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Die drei Freunde Robert Blums debatieren an der Tür zum Vorzimmer. Schließlich treten sie ins Vorzimmer und sogleich gibt es eine unerwatete Begegnung mit Robert Blum
1 Die drei erheben sich nun endlich einmal von ihrem Tische, und begeben sich langsamen und sehr behutsamen Schrittes zur offen stehenden Türe. Als sie an die Türe kommen, so entdecken sie, als wie aus einem Schlafe erwachend, daß es außer ihrem Wohnzimmer noch ein viel größeres und viel herrlicheres Zimmer gibt; sie gucken einige Schritte vor der Türe hin und her und auf und ab, um irgend etwas für sie Denkwürdiges zu entdecken; denn ganz an die Türe getrauen sie sich doch noch nicht, weil sie nicht wissen, wer und was ihnen da etwa doch begegnen könnte.
2 Nachdem sie eine ziemliche Weile das Zimmer, in dem Ich mit dem Robert Blum etwas von der Türe zurückgezogen Mich befinde, wie auch die 24 Tänzerinnen, die noch mehr im Hintergrunde beisammen stecken, gehörig durchspionierten, soweit sie von ihrem Standpunkte dasselbe in den Augenschein nehmen können, und darinnen nichts Bedenkliches und Gefährliches wahrnehmen, da spricht der Jellinek mit einer etwas leiseren Stimme:
3 »Liebe Freunde! ich endecke durchaus nichts Gefährliches in diesem unserem Antichambre (Vorzimmer), im Gegenteile ersehe ich gerade in der rechten Ecke dort einen Tisch, auf dem sich in einer sicher zwei Maße hältigen Kristallflasche ein sehr gut aussehender Wein, und einige sehr einladende Stücke Brotes, sicher aus dem feinsten Weizenmehle gebacken, befinden. Wenn uns sonst keine Gefahr droht, als bloß die nur, auch hier im Reiche der Geister eine Bekanntschaft mit Brot und sicher bestem Weine zu machen, da glaube ich, wir sollten da nicht so sehr zaghaftig und über alle Maßen zaudernd dem entgegen gehen, was offenbar nur dafür bestimmt zu sein scheint, um uns von diesem unserem geistigen Sein bessere Begriffe und Ideen beizubringen, als die da sind, auf denen wir bis jetzt ungefähr also herumgeritten, wie die donischen Kosaken auf ihren alles Fleisches und Fettes ledigen Reitpferden in einem Feldzuge gegen die Kaukasier! Es dürfte uns, meines Erachtens, daher ein bißchen mehr Mut gar nicht schaden; was meinet ihr in dieser Hinsicht?«
4 Spricht Messenhauser: »Bruder Jellinek, da stimme ich ganz vollkommen dir bei; nur das muß ich dir wie auch dem Bruder Becher gegenüber sogleich zu meiner eigenen Schande bekennen, daß ich bei solchen Naturforschungsgelegenheiten allezeit am liebsten der Letzte bin! Denn könnte es da am Ende doch wohl möglicher Weise zu einer Retirade kommen, so wäre ich da dann natürlich der Erste!« –
5 Spricht Jellinek: »Aber lieber Bruder! schau, schau! wie es mir vorkommt, so bist du ja ein Haupthasenfuß! Wie aber hast du doch mit solch einem Mute einen Armeekommandanten vorstellen können?! O Bruder! nun wird mir so manches klar! Schau, so du nicht von einer gar so hasenfußischen Begeisterung beseelt gewesen wärest, und hättest lieber im offenen Felde vor dem Feinde deine Heeresmacht, anstatt von deinem wohlbewachten Kommandantenbüro aus befehligt, wer weiß es – ob Wien nicht gesiegt hätte? Wenn allenfalls ein Napoleon an deiner Stelle gewesen wäre, da hätten die kaiserlichen Kanonen und Bomben sicher einen sehr bedeutend submisseren Ton angenommen. Aber nun all das beiseite, Freund! ich bitte dich um deiner eigenen Ehre willen, sei mir nur jetzt kein Hasenfuß!«
Am 10. März 1849
6 Spricht Messenhauser: »Aber biederster, liebster Freund und Bruder! weil du schon so ein förmlicher Napoleon von einem Helden bist, wie wäre es denn, so du mir und dem Bruder Becher eine mutigste Avantgarde machtest?! Denn ich sehe nun schon, daß du unter uns den meisten Mut hast; daher sei so gut, und mache uns einen Anführer! O, ich halte mich darüber gar nicht auf, daß du soeben meinen Mut ein wenig durch die Hechel spazieren ließest; denn wahrlich, ein wahrer Heldenmut hat mein Gemüt nie belebet; aber was wahr ist, das ist wahr; ich hatte trotz meinem geringen Heldenmute dennoch nie eine große Furcht