, samt den Kleidern; da sang er so laut und brummelte dazwischen: ich bin eine Wasserorgel, ich bin die allerschönste Wassernachtigall!

Thereile: Hast du dieses Ungetüm schon öfter besucht, Silpelitt? Ich will nicht hoffen.

Silpelitt: Er tut mir nichts zuleide.

König für sich:
Wer ist das Kind? Es gleicht den andern nicht.
Mit sonderbarem Anstand trägt es sich,
Und ernsthaft ist sein Blick. Nein, dieses ist
Kein Feenkind, vielleicht die Fürstin hat
Es grausam aus der Wiege einst entführt.

Man hört in der Ferne eine gewaltige Stimme:

Trallirra – a – aa – aü – ü –
Pfuldararaddada – –! –!

Die Anwesenden erschrecken heftig. Die Kinder hängen sich schreiend an Thereile.

Thereile: Seid stille! seid doch ruhig! Er kommt gar nicht daher, es geht gar nicht auf uns. Zum König Es ist die Stimme dessen, von dem wir vorhin sprachen.

König: Horch!

Thereile: Horcht! ...

König: Dies ist der Widerhall davon; das Echo, das durch die Krümmen des Bergs herumläuft.

Thereile: Habt gute Ruhe, Kinder. Jetzt muß er schon um die Ecke des Gebirges gewendet haben.
    Nun auf und fort ihr närrischen Dinger alle!
Und sammelt tausend wilde Rosen ein;
In jeder soll mit grünem Dämmerschein
Ein Glühwurm, wie ein Licht, gebettet sein,
Und damit schmückt, noch eh der Morgen wach,
Mein unterirdisch Schlafgemach
Im kühlen Bergkristalle!

Die Kinder hüpfen davon. Thereile wendet sich wieder an den König.

Du bist heut nicht gelaunt zum Tanz,
Den alten Trotzkopf seh ich wieder ganz.
Was möcht ich doch nicht alles tun,
Dir nur die kleinste Freude zu bereiten!
Laß uns in sanfter Wechselrede ruhn,
Zwei Kähnen gleich, die aneinander gleiten.
    Sieh, wie die Weide ihre grünen Locken
Tief in die feuchte Nacht der Wasser hängt,
Indessen dort der erste Morgenwind
Ihr ihre keuschen Blütenflocken
Mutwillig zu entführen schon beginnt.

König: Und siehst du nicht dies hohe Feenkind,
Vom Atemzug der lauen Nacht beglückt,
Nicht ahnend, welche schmeichelnde Gefahr
Auf ihre Tugend nah und näher rückt?

Thereile: Du bist ein Schalk! Dies ist nicht wahr!

König: Gestatte wenigstens, daß wir nun scheiden,
Und, möcht es sein, für immerdar;
Ich sehe keine Rettung sonst uns beiden,
Wenn nicht dein Herz, verbotner Liebe voll,
So wie das meine, ganz verzweifeln soll.

Thereile: O Gimpel! ich muß lachen über dich.
Leb wohl für heute. Morgen siehst du mich. Sie stößt ihn fort.


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