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Kapitel 143

Vergebungszweifel des Franziskaners Cyprian. Gute Antwort. Was geschieht mit den ins Fleisch übergegangenen Seelen? Etwas über die Willensfreiheit

1 Spricht der Franziskaner: »Ich danke dir, liebster Freund, für diese herrlichste Auskunft, sie ist wahr, und eines großen Gottes vollkommen würdig, und jedes Gemüt muß in ihr die vollkommenste Beruhigung finden. Aber es gibt demungeachtet dennoch Dinge und Sachen, die als Hauptfehler der menschlichen Natur anzusehen sind, und man kann es mit ihnen wahrlich nicht so machen, wie mit den Feinden, die mir Übles taten. Dazu gehören z.B. gewisse Betrügereien, die man an verschiedenen Personen ausgeübet hat, und man sie nun mit dem besten Willen nicht wieder gut machen kann. Also ist auch die Unzucht, sogar ausgeübte Notzucht, Selbstbefleckung, Knabenschändung, oft sogar an geweihten Orten, exempli causa, exempli causa, eine von Gott Selbst strengstens verbotene, und mit der sozusagen unabweisbaren ewigen Verdammnis belegte Sündensache, die sich nimmer ungeschehen machen läßt, und trotz der Beichte, die man vor der Hinrichtung ablegte, auf der Seele nahe unvertilgbare Sündenmakel zurücklassen muß. Es fragt sich daher sehr bedeutungsvoll: Was wird die liebe allerheiligste Gottheit da tun? Gehen diese Makel auch mit dem lebendigen: »Herr! vergib uns, wie wir vergeben«, von der Schuldentafel?«

2 Spricht der Fremde: »Freund, hältst du die Gottheit für weiser, als die weisesten und besten Menschen, so wirst du auch das von ihr halten müssen, daß Sie die natürlichen Schwächen der Menschen mit noch viel besseren Augen betrachtet, als wie diese Schwächen von den weisesten und bestherrlichen Menschen betrachtet werden. Du hast freilich viel gesündigt in deinem Fleische, weil du von selbem viel versucht worden bist; du hättest zwar diese Versuchungen wohl bekämpfen können, so du je einen wahren Ernst dazu verwendet hättest. Aber solch ein Ernst kam dir zu ernst vor, und des Naturlebens Tändeleien zu süß, und so bliebst du deinem Fleische nach unverändert gleich. Aber siehe, da legte sich dann dir unbewußt die Gottheit in's Mittel, führte dich aus deiner sinnlichen Friedenszelle, und stellte dich auf das Schlachtfeld. Da hattest du dann eine mächtige Gelegenheit, das Ende alles Fleisches und seiner Gelüste in den grauenerregendsten Zeichnungen vor dir zu erblicken, und wurdest dabei nüchterner; und am Ende mußte dein eigenes Fleisch an sich selbst erfahren, welch ein Wert in allen seinen Gelüsten und Vollbringungen derselben gelegen war. Und siehe, so hat die Gottheit dein Fleisch gestraft, und deine Seele von selbem gereinigt, befreiet, und du brauchst daher nun nicht mehr zu fragen, was daher aus solchen deinen Sünden wird. Denn Ich sage es dir: sie haben mit dem Fleische ihr Urteil und ihr Ende erreicht! – Denn was des Fleisches ist, das wird auch mit dem Fleische gerichtet und begraben.

3 Ja ein anderes ist es, wo die Seele selbst ganz ins Fleisch übergegangen ist; da freilich kann ihr kein anderes Los, denn das des Fleisches zuteil werden. Aber bei dir ist das nicht der Fall, was du selbst daraus erkennen magst, daß du hier ohne Fleisch vollkommen lebest, und liegst nicht wie tot im Grabe, aber dennoch fühlend in sich das Los des Fleisches.«

4 Spricht der Franziskaner: »Aber Freund, was geschieht denn dann mit solchen das schaurige Los ihres Fleisches teilenden Seelen? Die werden denn nach der totalen Verwesung ihres Abgottes doch sicher zur Hölle fahren?«

5 Spricht der Fremde: »Keine Seele wird je ihrer Freiheit beraubt, wie auch ihres Bewußtseins und ihrer Erinnerung nimmer! Was sie will, das wird ihr! – Will sie erstehen, so wird sie erstehen; will sie aber noch tiefer unter ihr Grab zur Hölle hinab, so wird ihr der Weg nicht verrammet werden. Wohl ist die Hölle von Gott gestellet (zugelassen), und als für ewig in sich selbst von allen Himmeln strengst gerichtet abgeschieden, aber nicht also eine Seele; denn diese wird nicht gerichtet, außer von ihrer eigenen Liebe und vollsten Freiheit des Willens. Will sie zur Hölle, weil diese ihre eigentliche Liebe ausmacht, so wird sie zur Hölle gehen, und wir alle werden sie davon nicht abzuhalten vermögen. Will sie aber zum Himmel, so werden wir sie auch allerzuvorkommendst und liebreichst aufnehmen, und auf den besten Wegen dahin geleiten; denn so will es die beste Ordnung Gottes!«

6 Spricht der Franziskaner: »Aber Freund, könntest du uns denn nicht auch sagen, wie es denn so eigentlich in der Hölle aussieht?«

7 Spricht der Fremde: »Freund, in der Schrift heißt es: Vor allem suchet das Gottesreich, alles andere wird euch dann von selbst werden; und so wollen wir uns denn auch für's göttliche Pro lebendigst kümmern; das leidige Kontra wird dann jedem früh genug ersichtlich und bekannt werden. Und so denn gehet nun alle mit Mir in jenes nun schon von allen Nebeln befreite Haus; dort werdet ihr ein größeres Licht erhalten. Es sei!«


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