vor dem Tode, und so ist es auch jetzt; ich fürchte mich durchaus nicht davor, als ob mir etwas Arges widerfahren könnte oder möchte; aber es klebt mir so eine ganz eigene Scheu vor diesem unserem Vorzimmer an, allenfalls gleich jener, die gespensterscheue Kinder vor manchen Gemächern haben, die ihnen durch ihre Ammen als gespensterhaft bezeichnet worden sind. Es ist wirklich etwas ganz eigenes an dieser meiner Furcht! – Es kommt mir auch also vor, als jemanden, der eine unverscheuchbare Ahnung hat von großen Ereignissen, die ihn sehr nahe berührend, bald und sicher eintreffen werden! – Wahrlich, ich kann für dies mein sonderbares Vorgefühl nicht; aber es ist einmal da, und ihr werdet es sehen, ob mich mein Gefühl getäuschet hat, wenn wir unsere Füße über die Türschwelle setzen werden, da kommt es mir denn gerade so vor, als daß wir da sogleich auf unerwartete große Dinge und Begebnisse stoßen werden, und das, hoffe ich, wird meine sonderbare Mutlosigkeit bei dir, mein liebster Bruder Jellinek, denn doch etwa ein wenig zu entschuldigen imstande sein?«
7 Spricht Jellinek: »Ja, ja, mein Freund; das ist aber auch etwas ganz anderes; denn siehe, auch mich foltert ein ähnliches Vorgefühl; aber weißt du, das darf nie einen großen Geist genieren. Wenn ich mir jene schöne Flasche Wein so recht von Angesicht zu Angesicht besehe, und das schöne Weizenbrot daneben, und mein zwar nun geistiger, aber dessen ungeachtet appetitvoller Magen auch eine sehr bedeutende Sehnsucht kund zu geben anfängt, und gewisserart sagt: Das könnte deinen Räumlichkeiten sicher bestens bekommen! O, da möchte ich schon lieber draußen an selbem Tische mich befinden, als hier in eurer Thremavollen (zitternden) Gesellschaft! Was solle mich aber eigentlich hier auch noch länger zurück halten? – Frisch gewagt, ist allezeit noch gewonnen gewesen! Daher also vorwärts, hurra!«
8 Hier gehet Jellinek mutig auf die Türe los, und will auch eben so mutig durch die Türe an den gutbesetzten Tisch hinwandeln. Aber in dem Augenblicke, als er den Fuß über die Türschwelle setzt, vertreten Blum und Ich ihm die Türe, und der Blum spricht in seinem gewöhnlich etwas barschen Tone: Halt! wer da?! – Keinen Schritt eher weiter, als bevor du nebst deinen zwei noch anderen Begleitern dich legitimierend ausweisen wirst, wer ihr seid, und was ihr hier wollet?!
9 Jellinek fährt anfangs bei dieser unerwarteten Begegnung etwas zurück, ermannt sich aber bald, da er in dem Examinator sogleich den Blum erkennt, und spricht ganz erstaunt: »Oh, oh, oh, Blum! – Robert! ja wo, wo bist denn du nun gewest?! – Ach, ach, das ist denn doch etwas zu stark! Geh' und laß dich tausend Male umarmen und küssen ohne Ziel und Maß! Kennst du uns denn etwa doch im Ernste nicht? – Den Messenhauser, den Becher und mich, deinen Jellinek – nicht?«
10 Spricht Blum: »Ja, richtig, richtig, ihr meine Leidens- und Schicksalsgenossen seid es ja so leibhaftig ganz dieselben, wie ihr es auf der Erde waret! Ich wußte das ja lange schon, daß ihr hier meine Gäste seid; aber ihr wußtet es nicht, daß ihr euch in meinem Hause befindet; – ihr habt euch aber von einer läppischen Furcht beschleichen lassen, daher trat ich euch denn nun auch also barsch entgegen, um euch eure närrische Furcht wie einen faulen Apfel mittelst eines kräftigen Schüttlers vom Baume zu nehmen. – Kommet nun nur alle ganz wohlgemut heraus, und lasset uns dort bei jenem Tische, auf den du Freund Jellinek schon einige bedeutungsvolle Blicke geworfen hast, ganz guter und fröhlicher Dinge sein! Bruder Messenhauser und du Bruder Becher, trauet ihr euch nun auch noch nicht über die Türschwelle?" –
11 Sprechen Messenhauser und Becher zugleich: "Sei uns tausend Male gegrüßt, als unser schätzbarster Bruder und Freund! Mit dir gehen wir, wohin du uns nur immer führen willst, besonders aber zu jenem Tische hin, der für unsere nun sicher vollkommen leeren Mägen eine sehr reichliche Segnung trägt!"
12 Mit diesen Worten stürzen sie auch voll Freuden zum Blum heraus, umarmen und küssen ihn klein ab, und begeben sich dann zum Tische hin.